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Aus: Ausgabe vom 27.09.2023, Seite 4 / Inland
Neonazis vor Gericht

Von wegen »Wirrköpfe«

Plädoyer der Anklage in Prozess gegen die faschistische »Gruppe S.« begonnen
Von Henning von Stoltzenberg
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Einige der Angeklagten in einem Saal im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim (13.4.2021)

Gemäß der faschistischen »Strategie der Spannung« wollten sie in der BRD einen rechten Umsturz herbeiführen: Seit zweieinhalb Jahren stehen die mutmaßlichen Mitglieder der »Gruppe S.« in Stuttgart bereits vor Gericht. Am Dienstag hat die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer gehalten. Demnach sieht die Behörde in den Angeklagten keine »Wirrköpfe«, sondern gewaltbereite »Extremisten«. Das geht aus den Ausführungen in der streng gesicherten Außenstelle des Oberlandesgerichts (OLG) in Stammheim hervor. In dem Marathonprozess werden in absehbarer Zeit die Urteile gesprochen.

Benannt ist die Gruppe nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., der aus dem Raum Augsburg stammt. Die hohe Zahl von einem Dutzend Angeklagten, strenge Sicherheitsvorkehrungen, etliche Beweisanträge und die Detailgenauigkeit der Kammer hatten das Verfahren ebenso in die Länge gezogen wie die Auswirkungen der Coronapandemie. Bereits nach Abschluss der Beweisaufnahme am vergangenen Freitag hatte der Generalbundesanwalt mit seinem Plädoyer begonnen.

Das Plädoyer der Anklage soll in der Sitzung am Donnerstag fortgesetzt werden. Dann wird wahrscheinlich auch das von der Bundesanwaltschaft geforderte Strafmaß bekanntgegeben. Den zwölf Angeklagten, elf mutmaßlichen Mitgliedern und einem möglichen Unterstützer der »Gruppe S.«, wird vorgeworfen, eine Terrorzelle gegründet zu haben. Ihr Ziel war demnach, mit Anschlägen gegen Moscheen und Politiker einen Bürgerkrieg in Deutschland zu provozieren.

Der Anklage zufolge rekrutierte sich die Gruppe aus »Bürgerwehren«, der sogenannten Reichsbürger- und Prepperszene, aus Vereinigungen mit Namen wie »Vikings Security Germania«, »Wodans Erben« oder »Freikorps Heimatschutz Division 2016 – Das Original«. Die Anschlagspläne sollen zum Ende hin sehr konkret geworden sein. Getroffen hatten sich die rechtsgesinnten Männer demnach im Februar 2020 im Wohnhaus des Angeklagten Thomas N. in Minden. Der Gastgeber des Treffens galt als treibende Kraft und gehört zu denen, die sich wegen der Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung verantworten müssen.

Einer ihrer Anwälte versuchte die Ernsthaftigkeit der Anschlagspläne ­herunterzuspielen, wohl um die Strafen zu drücken. Er bezeichnete die Angeklagten im Prozess als »Ansammlung Sprüche klopfender Wichtigtuer«. Waren zu Beginn des Prozesses noch elf Männer in U-Haft, so sind es mittlerweile laut OLG nur noch fünf. Dem Polizeiverwaltungsbeamten Thorsten W. wird lediglich Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. W. war einer der wenigen Angeklagten, die vor Gericht etwas zu den Vorwürfen sagten. Der Polizist aus Hamm behauptet, zufällig zum Treffen gekommen zu sein.

Nach alldem, was in zweieinhalb Jahren Prozess zusammenkam, dürfte die Anklage hohe Haftstrafen fordern. Die braune Truppe, die bis dahin vor allem über selbsthergestellte Waffen verfügte, soll vor ihrer Festnahme beabsichtigt haben, in Tschechien Pistolen und Gewehre zu kaufen. Das sei in Minden besprochen worden. Ein Teilnehmer soll zugesagt haben, durch Kontakte zur dortigen Szene die entsprechenden Waffen herbeischaffen zu können. Dieses Vorhaben hatte laut Schilderung der Behörden zum Großeinsatz und der Verhaftung geführt. Dazu kamen Hausdurchsuchungen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt.

Die Gruppe war laut Behörden bereits seit 2019 überwacht worden. Das Treffen und die Anschlagspläne flogen angeblich auf, weil ein 13. Teilnehmer, der dem harten Kern angehören haben soll, offenbar ein V-Mann der Ermittlungsbehörden war. Er hatte diese während des Gruppentreffens mit Informationen versorgt.

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