Boykott der Tesla-Show
Von Oliver Rast
Zu Beginn der Eklat, am Ende das Fiasko. Oder: Wie der auf ursprünglich mehrere Tage angesetzte Erörterungstermin zur geplanten Erweiterung der »Gigafactory« von Tesla in der Stadthalle von Erkner in die Hose ging. Für das zuständige Brandenburger Landesamt für Umwelt (LfU) jedenfalls. Am Montag vormittag waren 30 Interessierte vor Ort, am Dienstag nicht einmal zehn. Die Folge: vorzeitiger Abbruch, mangels Teilnahme.
Wesentlich verursacht durch den Boykott von Umweltverbänden wie der Grünen Liga oder dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sowie engagierten Anwohnern. »Auch wir haben am Montag nicht teilgenommen, drinnen nur eine Erklärung verlesen, und sind dann zum Protest vor die Tür gegangen«, sagte Manuela Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide (BI) am Mittwoch im jW-Gespräch. Warum? Das Prozedere um den Ausbau der Tesla-Fabrik in Grünheide habe mit demokratischer Teilhabe nichts zu tun, so Hoyer weiter. Verärgert ist gleichfalls Thomas Löb. Der brandenburgische Landesvorsitzende der Umweltpartei ÖDP war am Dienstag in der Stadthalle Erkner – und berichtete am Mittwoch jW: Demnach habe der LfU-Versammlungsleiter André Zschiegner unverblümt erklärt, dass es bei der Erörterung nicht um ein »demokratisches Beteiligungsverfahren« ginge, sondern um »Rechtssicherheit« für Tesla und das LfU. »Danach konnte sich ganz offensichtlich niemand mehr im Saal motivieren«, beobachtete Löb, »als Feigenblatt einer Scheinerörterung herzuhalten.«
Denn: Für Kritiker sei unklar gewesen, welche Antragsunterlagen des US-Elektroautobauers im Rahmen des Genehmigungsverfahrens aktuell seien; schließlich gebe es ein halbes Dutzend Versionen, die ferner bruchstückhaft seien, weil seitenweise geschwärzt. Angeblich wegen Betriebsgeheimnissen. »Eine Frechheit«, befand Hoyer, zumal die Tagesordnung für die Erörterung erst am Montag seitens des LfU bekanntgegeben worden sei. Hoyer: »Derart kann man sich nicht auf einen Termin vorbereiten.« In den Monaten zuvor hatte eine sogenannte Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden. Mehr als 1.000 Einwendungen, sprich Kritik, gingen beim LfU ein.
Neben der Wasserfrage im chronisch dürren Ostbrandenburg geht es – bisweilen vernachlässigt – um Waldabholzen. »Wir sind dagegen, Forste für Industrieanlagen zu opfern«, betonte Michael Knopf, Geschäftsführer des Landesverbands Brandenburg der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), am Mittwoch gegenüber jW. Prinzipiell. Statt dessen müssten alte, stillgelegte Anlagen genutzt werden, forderte Knopf. Die seien bereits versiegelt und könnten, ein weiterer Vorteil, etwa von chemischen Altlasten geräumt werden.
Wie reagiert Tesla auf die Kritik? Beschwichtigend, bestenfalls. Ein Vertreter des US-Elektroautobauers bekundete in Erkner, Grenzwerte und gesetzliche Vorgaben beim geplanten Ausbau wie bisher einhalten zu wollen, was mehrfach von Fachbehörden bestätigt worden sei, hieß es am Dienstag in einem RBB-Bericht. Zudem versprach Tesla, Anregungen aus der Bevölkerung für beispielsweise Kontrollmessstellen oder zur Beseitigung von Lärmquellen zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen. Und Tesla plant weiter »überdimensional«, will die Produktion von angepeilten 500.000 Elektromobilen im Jahr auf eine Million im Jahr verdoppeln. Derzeit werden nach Firmenangaben aber noch rund 250.000 Fahrzeuge jährlich gefertigt. In Grünheide arbeiten rund 11.000 Beschäftigte, mit dem Ausbau sollen es 22.500 werden.
Was sagt das LfU zum Abbruch der Erörterung? Ausweichendes. »Alle Behörden nehmen sich die Zeit, die sie brauchen, um die vorgetragenen Einwendungen zu prüfen und Stellungnahmen zu fertigen«, behauptete Behörden-Sprecher Thomas Frey am Mittwoch gegenüber dpa. »Daraus wird am Ende der Genehmigungsbescheid formuliert.« Einen Zeitplan dafür gibt es bisher nicht. Elon Musks Manager hierzulande hoffen indes, dass die erste Teilgenehmigung für den Ausbau im ersten Halbjahr 2024 kommt.
Nein, aufgeben will Hoyer von der BI nicht; trotz der Übermacht Teslas. »Wir lassen uns nicht verarschen, kennen deren Salamitaktik, unser Protest bleibt hartnäckig.« Neue Aktionen gegen den Ausbau der Gigafactory werde es Anfang Dezember geben.
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