Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 09.10.2023, Seite 1 / Titel
Israel-Palästina

Neuer Krieg in Nahost

Netanjahu will »Rache und »Vernichtung« nach Hamas-Angriff auf Israel. Hunderte Tote und Tausende Verletzte auf beiden Seiten
Von Knut Mellenthin
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Zerstörung aller größeren Wohngebiete im Gazastreifen geplant: Israelischer Luftangriff in Gaza-Stadt (7. Oktober)

Nach bisher beispiellosen militärischen Aktionen der Hamas auf israelischem Gebiet hat Benjamin Netanjahu die Bevölkerung des Gaza-Gebiets aufgefordert, ihre Heimat zu verlassen. Israel plane eine umfassende »Rache«, zu der nicht nur die »Vernichtung« der Hamas, sondern auch die vollständige Zerstörung aller größeren Wohngebiete im Gazastreifen gehören werde. Dieser Krieg werde Zeit erfordern und hart sein, sagte Netanjahu am Samstagabend in einer Fernsehansprache. Sehr schwere Tage stünden bevor. Aber er könne dafür garantieren, dass Israel schließlich siegen werde.

Wohin die 2,4 Millionen Bewohner des Gebiets, das zu den am dichtesten bewohnten der Welt gehört, fliehen sollen, und ob Israel ihre Rückkehr später gewaltsam verhindern will, ließ Netanjahu offen. Er sprach auch nicht über die Wahrscheinlichkeit, dass Israel im Verlauf dieses erst ganz am Anfang stehenden Krieges auch die seit 1967 besetzte Westbank entvölkern könnte. Dort leben gegenwärtig neben fast 500.000 jüdischen Siedlern, deren Verbleib gesichert ist, auch 2,5 Millionen Palästinenser.

Die islamisch-fundamentalistische Hamas regiert den Gazastreifen seit Juni 2007, nachdem sie im Januar 2006 bei Wahlen in den besetzten Gebieten eine absolute Mehrheit erreicht hatte. Seither haben zwischen Israel und der Bevölkerung des Gebiets, das kaum halb so groß ist wie der Stadtstaat Hamburg, mehrere vergleichsweise kurze Kriege stattgefunden.

Am frühen Sonnabend hatten die militärischen Einheiten der Hamas zahlreiche Kibbuzim und kleine Ortschaften im Grenzgebiet angegriffen. Auch ein israelischer Militärstützpunkt wurde vorübergehend überrannt. Hunderte von Israelis, mehrheitlich vermutlich Zivilisten, aber auch eine nicht geringe Zahl von Soldaten wurden in den Gazastreifen abtransportiert. Gleichzeitig schoss die Hamas schon am ersten Tag nach eigenen Angaben 5.000 Raketen ab. Israelische Verlautbarungen setzten die Zahl etwas geringer an.

Am Sonntag nachmittag gaben israelische Regierungsstellen die Zahl der getöteten Staatsbürger mit mehr als 500 an. Mehr als 2.000 Israelis befanden sich zu dieser Zeit in Krankenhausbehandlung, von denen 330 als schwerverletzt bezeichnet wurden. Während israelische und westliche Medien die Offensive der Hamas als einen Krieg gegen Zivilisten darstellen, wurden tatsächlich auch »Dutzende« israelische Soldaten während der Kämpfe getötet und eine noch größere Zahl verletzt, etliche von ihnen gefangengenommen.

Kurz nach Beginn der Kriegshandlungen begann die israelische Luftwaffe mit Angriffen auf angebliche »Hamas-Ziele« im Gazastreifen, bei denen unter anderem komplette Hochhäuser zum Einsturz gebracht wurden. Palästinensische Stellen meldeten bereits am frühen Sonntag vormittag 313 Tote und mehr als 2.000 Verletzte.

Vertreter von Netanjahus Likud und der Oppositionsparteien verhandelten am Sonntag intensiv über die Bildung einer Notstandsregierung. Grundsätzlich erklärten sich beide Seiten dazu bereit. Vor dem Hintergrund der scharfen innenpolitischen Auseinandersetzungen um die geplante »Justizreform«» legt die Opposition aber Wert darauf, dass der Aufgabenbereich einer solchen Regierung auf die Kriegführung und damit verbundene »Sicherheitsthemen« beschränkt bleiben müsse. Die derzeit stärkste Oppositionspartei, die liberale Jesch Atid, fordert darüber hinaus den Ausschluss der extrem Rechten aus der Regierung.

