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Aus: Ausgabe vom 27.09.2023, Seite 8 / Inland
Immobilienspekulation

»Das führt zu steigenden Mieten und Vertreibung«

Über die Spekulation mit Grundstücken und Gebäuden in der Hamburger City. Ein Gespräch mit Heike Sudmann
Interview: Kristian Stemmler
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Seit fast 200 Jahren am Jungfernstieg: »Roth’s alte englische Apotheke« (Hamburg, 22.1.2021)

Hamburger Medien berichteten vor kurzem, der österreichische Milliardär René Benko habe erneut ein Grundstück in der City gekauft, mit einem historischen Gebäude darauf. Was hat es damit auf sich?

Dieses Mal hat Benko mit einer seiner Unterfirmen ein Grundstück und Gebäude am Jungfernstieg, der Einkaufs- und Flaniermeile Hamburgs, gekauft. Allen Mieterinnen und Mietern wurde schriftlich gekündigt. Unter ihnen auch die 1786 gegründete »Roth’s alte englische Apotheke«. Seit über 100 Jahren befindet sie sich an diesem Standort, ihre original erhaltene Inneneinrichtung steht unter Denkmalschutz.

Welche Immobilien gehören Benko in Hamburg bereits?

Da es in diesem Land kein öffentlich zugängliches Immobilienregister gibt, kann ich auch nur das wiedergeben, was so bekannt ist: das Alsterhaus, ein Teil der Alsterarkaden, die ehemalige Landesbankzentrale am Gerhard-Hauptmann-Platz, das daneben liegende Karstadt-Gebäude, die Flügger-Höfe am Rödingsmarkt, die Gänsemarktpassage – all diese Immobilien in bester Innenstadtlage gehören Benko. Und nicht zu vergessen, das ehemalige städtische Grundstück an der Elbe, wo jetzt der Elbtower gebaut wird.

Auch in Berlin und anderen Städten kauft Benko mit seiner Signa-Holding Flächen in bester Lage. Was bezweckt er damit und warum ist das problematisch?

Natürlich will Benko damit vor allem Geld verdienen, die Immobilienpreise kannten in den Vorjahren ja nur eine Tendenz, nämlich die nach oben. Mit Filetgrundstücken und Gebäuden in einer Innenstadt kann Druck auf jede Stadtregierung ausgeübt werden, was deren Nutzung angeht. Leerstand an einer Flaniermeile macht sich schlecht für den Einzelhandel und für den so begehrten Tourismus. Je mehr Grundstücke Benko an sich reißt, desto größer wird die jeweilige »Benko-City« und sein Einfluss. Nach jüngsten Berichten braucht er dringend Geld und will auch in Hamburg einige Grundstücke verkaufen. Erfahrungen zeigen, dass in solchen Situationen gerne Mondpreise verlangt und auf dem Papier auch gezahlt werden. Spekulation at it’s best! Steigende Mieten und Vertreibung alteingesessener Läden werden die Folge sein.

Bei der Übernahme von Galeria Karstadt-Kaufhof, GKK, ging es ihm offenbar ja auch nicht darum, die Warenhäuser zu betreiben …

Wohl wahr, die Rettung der Filialen und vor allem der Arbeitsplätze waren jedenfalls nicht als oberstes Ziel wahrnehmbar. Die Coronahilfen hat Benko ja gerne für GKK in Anspruch genommen, einen echt schönen Beifang zu den Grundstücken würde ich das nennen. Dabei sind die Grundstücke doch das A und O für Immobilienhaie. Damit lässt sich schön spekulieren und noch mehr Geld verdienen.

Hamburg hat sich ausgerechnet Benko für das Projekt Elbtower ausgesucht. Was kritisieren Sie daran und an dem weiteren Vorgehen bei dem Projekt?

Benko ist schon seit Jahren als windiger Investor bekannt. Mit ein bisschen Recherche konnten das auch in Hamburg alle erkennen. Es bleibt für mich unfassbar, dass der Senat diesem Unternehmer das Grundstück für den Elbtower verkauft hat – all die Korruptionsvorwürfe und staatsanwaltlichen Ermittlungen hätten die Alarmglocken schrillen lassen müssen.

Welche Möglichkeiten hätte die Stadt, um Benko auszubremsen? Und was ließe sich auf Bundesebene bewegen?

Mit einem besonderen Vorkaufsrecht für die Hamburger Innenstadt sowie die Verweigerung jeglicher Extrabaurechte lassen sich Benko und Co. ausbremsen. Kein »Darf es noch etwas mehr Höhe oder Bruttogeschossfläche sein?« sondern knallharte und enge Auslegung des Baurechts. Weshalb kämpft der Senat nicht auf Bundesebene für ein öffentliches Immobilienregister sowie eine Spekulationsbremse mit Grundstückspreisdeckel? Das würde den Kampf gegen Spekulation erleichtern. Benko und Konsorten nutzen schon viel zu lange alle Möglichkeiten, die ihnen der Kapitalismus bietet. Beschäftigte und anständige Mieten spielen da keine Rolle.

Heike Sudmann ist stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft.

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