Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 27.09.2023, Seite 1 / Titel
Ukraine und Faschismus

Banderas weiße Weste

»Geschichtspolitischer Super-GAU«: Bundesregierung gibt sich mit Blick auf historischen ukrainischen Faschismus ahnungslos
Von Susann Witt-Stahl
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Gerngesehene Gäste im Auswärtigen Amt sind Mitglieder der neonazistischen »Asow«-Bewegung (Kiew, 2020)

Wo sich einst ein lückenhaftes kollektives Gedächtnis fand, tut sich bei der Bundesregierung ein dunkeldeutscher Abgrund auf. Ob es um ihre Haltung zur vom Nazismus durchwirkten Ideologie der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) oder um die Geschichtsklitterungen des Ukrainischen Instituts des nationalen Gedächtnisses der Kiewer Regierung geht: Sie hat eine Kleine Anfrage mit dem Titel »Rechtsextreme Ausprägungen der ukrainischen Geschichtspolitik« der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen und Fraktion Die Linke mit einem großen Nichts beantwortet.

Fast alle der insgesamt 25 Fragen, von denen sich einige auf jW-Recherchen stützen, werden vom Auswärtigen Amt mit der Floskel »Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen, über Medienberichte hinausgehenden Erkenntnisse vor« abgebügelt. Man mache sich die »rechtlichen Wertungen und Tatsachenbehauptungen« der Fragesteller, die sich vorwiegend auf die OUN und den Banderismus beziehen, »insbesondere hinsichtlich der pauschalen Einordnung bestimmter (historischer) Gruppierungen oder Personen als rechtsextrem, antisemitisch, antiziganistisch oder sonst rassistisch, ausdrücklich nicht zu eigen«, heißt es in der Vorbemerkung der Bundesregierung – eine Aussage, auf die sie in ihren weiteren (Nicht-)Antworten insgesamt siebenmal verweist.

Damit widerspricht die deutsche Regierung objektiv der weltweit anerkannten Historiographie des ukrainischen Faschismus und dessen Kollaboration mit Hitlerdeutschland. »Die OUN kämpfte nicht einfach nur für eine unabhängige Staatlichkeit. Sie kämpfte für das, was sie eine ›Ukraine für die Ukrainer‹ nannte, in der Juden und die meisten Polen und Russen eliminiert« würden, schreibt etwa der US-amerikanisch-kanadische Historiker John-Paul Himka, einer der renommiertesten Experten der Geschichte der OUN und ihrer Rolle in der Schoah und dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.

»Das faktische Bestreiten wissenschaftlicher Erkenntnisse der internationalen Holocaustforschung durch vorgebliches Nichtwissen« reihe sich ein in Vorfälle wie »die unsägliche Ehrung des SS-Manns Jaroslaw Hunka im Parlament des NATO-Mitglieds Kanada als ›ukrainischer Held‹«, kommentierte Sevim Dagdelen das Verhalten der Bundesregierung gegenüber junge Welt.

Die »Wiederschlechtmachung«, wie der Dichter Erich Fried die Restauration des deutschen Imperialismus in der postnazistischen BRD genannt hatte, erreicht mit der »Zeitenwende« offenbar einen neuen schaurigen Höhepunkt. »Es ist ein geschichtspolitischer Super-GAU, wie die Ampel hier den seit 1945 bestehenden Konsens aufbricht«, meint Dagdelen. Dass die deutsche Regierung nicht einmal der in der Anfrage der Linksfraktion enthaltenen Aussage zur fortschreitenden Rehabilitierung Stepan Banderas und anderer ukrainischer Faschisten – »eine positive Sichtweise auf historische Organisationen und Persönlichkeiten, die sich mitschuldig am Holocaust und an NS-Verbrechen gemacht haben, kann in keiner Weise hingenommen werden« – zugestimmt hat, untermauert diesen Vorwurf. Ebenso die unappetitliche Tatsache, dass Annalena Baerbocks Ministerium vor einigen Monaten Vertreter der in der Tradition der OUN stehenden »Asow«-Bewegung empfangen hat. Dagdelen warnt vor brandgefährlichen Folgen: »Wer wie das von den Grünen geführte Außenministerium die Nazikollaborateure der Ukraine aus bloßem antirussischen Reflex weißzuwaschen versucht, hat wirklich jeden politischen Kompass verloren und rollt den Rechtsextremisten den roten Teppich aus.«

jW-Konferenz »Der Bandera-Komplex: Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke«. Am 29. Oktober, ab 10.30 Uhr im Münzenbergsaal, ND-Haus, Berlin, ­jungewelt.de/bandera_komplex