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  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus 12105 Berlin (9. Oktober 2023 um 15:14 Uhr)
    Es gibt nur eine gemeinsame und gleichberechtigte Zukunft für Palästinenser und Israelis. Knut Mellentin schreibt: »Wohin die 2,4 Millionen Bewohner des Gebiets, das zu den am dichtesten bewohnten der Welt gehört, fliehen sollen« und »auch die seit 1967 besetzte Westbank entvölkern könnte. Dort leben gegenwärtig neben fast 500.000 jüdischen Siedlern, deren Verbleib gesichert ist, auch 2,5 Millionen Palästinenser.« – Der Autor sollte sich auch einmal überlegen, wie könnte man die absolutistischen Golfmonarchien in die Pflicht nehmen? Immerhin verfügt das saudische Königshaus über ein Vermögen von mehr als 1.000 Milliarden Euro. Zudem verfügt der Familienclan der Katarer über mehr als 335 Milliarden Euro. Zusätzlich, mit dem Vermögen der feudalislamischen Fürsten von Bahrain, der Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwaits, könnte man nicht nur die 5 Millionen Palästinenser des Gaza-Gebiets und der Westbank aus der sozialen Armut befreien. Das den arabischen Völkern geraubte Vermögen der feudal-religiösen Fürsten würde ausreichen, um die gesamte arabisch-islamische Welt einen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Anschluss an die vergleichsweise aufgeklärte, westliche und fernöstliche Gesellschaft zu ermöglichen.
    Es gibt nur eine gemeinsame und gleichberechtigte Zukunft für Palästinenser und Israelis. Allerdings würden die feudalreligiösen Familienclans und fürstlichen Herrscher, ihre Potentaten und Eliten, niemals freiwillig auf einen größeren Anteil ihres gewaltigen Raubvermögens verzichten; ebenso wenig, wie sie auch nicht dazu bereit wären, Flüchtlinge und Migranten aus den Ländern und Armutsregionen der islamischen Welt aufzunehmen. Es ist wohl kaum zu erwarten, dass die feudal-religiösen und sozialpolitischen Glaubensgemeinschaften, wie die Hamas und Hisbollah, einen sozialpolitischen Befreiungskampf gegen ihre Milliarden schweren Finanziers richten werden; nicht gegen die Oligarchen der Golfmonarchien und ebenso wenig gegen die Milliarden schweren feudal-religiösen Familienclans der Mullahs im Iran. Beides wäre aber eine wesentliche Voraussetzung für die Überwindung des feudal-religiösen Aberglaubens und für die einzige zukünftige Alternative: eines gemeinsamen und gleichberechtigten, einheitlichen palästinensisch-israelischen Staates im Nahen Osten.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Thomas K. aus Neuss (9. Oktober 2023 um 14:16 Uhr)
    Sterben für die Nation: Unbändiger palästinensischer Staatsgründungs- trifft auf israelischen Staatsbehauptungswillen. Der Ausgang dieses Kräftemessens ist gewiss. Der israelische Staat setzt mit Zustimmung des »freien« Westens ein Zeichen seiner Vorherrschaft im Nahen Osten, während die voraussichtliche Niederlage der Palästinenser zeigt, dass letztlich nur die Gewalt über die Existenz oder Nichtexistenz von Staaten entscheidet. Von diesem Kräftemessen sind die Menschen in den betroffenen Staaten nicht nur die Leidtragenden. Sie lassen sich von ihren jeweiligen Herrschaften aufhetzen, die Staatszwecke als ihre eigenen anzuerkennen. Und das ist weder in Friedens- noch in Kriegszeiten angeraten. Während sie in »normalen« Zeiten als Lohnarbeiter und Steuerzahler die Taschen der Kapitalisten und des Staates füllen, dürfen sie im Krieg ihr Leben für die Sache der Nation riskieren. Übrigens, im Ukraine-Krieg geht es um nichts anderes. Nur sind die Rollen vertauscht. Da hat mit der Ukraine ein aufstrebender Staat die Sympathie der »freien« Welt hinter sich, während Russland um seine Existenz als Weltmacht fürchten muss. Thomas
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (9. Oktober 2023 um 13:50 Uhr)
    Der berechtigte Hass der Palästinenser richtete sich leider nicht nur gegen Israel bzw. deren Unterdrückungsorgane Armee, Polizei usw., sondern führte auch zur vorsätzlichen Tötung (Ermordung) von vielen Zivilisten. So wird der berechtigte militärische Kampf der Palästinenser von diesen Bildern überlagert bzw. verdrängt – besser geht es gar nicht für die Kriegsverbrecher und Besatzer in Tel Aviv! Wer so einen Angriff plant, hätte das wissen müssen – so war es gewollt und damit ist die Hamas nicht besser als ihr Gegenüber.
