Israel will Wahrheit nicht hören
Von Ina Sembdner
Das palästinensische Außenministerium in Ramallah hat die Angriffe israelischer Vertreter gegen den UN-Generalsekretär António Guterres »aufs Schärfste« verurteilt und sie als »ungerechtfertigt und vorsätzlich« bezeichnet. Sie zeugten »von mangelndem Respekt und fehlendem Engagement des Besatzerstaates gegenüber den Vereinten Nationen, ihrer Charta und ihren Resolutionen zur Palästinafrage«, zitierte die amtliche palästinensische Agentur WAFA am Mittwoch aus der Erklärung. Der Chef der Arabischen Liga, Ahmed Abu Al-Gheit, bezeichnete Israels Kritik an Guterres’ Äußerungen gleichentags als einen »offensichtlichen Versuch, zu terrorisieren«. Es sei ein beschämender Angriff, »der darauf abzielt, jede Stimme zum Schweigen zu bringen, die die Wahrheit sagt«.
Guterres hatte bei seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat am Dienstag (Ortszeit) zwar »unmissverständlich die schrecklichen und beispiellosen Terrorakte der Hamas« gegeißelt, aber auch betont, dass es wichtig sei zu erkennen, »dass die Angriffe der Hamas nicht in einem Vakuum stattfanden«. Das palästinensische Volk hätte 56 Jahre lang unter einer erdrückenden Besatzung gelitten, hätte mit ansehen müssen, »wie sein Land immer mehr von Siedlungen verschlungen und von Gewalt heimgesucht wurde, wie seine Wirtschaft unterdrückt, seine Menschen vertrieben und seine Häuser zerstört wurden«. Guterres stellte daraufhin noch einmal klar, dass die »schrecklichen Angriffe« von palästinensischer Seite »die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes« nicht rechtfertigten.
Israels Verteidigungsminister Benjamin Gantz schrieb daraufhin auf X davon, »dunkel sind die Tage«, an denen der UN-Generalsekretär »den Terror« dulde. »Terrorapologeten« könnten »nicht im Namen der Welt sprechen«. Der israelische Botschafter bei der UNO, Gilad Erdan, ging noch einen Schritt weiter und forderte, dass Guterres unmittelbar zurücktritt. Er agiere »völlig losgelöst von der Realität in unserer Region« und betrachte »das von den Nazi-Hamas-Terroristen begangene Massaker in einer verzerrten und unmoralischen Weise«.
In dem von Israel seit 19 Tagen bombardierten Gaza stieg die Zahl der Getöteten am Mittwoch unterdessen auf 6.546. Allein in den vergangenen 24 Stunden starben nach Angaben aus Gaza mehr als 750 Palästinenser.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (25. Oktober 2023 um 19:59 Uhr)Es war entlarvend, was der israelische Außenminister da in der UNO von sich gegeben hat. Seine Regierung fühlt sich als einzige in der Welt berufen zu definieren, was Recht und was Unrecht ist. Die Meinung des UNO-Generalsekretärs sei etwas, worauf man pfeifen könne, auch wenn sie die Sichtweise der überwiegenden Mehrheit der Regierungen der Welt wiedergibt. Alle Resolutionen des UN-Sicherheitsrates seit 1948 sind offenbar nach Meinung der heutigen israelischen Politik von totalem Unverständnis der realen Lage in der Region geprägt. Auch die, in denen die Zweistaatenlösung gefordert wurde und denen sogar die Gönner Israels ihre Zustimmung nicht verweigern konnten. »Hochmut kommt vor dem Fall«, formuliert der deutsche Volksmund seit Jahrhunderten. Ein israelischer Außenminister sollte diese Weisheit berücksichtigen, wenn er die UN und ihre Repräsentanten beschimpft.
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