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (27. September 2023 um 17:36 Uhr)
    Unsere neuen »Werte-Freunde«. Na dann: Auf Kameraden, der Sonne entgegen bis zum Ural! Im Gleichschritt, Marsch! Mit uns zieht die alte Zeit.
  • Leserbrief von Lisa Kerner aus Berlin (27. September 2023 um 12:01 Uhr)
    Eine faschistische Krähe hackt der anderen kein Auge aus! Und wenn man offiziell etwas Kritisches gegen den Bandera- und UPA-Verehrer Selenskij sagen würde, so wäre das doch Antisemitismus …
  • Leserbrief von Achim Lippmann aus Shenzhen (China) (27. September 2023 um 11:51 Uhr)
    Man darf nicht vergessen, ein Churchill sagte nach 1945, dass man das falsche Schwein geschlachtet hätte. Die USA, Kanada, Australien und auch Neuseeland (also fast alle der »Five Eyes4«) nahmen zu Zehntausenden die geschlagenen deutschen Nazis, aber auch deren Vasallen aus der Ukraine, den drei baltischen Republiken auf. Wir werden nie erfahren, wieviele — vermutlich Tausende — bei den «freiheitlichen» westlichen Geheimdiensten anheuerten.
    Kommunisten, die durch den Krieg auch in den USA, in Kanada und Australien stark wurden, wurden zum Abschuss freigegeben. Man drehte die Geschichte: Nicht das besiegte »Dritte Reich«, sondern der sowjetische Sieger wurde zum Teufel gemacht. Die USA besaßen eine beachtliche Gabe, sich die braunen Eliten in Deutschland, die Ex- oder Noch-Faschisten aus Italien und den Tenno (der Kriegsverbrechen begehen ließ) untertan zu machen!
    Trudeau — der offenbar etwas unterbelichtet ist — kannte dieses nicht sehr delikate Kapitel der Geschichte der »freien Welt« nach 1945 offenbar nicht.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Reinhard W. aus Hamburg (27. September 2023 um 10:20 Uhr)
    Eventuell könnte man diese Partei(en) mal als das bezeichnen, was sie sind? Widerliche Nazikollaborateure und Steigbügelhalter?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hermann T. aus 29451 Dannenberg/E. (26. September 2023 um 22:53 Uhr)
    … soviel also zum Schlagwort »rechtsoffen«! Damit dürfte dieser gegen A. Schwarzer, S. Wagenknecht und alle anderen Friedensaktivisten erfundene Kampfbegriff (vulgo: gegen die »Putin-Versteher«) hoffentlich ein für allemal verbrannt sein. Danke Susann, danke jW, danke v. a. Sevim für diese erhellenden Recherchen!
  • Leserbrief von Lothar Böling aus Düren (26. September 2023 um 22:52 Uhr)
    Nun, was hatte man erwartet? Deutschland ist nichts anderes als ein postfaschistischer Staat, dessen Geschichte nach 1945 von denen geprägt wurde, die schon von 1933 bis 1945 in Amt und Würden waren. Mittels Persilscheinen haben sie sich gegenseitig reingewaschen. 500.000 deutsche Faschisten wurden für ihre Naziverbrechen nie belangt. Im Gegenteil, sie wurden zu Mitläufern deklariert, deren Verbrechen nach wenigen Jahren verjährt waren. Dazu wurden eigens von früheren Nazirichtern Gesetzesänderungen geschaffen. So sieht sie aus, die deutsche Geschichtsaufarbeitung. Man stelle sich nur vor, Bundeskanzler Olaf Scholz hätte einen Neonazi im Parlament zum Helden ernannt, wie 2021 in der Ukraine geschehen. Denn am 01. Dezember 2021 in Kiew hat der ukrainische Präsident Selenskij den Titel »Held der Ukraine« an Dmitro Kozjubailo, Kommandeur der faschistischen Organisation »Rechter Sektor« verliehen. Etwas ähnlich Schmieriges wiederholte sich beim Besuch Selenskijs, am 22. September 2023 im kanadischen Parlament. Da war es der ukrainischer Kanadier Jaroslaw Hunka, ein ehemaliger Angehöriger der 14. Waffen-SS-Grenadier-Division, bzw. Galizische SS-Division Nr. 1, den man »einen ukrainischen Helden, einen kanadischen Helden«, nannte. Anthony Rota, der Sprecher des kanadischen Unterhauses, präsentierte den ehem. SS-Mann als Helden: »Er kämpfte im Zweiten Weltkrieg für die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen. Er ist ein ukrainischer Held, er ist ein kanadischer Held. Und wir danken ihm für seinen Dienst! Thank you!« Nun diese Sauerei dürfte der Bundesregierung kaum entgangen sein. Insbesondere schon deshalb nicht, weil sich die polnische Regierung hierdurch öffentlich diffamiert sah und den Rücktritt des kanadischen Parlamentspräsidenten forderte. Gehörte die Waffen-SS doch zu den Einheiten, die Kriegsverbrechen begangen und an der Ermordung Tausender polnischer Bürger und Juden mitgewirkt hat. Hier zeigt sich, in welchem Geiste NATO-Politiker noch heute unterwegs sind.
