Teslas Expansionsdrang
Von Oliver Rast
Das Firmencredo ist bekannt, sattsam: Ausbau, Ausbau, Ausbau. Der Fabrik, der Produktion, der Arbeitsstellen. Seit rund anderthalb Jahren werkelt der US-Autobauer Tesla im ostbrandenburgischen Grünheide an seinen Elektromodellen; teils inmitten eines Trinkwasserschutzgebiets. Am Montag vormittag nun stand der Erörterungstermin zur Erweiterung des Tesla-Werkes in Grünheide in der Stadthalle Erkner auf dem Programm.
Die Genehmigungsbehörde Landesamt für Umwelt (LfU) hatte entschieden, aufgrund von mehr als 1.000 Einwendungen gegen neue Produktionseinheiten sowie zum Ausbau der Batteriespeicherproduktionskapazität den Termin anzusetzen. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung dazu war vom 19. Juli bis 18. September möglich.
Der Termin war keine Zugnummer zum Auftakt der Herbstferien. Nur rund 60 Interessierte versammelten sich nach jW-Informationen in der Halle der Stadt im Landkreis Oder-Spree. Einige Kritiker verließen die Veranstaltung frühzeitig – unter Protest. Kritiker kamen sich vor wie Statisten einer Inszenierung. »Es ist frustrierend, die ziehen das durch, wollen den Ausbau durchdrücken, gegen alle Einwände«, empörte sich Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative (BI) Grünheide am Montag im jW-Gespräch. Damit werde die »Gigafactory« von Firmenboss Elon Musk noch »überdimensionaler«. Und die Risiken steigen weiter.
Von Beginn an hatte es Streit um die Tesla-Anlage gegeben. Einige der Gründe: Havarien, Arbeitsunfälle und Wasserknappheit. Berechtigte Befürchtungen. Allein seit Werkseröffnung kam es zu 26 Umweltzwischenfällen, berichtete Spiegel am Sonntag. Ferner gab es Feuer auf dem Betriebsgelände, unter anderem durch einen Batteriebrand, Löschwasser versickerte im Boden. Dazu sollen rund 15.000 Liter Lack ausgelaufen sein, 13 Tonnen Aluminium sowie mehrere Hundert Liter Diesel versickerten wohl ins Erdreich.
Die Brandenburger Grüne Liga kündigte bereits am Sonntag abend an, der Anhörung fernzubleiben. Der Umweltverband rügte in einem jW vorliegenden Schreiben an das LfU, »dass wesentliche Inhalte der öffentlich ausgelegten Antragsunterlagen geschwärzt (…) sind«. Zudem seien aktuell sechs Versionen des Antrags im Umlauf. Die Grüne Liga beantragte den sofortigen Abbruch des Erörterungstermins. Deren Landesgeschäftsführer, Michael Ganschow, monierte am Montag gegenüber dieser Zeitung vor allem folgendes: »800 von mehr als 1.000 Seiten des Sicherheitsberichts fehlen.« Relevant deshalb, da die Produktion der Gigafactory nach einem etwaigen Ausbau in eine höhere Schadstoffklasse eingestuft werden müsste. Der Bericht sei zudem unvollständig, weil nicht alle Anlagenarten benannt würden. »Kurzum, die Öffentlichkeitsbeteiligung samt Erörterung ist eine Farce.« Das sieht Thomas Löb von der Umweltpartei ÖDP ähnlich. Zumal mehr als 500 weitere Einwendungen der BI durch die Großgemeinde Grünheide nicht korrekt an das LfU weitergereicht worden seien.
Thomas Frey kann die Aufregung nicht verstehen. Der Pressesprecher des LfU räumte aber am Montag auf jW-Anfrage ein: »Ja, einige Unterlagen wurden während der Auslegungszeit und Einwendungsfrist ergänzt und präzisiert.« Dies lasse das Bundesimmissionsschutzgesetz ausdrücklich zu und sei kein Verfahrensmangel. Wolfgang Roick, Sprecher für Umweltpolitik der SPD-Landtagsfraktion in Potsdam, ergänzte gleichentags gegenüber jW: Es gebe bestimmte Bereiche, die in solchen Unterlagen zu schwärzen seien, etwa bei Betriebsgeheimnissen. »Sollten darüber hinaus Passagen geschwärzt worden sein, wo dies unberechtigt ist, werden wir das im Umweltausschuss des Landtages ansprechen«, versicherte Roick. Und nicht zuletzt bemerkte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Isabell Hiekel, dass das Areal, auf dem Tesla herstellt und baut, »schon 2008 von der Kommune als Industriegebiet ausgewiesen worden war«.
Das überzeugt Ganschow nicht. Er verlangt die kompletten Tesla-Antragsunterlagen »in Form von lesbaren texterkannten Dokumenten«, was bislang nicht der Fall sei. Das heißt für den Erörterungstermin? Ganschow: »Eine Wiederholung nach Neuauslage.«
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