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Aus: Ausgabe vom 18.10.2023, Seite 8 / Abgeschrieben

Haaretz: »Deutschland hat Verantwortung schon lange vernachlässigt«

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Mangelware: Abgefülltes Wasser im südlichen Gazastreifen (11.10.2023)

Die 1956 in Jerusalem geborene Journalistin Amira Hass wandte sich am Montag in der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz in einem Beitrag unter dem Titel »Deutschland, du hast deine Verantwortung schon lange vernachlässigt« an Bundeskanzler Olaf Scholz:

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am vergangenen Donnerstag, dass »das Leid und die Not der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nur noch zunehmen werden. Dafür ist auch die Hamas verantwortlich.« (…) Sie sagten auch: »Unsere eigene Geschichte, unsere Verantwortung, die aus dem Holocaust erwächst, macht es zu einer immerwährenden Aufgabe für uns, für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel einzutreten.« Aber, Herr Scholz, zwischen diesem Satz und dem oben zitierten gibt es einen Widerspruch. »Das Leiden … wird nur zunehmen« ist ein Blankoscheck für ein verwundetes, verletztes Israel, um hemmungslos zu pulverisieren, zu zerstören und zu töten, und riskiert, uns alle in einen regionalen Krieg, wenn nicht sogar in einen dritten Weltkrieg zu verwickeln, der auch Israels Sicherheit und Existenz gefährden würde. Aber »Verantwortung aus dem Holocaust« bedeutet, alles zu tun, um einen Krieg zu verhindern, der zu Katastrophen führt, die wiederum zu Kriegen führen, die das Leid in einem endlosen Kreislauf vergrößern.

Ich habe dies von meinem Vater gelernt, einem Überlebenden der deutschen Viehwaggons. Schon 1992 sagte er mir jedes Mal, wenn ich aus dem Gazastreifen mit Berichten über die Unterdrückung der Bewohner durch Israel zurückkam: »Es ist zwar kein Völkermord, wie wir ihn erlebt haben, aber für uns war er nach fünf oder sechs Jahren beendet. Für die Palästinenser geht das Leiden weiter und weiter, seit Jahrzehnten.« Es ist eine andauernde Nakba.

Ihr Deutschen habt eure Verantwortung, die »aus dem Holocaust« – also aus der Ermordung u. a. der Familien meiner Eltern und dem Leid der Überlebenden – erwächst, längst verraten. Ihr habt sie verraten durch eure vorbehaltlose Unterstützung eines Israels, das besetzt, kolonisiert, den Menschen das Wasser wegnimmt, Land stiehlt, zwei Millionen Menschen im Gazastreifen in einem überfüllten Käfig gefangenhält, Häuser abreißt, ganze Gemeinden aus ihren Häusern vertreibt und die Gewalt der Siedler fördert. (…)

Nein, diese Kolumne ist keine Rechtfertigung für die Mordorgie und den Sadismus, den die bewaffneten Männer der Hamas verübt haben. (…) Vielmehr ist es ein Aufruf an Sie, die gegenwärtige Kampagne des Todes und der Zerstörung zu stoppen, bevor sie eine weitere Katastrophe über Millionen von Israelis, Palästinensern, Libanesen und vielleicht sogar Bewohnern anderer Länder in der Region bringt.

Die Wohlfahrtsverbände Arbeiterwohlfahrt (AWO), Diakonie Deutschland und der Paritätische warnten am Dienstag angesichts der Kürzungspläne im Bundeshaushalt vor einem Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur:

(…) Laut Umfrage mussten bundesweit bereits 40 Prozent der befragten Organisationen und Einrichtungen Angebote und Leistungen für Klient*innen aus finanziellen Gründen einschränken oder ganz einstellen. 65 Prozent der Befragten gehen davon aus, kurzfristig Angebote und Leistungen weiter reduzieren zu müssen. 59 Prozent aller Befragten rechnen zudem in den kommenden Monaten mit (weiteren) Einschnitten auf der Einnahmeseite. Im Ergebnis bedeutet das sowohl quantitative als auch qualitative Einschränkungen zu Lasten der sozialen Infrastruktur. (…)

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