  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (9. Oktober 2023 um 11:02 Uhr)
    Im Prinzip begann der gegenwärtige Waffengang so, wie auch schon die früheren. Nur diesmal mit viel mehr Gewalt. Deshalb kann man sich an den Fingern abzählen, wie es weitergehen wird. Die Siegesfreude der Palästinenserorganisationen und ihrer Verbündeten kommt jedenfalls zu früh, ähnlich wie zu Jom Kippur 1973. Vermutlich wird Israel die Hamas-Kämpfer schließlich zurückschlagen und dies als Sieg feiern. Bestenfalls wird dann für eine gewisse Zeit ein Waffenstillstand folgen. Weil aber beide Seiten auf »Sieg« setzen und nicht auf »Frieden«, wird es früher oder später in die nächste Runde gehen. – Die Antwort auf die Schuldfrage wird auch dann sein: »Wir haben nur auf die Angriffe der Gegenseite reagiert!« Genauso gut könnte man fragen, was denn eher da war, das Huhn oder das Ei!
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Oktober 2023 um 22:04 Uhr)
    Der Eröffnungsschlag der Hamas ergriff Israel, seine Armee und seine Geheimdienste unvorbereitet getroffen. Der Blutpreis ist erschreckend hoch, die Wirkung auf sein Image ist dramatisch. Das ist die größte Demütigung, die Israel seit dem Krieg von 1973 durch seine Feinde erfahren hat, möglicherweise sogar die größte. Die massive Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts sendet mehrere Botschaften gleichzeitig. Zunächst ist festzustellen, dass ein Hamas-Angriff dieser Größenordnung erst nach monatelanger Planung möglich gewesen wäre. Könnte es sich jedoch auch um einen strategischen Schachzug der Hamas handeln, der darauf abzielt, der arabischen Welt zu signalisieren: »Wir allein entscheiden über Palästina«? Das ist auch eine Möglichkeit. Obwohl die Palästinensische Autonomiebehörde die legitime Vertretung des palästinensischen Volkes ist, war der Einfluss der Palästinensischen Autonomiebehörde im Vergleich zu dem der Hamas immer begrenzt. Es ist traurige Realität, dass in den gescheiterten Staaten dieses Teils der Welt illegitime, bewaffnete Gruppen wie die Hamas und die Hisbollah im Libanon immer die Oberhand haben werden. Unterdessen hat die Palästinensische Autonomiebehörde keine andere Wahl, als die Hamas zu unterstützen, um weitere interne Spannungen innerhalb der Palästinenser zu vermeiden. Infolgedessen wird sie weltweit nur als noch schwächer wahrgenommen. Die Hamas hat diesmal den Rubikon überschritten, und Israel hat bereits signalisiert, dass die Handschuhe ausgezogen sind. Die Hamas muss sich auf die bevorstehenden harten Zeiten vorbereiten, und leider wird am Ende der durchschnittliche Palästinenser den Preis dafür zahlen. Meiner Meinung nach wäre es die höchste Zeit, dass der UN-Sicherheitsrat handelt, um die Rechte der Palästinenser gemäß der Vereinbarung von 1947 durchzusetzen und für Frieden zu sorgen!
    • Leserbrief von Rainer Kral aus Potsdam (9. Oktober 2023 um 15:23 Uhr)
      Ich stimme Ihnen nur zum Teil zu. Sind die Hamas und die Hisbollah wirklich illegitim? Warum, weil sie hierzulande als Terrororganisationen verschrien sind? Gewalt erzeugt Gegengewalt und die Gewalt geht in erster Linie nicht von der arabischen Bevölkerung aus, die sich ihre Organisationen, zur Selbstverteidigung geschaffen hat.
  • Leserbrief von Rainer Kral aus Potsdam (8. Oktober 2023 um 21:43 Uhr)
    Die Reaktionen der deutschen Regierung auf den Nahostkonflikt sind stereotyp. Vorbehaltlos stellt man sich auf die Seite Israels, wohl wissend, dass sich dieser Staat seit seines Bestehens zahlloser Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung und deren Territorium schuldig gemacht hat. Wie im Falle des Ukraine-Konflikts ist man unwillig, Ursache und Wirkung des Konfliktes zur Kenntnis zu nehmen. Völkerrechtlich gesehen hat das palästinensische Volk das Recht auf Selbstverteidigung gegen die Unterdrückung, die Diskriminierung und die Weigerung Israels, endlich der Zweistaatenlösung eine Chance einzuräumen. Die Gewalt geht seit Jahrzehnten von Israel aus, das sich auf die politische und militärische Unterstützung des US-Imperialismus stützen kann.

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