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Aus: Ausgabe vom 27.09.2023, Seite 11 / Feuilleton
»Jung & Naiv«

Das gute Gespräch in großer Zeit

Der Politikwissenschaftler Michael Lüders bei Tilo Jungs Youtube-Talk-Show »Jung & Naiv«
Von Norman Philippen
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Noch nicht genervt: Michael Lüders (l.) und Tilo Jung unterhalten sich

Vielleicht hätte anstatt Tilo Jung besser wieder dessen Kollege Hans Jessen bei »Jung & Naiv« nicht nur die Zuschauerfragen, sondern das ganze Interview übernommen. Jessen sprach in Folge 630 im März vier Stunden lang mit dem Journalisten Andreas Zumach so sachlich über die Hintergründe des Ukraine-Kriegs und wertewestliche Doppelmoralitäten, dass es ein gutes Gespräch wurde. Die Folge 660 mit Michael Lüders als Gast geriet am 19. September dagegen ganz grässlich.

Kaum fünf Minuten im Gespräch hatte der just erblondete Jung seinen Gast Lüders, der auch Romane schreibt, bereits als Autor von fiktionalen Texten vorgestellt und ihn gefragt, ob er wirklich »mit beiden Beinen in der Realität« stehe. Als Lüders antwortete, das täte er wohl, wurde ihm entgegnet, dass dies »auch selektive Wahrnehmung sein« könne, um die Frage »Welche Fehler ärgern dich am meisten aus den letzten fünf Jahren?« folgen zu lassen.

Fröhlich versuchte Jung die Expertise des als Nahostexperten geltenden Lüders (»Du bist doch Orientalist, solltest du da nicht mehr rumreisen?«) zu untergraben und diskreditierte dessen Einschätzung zur deutschen Sanktionspolitik mit dem Einwand »zu sagen, die Sanktionen bringen nichts, das ist ja so Wagenknecht/AfD-Bullshit« . Die schon vergangenen Winter leicht zugängliche Information, dass Deutschland weiterhin russisches LNG bezieht, quittierte der mittelalte Jung naiv ahnungslos mit »Wir importieren russisches Erdgas? War mir neu...«. Was wohl auch auch für Nachrichten der »Tagessschau« gilt wie jener vom 30.8., dass die EU 2023 sogar mehr Flüssigerdgas aus Russland importiert als vor Kriegsbeginn.

Nach 50 Minuten wird der sichtlich genervte Lüders dazu genötigt, sich »zum dritten, aber definitiv letzten Mal« zu den Sanktionen zu erklären. Jungs Frage, warum Lüders in Sachen Nord Stream II »der Seymour-Hersh-Postille« anhänge, sorgt im Studio kaum für dünnere Luft und besseren Klang. Doch auch wenn es Lüders nach 65 Minuten schon »ein bisschen zu blöd« wurde, 75 weitere musste er den »diskursfeindliche(n) Frage(n)« Jungs und dessen »Bullshit« noch antworten, was längst mit Einleitungen wie »Also pass mal auf, Meister ...« oder »Nein, ich rede jetzt!« geschah.

So kam es noch zu dollen Dialoge wie folgendem:

Lüders: Fällt dir denn nicht auf, dass du in einer kruden Mischung aus Halbwissen und Unterstellung Dinge zusammenführst, die nicht zusammenzuführen sind?

Jung: Wenn du als prominenter politischer Kopf in diesem Land sagst, wir zerstören unsere Wirtschaft, und die Deindustrialisierung schreitet voran: ist schon krass.

Lüders: Ja, aber bin ich dafür verantwortlich, dass es so krass zugeht in diesem Land?

Jung: Verdienst du eigentlich noch Geld mit der Beratung von Wirtschaftsunternehmen?

Lüders: … Was redest du für einen Blödsinn? ...

Gesprächskultur in großer Zeit.

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