    • Leserbrief von Peter Peciak aus Lünen (28. September 2023 um 12:07 Uhr)
      Günther Verheugen nach Besuch in der Ukraine und Osteuropa: »Ukraine ist einziger Staat in Europa, wo Faschisten mitregieren.« In jeder Stadt steht ein Bandera-Denkmal und UPA-Nationalisten marschieren mit rot-schwarzen Fahnen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (27. September 2023 um 14:36 Uhr)
      Zu Weltbürgern erklärt. Wer verleiht diesen Unfug? Die NGO Atlantic Circle. Kurze Frage: Das ist seit 1961 eine NGO? Gab’s damals schon NGOs? Oder wer gründete diese NGO und bezahlt sie? Wer hat sie gegründet? Wer ist dabei? Wollen wir wissen, wer sich hier NGO nennt?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (26. September 2023 um 22:35 Uhr)
    Dann holt endlich die Zentralräte an Bord: der Sinti und Roma und der Juden! Holt die Sorben und die Süddänen und Jüten dazu! Ohne Lautstärke geht nix. Die in der BRD sind anerkannte Minderheiten. Die, die Asyl brauchen, werden erst einmal später interessant? Mal in Polen nachfragen, was die Söldner der OUN zum Abschlachten bis in die 1960er dort jahrzehntelang veranstaltet haben und wie tief verwurzelt ein Hang nach Kiew deshalb nie entstanden war? Was in der EU nie zur Sprache kam.
  • Leserbrief von Hans-Joachim Wolfram aus Sondershausen (26. September 2023 um 20:25 Uhr)
    Warum sich aufregen? Die Bundesregierung hat konsequent gehandelt, in dem sie an die Tradition der jungen BRD anknüpfte. So galt es damals die Wiedergutmachung der strafrechtlichen Verfolgung und wegen von den Alliierten vollzogenen Todesurteilen an den Volksgenossen mit der Siegrune oder Hakenkreuzarmbinde strikt durchzuführen. Das schrieb allein schon das Gleichheitsgebot im Grundgesetz vor. Also nicht einfach nur die verfolgten jüdischen Mitbürger zu entschädigen, sondern auch die gebeutelten Führungskräfte und Leistungsträger des »3. Reiches« wieder zu resozialisieren. Diese Linie haben bisher alle Bundesregierungen konsequent eingehalten. Deshalb konnte der Justizapparat auch wieder in alter Tradition aufgebaut werden, weil die Erfahrungen eines Richters am Volksgerichtshof später dringend wieder am Kammergericht in Westberlin gebraucht wurden. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ein Spezialist für Todesurteile, hat dies deutlich ausgesprochen: »Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein.« Deshalb war das Verhalten und die Zusammenarbeit der Banderisten mit der Wehrmacht und der SS laut Herrn Filbinger rechtens und damit heute auch geltendes Recht. Schließlich verteidigte man ja im Zweiten Weltkrieg die Existenz der deutschen Herrenrasse, während heute das »Asow«-Regiment für die Existenz der ukrainischen Rasse kämpft und es damals wie heute um Lebensraum im Osten geht. Der Bundesregierung ist kein Vorwurf zu machen, denn sie bleibt beständig und beharrlich auf der historischen Kontinuität über 1945 hinaus bis zum heutigen Tag. Das hat auch der ehemalige Justizminister Heiko Maas anlässlich der Freisprüche zu dem Tosa-Klause Prozess sehr schön gesagt, dass die Rechtsprechung auf das gesunde Volksempfinden sich besinnen müsse, wenn es um die Urteilsfindung geht. Es ist auch eine Frage der Humanität. Wer so nett vom ukrainischen Außenminister mit Vornamen »Annalena« offiziell bezeichnet wird, ist einfach nur dankbar.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (27. September 2023 um 13:44 Uhr)
      Herr Wolfram, seien Sie in Zukunft bitte viel zu schweigsam, wenn Sie über die Wahrheit reden! Hier heulen/jammern/weinen drei Generationen! Die Offenheit und die Wahrheit sind zum Kotzen und zum Schreien. Seit zwei Wochen räumen wir seine Wohnung aus. Für Jüden seiner strengen Art eigentlich neu, aber warum hier in Berlin nicht die Bücher retten und verschenken? Mein Vater war vielen zu weltoffen: Nichts von mir wird verbrannt, alle können sich alles nehmen! Seine Phrase. Ich bin für zwei Stunden nach Pankow gefahren. Und kehrte dann heim in eine Wohnung wie geleckt. Woran hat mich das erinnert? Daran, dass ein ukrainischer Botschafter in der BRD Andrij Melnik heißen darf? Warum denn nicht? Hier gibt es ja auch trotz Eichmann eine SEK. Und ein Auswärtiges Amt.

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