Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Gegründet 1947 Donnerstag, 7. Dezember 2023, Nr. 285
Die junge Welt wird von 2753 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Aus: Ausgabe vom 28.09.2023, Seite 1 / Titel
»Fortschrittskoalition«

Heucheln und spalten

Kinder Asylsuchender von Kindergrundsicherung ausgenommen. Ampel lenkt Debatte um wirksame Bekämpfung von Armut um. Verbände protestieren
Von David Maiwald
1.jpg
Wer erhält weniger? Die Kindergrundsicherung dürfte Ungleichheit und Spaltung noch verstärken

Armut und Ungleichheit werden befördert, nicht bekämpft. Dies wird an immer mehr Details des am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligten Entwurfs zur Kindergrundsicherung klar. Davon lenkt die Ampelkoalition mit der Debatte ab, wann es denn nun endlich losgeht mit ihrem »zentralen sozialpolitischen Projekt«. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte am Mittwoch, sie könne »kaum fassen«, wie wenig »von der ursprünglichen Idee der Kindergrundsicherung übriggeblieben« sei, auch AWO-Kopräsident Michael Groß erklärte, er sei »fassungslos«. Es ging womöglich all jenen so, die tatsächlich dachten, der Bundesregierung sei Armutsbekämpfung ein Anliegen, nicht Armenbekämpfung.

Welchen Widerstand aber hat eine SPD-geführte Regierung von SPD-­geführten Gewerkschaften und SPD-geführten Sozialverbänden zu erwarten? Die konzertierte Aktion aus dem Jahr 2022 und der Verdi-Kongress von vergangener Woche sind eindrückliche Beispiele, dass einer Massenmobilisierung der Schulterschluss vorgezogen wird. Wie bei der Mogelpackung eines kürzlich vorgestellten SPD-»Mietenstopps« zeigt sich auch bei der Kindergrundsicherung, dass in der Ampelregierung trotz sozial anmutender Etikettierung kein Interesse besteht, Ungleichheit zu beseitigen.

Kein Wort mehr darüber, dass der ursprünglich von Familienministerin Elisabeth Paus (Grüne) angesetzte Betrag von zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung gerade einmal die Hälfte dessen ist, was zum Erreichen des vorgeblichen Ziels nötig wäre – und sich die Koalition nun auf ein Zehntel davon einigt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) machte zu Beginn der Debatte mehrfach Zuwanderung für Kinderarmut in der BRD verantwortlich: Das passt perfekt in die aktuell unter »Migrationsdebatte« laufende Hetze von Regierung und zwei Oppositionsfraktionen. Und es erscheint rückblickend wie ein erstes Zuckerstück für Leute, die auch für vor Kriegen des Westens geflüchtete Menschen nur »Deutschland den Deutschen« übrig haben. Armut lässt sich von diesem Standpunkt aus einfach abschieben.

Passend dazu sieht der nun gebilligte Entwurf vor, Kinder von Asylsuchenden von der Kindergrundsicherung auszuschließen. Zudem soll ihnen der Sofortzuschlag von monatlich 20 Euro – laut Finanzministerium »unkluge Fehlanreize im Asylrecht« – gestrichen werden. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme wenig glaubhaft, die Regierung habe »die Chance verpasst, das Existenzminimum von Kindern neu zu berechnen«, wie VdK-Präsidentin Bentele am Mittwoch erklärte. Wie beim Bürgergeld schert sich die Ampelkoalition nicht um das für ein würdiges Leben in dieser Gesellschaft Notwendige: Nach jahrelangem Reallohnverlust sieht der kommende Haushalt nur Kürzungen im Sozialen und Hochrüstung vor.

Mehr als 20 Verbände und Organisationen erinnerten die Bundesregierung am Mittwoch in einer gemeinsamen Mitteilung an die UN-Kinderrechtskonvention: Diese verbiete »eine Diskriminierung von Kindern aufgrund von Herkunft und Aufenthaltsstatus«. Zur anstehenden Bundestagsdebatte seien alle Abgeordneten »dringend« aufgefordert, »Verbesserungen in dem Gesetzesentwurf« anzugehen, um allen Kindern und Jugendlichen in der BRD »eine (…) auskömmliche Kindergrundsicherung bereitzustellen«. Doch dieser Aufruf erscheint angesichts des auch gegen Arme gerichteten Kriegskurses der Regierung wie ein frommer Blütentraum in der »Zeitenwende«.

Immer noch kein Abo?

Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (27. September 2023 um 21:25 Uhr)
    Schon schräg: Es gibt Menschen, die meinen, dass das eine Kind Geld bekommt, das andere aber nicht? Das ist doch bärbockig hoch drei! Sind wir in den USA? Kein Kindergeld für Kinder? Na ja: Das ist SPD heute. Von den Grünen hätten wir ja vorher/früher/ehemalig auch nicht gedacht, wohin die schwerst gestörte Reise geht. Waren Sie mal bei den Grünen? Behalten Sie es für sich, bitte!

Ähnliche:

  • Warten auf Godot: Asylsuchende bei Ankuft in BRD (Hannover, 22.4...
    25.09.2023

    Scholz hetzt mit

    Bundeskanzler steigt in Debatte über steigende Zahlen von Asylanträgen ein. CDU fordert parteiübergreifenden Schulterschluss
  • Dringender Handlungsbedarf: Inzwischen ist jedes vierte Kind in ...
    15.08.2023

    Ampel lässt Kinder im Stich

    Regierungsparteien streiten weiter über geplante Kindergrundsicherung. Sozialverband fordert 24 Milliarden Euro
  • Glaube kann Berge versetzen: Andrea Nahles (SPD) wäscht ihre Hän...
    20.06.2017

    Hartz IV statt Hoffnung

    Verbände und Gewerkschaften kritisieren Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung. Zuständige Ministerin fehlt