Gespaltene Front, historischer Rückzug
Von Jörg Tiedjen
Der nächste Krieg um den Norden Malis hat begonnen. Zugleich ist die Front gegen die Regierung in Bamako zerbrochen. Am Sonntag erklärte die »Bewegung für das Heil Azawads« (MSA) ihren Austritt aus dem von der Bevölkerungsgruppe der Tuareg dominierten Bündnis »Ständiger Strategischer Rahmen« (CSP), einem Dachverband verschiedener bewaffneter Gruppen, die 2015 mit Bamako Frieden geschlossen hatten. Denn am 10. September hatte der CMP bekanntgegeben, dass er sich erneut im Krieg mit den malischen Streitkräften befinde. Diese Entscheidung will die MSA jedoch nicht mittragen.
Zur Begründung für das Verlassen des nordmalischen Bündnisses verweist die MSA nach Angaben der Infoseite Malijet vom Dienstag darauf, dass der CSP nicht ihrem Hilferuf gefolgt sei, die Bevölkerung im Gebiet um die Städte Gao und Ménaka vor den regelmäßigen Angriffen des »Islamischen Staates« zu schützen, die seit dem vergangenen Jahr zugenommen haben. Angesichts der »Katastrophe, die die Bevölkerung durchlebt«, wolle die MSA nicht in einen weiteren Konflikt hineingezogen werden. Der Kampf gegen die Dschihadisten sei genug. Ausdrücklich beklagt die MSA die »Gleichgültigkeit« des CSP gegenüber den Leiden der Menschen.
Die malischen Streitkräfte mussten unterdessen einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen. Am Sonnabend verunglückte ein malisches Transportflugzeug des Typs »Iljuschin« Il-76 bei der Landung auf dem Flughafen in der Stadt Gao. Unter Berufung auf lokale Quellen berichteten mehrere Medien am Sonntag, dass die Maschine zahlreiche Söldner der russischen »Wagner«-Truppen an Bord gehabt habe. Eine offizielle Stellungnahme zu dem Unglück lag bis Dienstag (Redaktionsschluss) noch nicht vor. Die malische Regierung in Bamako kooperiert im Vorgehen gegen die Dschihadisten, aber auch die anderen bewaffneten Gruppen im Norden des Landes, mit den »Wagner«-Truppen.
Die deutsche Bundeswehr, die weiterhin als Teil der »Blauhelmtruppe« Minusma im nordmalischen Gao präsent ist, hatte in der vergangenen Woche bekanntgegeben, dass ihr Abzug, der gemäß UN-Mandat bis Ende des Jahres abgeschlossen sein muss, bisher nach Plan verläuft. Die schrittweise Evakuierung der UN-Verbände aus dem westafrikanischen Land hatte auch die jüngsten Kämpfe zwischen Regierungsarmee und CSP ausgelöst. Denn beide Seiten beanspruchen die nach und nach geräumten Stützpunkte der Minusma für sich. Frankreichs Armee hatte Mali schon im vergangenen Jahr verlassen.
Das Wiederaufflammen des Konflikts im Norden Malis fällt zeitlich mit den Auseinandersetzungen um den Putsch im benachbarten Niger zusammen. Am Wochenende hatte Frankreich klein beigegeben und angekündigt, dass es seinen Botschafter und seine Truppen aus dem Sahelstaat zurückziehen werde. Mit seinem »historischen Rückzug«, wie es in verschiedenen Medien genannt wird, erfüllt Paris entsprechende Forderungen Niameys. Zuvor hatte Frankreich den Standpunkt vertreten, dass die nach dem Umsturz im Juli in Niger eingesetzte Regierung nicht berechtigt sei, bilaterale Vereinbarungen aufzukündigen, da sie illegal ins Amt gekommen sei.
Eine von Verbänden der Regionalgemeinschaft ECOWAS geführte und von Frankreich unterstützte Militärintervention zur Wiedereinsetzung der im Juli gestürzten Regierung unter Präsident Mohammed Bazoum scheint also abgewendet. Um eine solche zurückzuschlagen, aber nicht zuletzt auch die mittlerweile fast im gesamten Sahel operierenden Dschihadisten zu bekämpfen, hatten Mali, Burkina Faso und Niger Mitte des Monats ein gemeinsames Verteidigungsbündnis geschlossen.
Die einflussreiche, in Paris ansässige Zeitschrift Jeune Afrique wurde unterdessen am Montag in Burkina Faso verboten. Grund war ein Onlineartikel vom gleichen Tag, in dem es hieß, dass der »Unmut in den burkinischen Kasernen« gegen die Regierung in Ouagadougou wachse. »Diese Behauptung wurde ohne den geringsten Beweis aufgestellt und hat keinen anderen Zweck, als die nationalen Streitkräfte und im weiteren Sinne alle kämpfenden Kräfte in einer inakzeptablen Weise zu diskreditieren«, heißt es in der offiziellen Begründung des Verbots.
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