Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 26.09.2023, Seite 7 / Ausland
UN-Generalversammlung

Ohne Palästina

Netanjahu vor UNO in New York: An »Schwelle« zu Friedensschluss mit Saudi-Arabien. »Neuer Naher Osten« von Israels Premier skizziert
Von Jakob Reimann
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Freund von Bildpräsentationen: Netanjahu schafft vor der UN-Generalversammlung schon mal »Fakten« (22.9.23)

Seine Vision eines »neuen Nahen Ostens« hat Benjamin Netanjahu vor der UN-Generalversammlung in New York präsentiert. Zunächst bemühte der israelische Ministerpräsident am Freitag alttestamentarische Geschichten; wie Moses damals stehe auch Israel heute am Scheideweg zwischen der »großen Segnung« und dem »großen Fluch«. Die »Tyrannen von Teheran« stünden demnach für den »Fluch«. Die »Segnung« seien hingegen die Normalisierungsabkommen (Abraham-Abkommen) zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Sudan und Marokko im Jahr 2020. Diese hätten ein »Zeitalter des Friedens eingeläutet«.

Ziel dieser arabisch-israelischen Allianzen ist es, die Front gegen den Iran zu stärken. Dieser müsse »mit einer glaubwürdigen nuklearen Bedrohung konfrontiert werden«, spielte Netanjahu hier offen mit dem Einsatz des un­deklarierten israelischen Atombombenarsenals, um an anderer Stelle zu erklären, Israel »kann zu einer Brücke des Friedens werden«. Netanjahus Büro erklärte im nachhinein, bei der Nukleardrohung habe es sich um einen Versprecher gehandelt, eigentlich hätte »militärische Bedrohung« im Redeskript gestanden. Neben den vier bereits geschlossenen Abkommen – kam Netanjahu zum Kern seiner Rede – stehe Israel heute »an der Schwelle zu einem noch dramatischeren Durchbruch«, nämlich dem »historischen Frieden mit Saudi-Arabien«. Die Sache der Palästinenser müsste dafür jedoch geopfert werden.

Denn bei dem Abschluss weiterer Abkommen dürfe »den Palästinensern kein Vetorecht« eingeräumt werden. 2002 hatten 57 mehrheitlich islamische Länder mit der Arabischen Friedensinitiative, auch Saudische Initiative genannt, die Aufnahme regulärer Beziehungen mit Israel an die Palästina-Frage geknüpft. Die Länder unterbreiteten damals das Angebot zur Normalisierung als Gegenleistung für den Rückzug Israels aus den besetzten palästinensischen Gebieten hinter die Grenzen von 1967 und die Gründung eines palästinensischen Staates. Netanjahu dreht die Sache hingegen um, wenn er behauptet, dass der Abschluss weiterer israelisch-arabischer Abkommen »die Aussichten auf einen Friedensschluss zwischen ­Israel und den Palästinensern sogar erhöhen würde«. Denn dann »werden auch sie (die Palästinenser, jW) eher bereit sein, die Phantasie von der Zerstörung Israels aufzugeben, und endlich den Weg eines echten Friedens mit ihm einschlagen«. Er sei schließlich »seit langem bestrebt, Frieden mit den Palästinensern zu schließen«.

Netanjau führt gegenwärtig die rechteste Regierung in der Geschichte seines Landes an und hat sich selbst als »Faschisten« bezeichnende Personen wie Bezalel Smotrich in sein Kabinett aufgenommen. Smotrich ist ­Netanjahus Finanzminister, doch verfügt er auch über einen ministergleichen Posten im Verteidigungsministerium. In dieser Position wurde ihm im Februar von Verteidigungsminister Joaw Galant ein Großteil der administrativen Funktionen im besetzten Westjordanland überantwortet, die zuvor vom Militär ausgefüllt wurden; demnach fallen nun beispielsweise die Gestaltung der israelischen Siedlungspolitik, Fragen der Landzuteilung, Infrastruktur, Bauplanung, Strafverfolgung oder Wasserzuteilung in Smotrichs Zuständigkeit. »Mit diesem Schritt wurde Smotrich zum De-facto-Gouverneur des Westjordanlandes ernannt«, erklärte der israelische Anwalt Michael Sfard im einflussreichen US-Journal Foreign Policy im Juni. Dieser formale Übergang von militärischer zu ziviler Administration »stellt einen Akt der De-jure-Annexion des Westjordanlands dar«, so Sfards Urteil.

Dass die formale Einverleibung der besetzten Gebiete augenscheinlich nun offizielle israelische Politik ist, machte Netanjahu auch bei seiner UN-Rede deutlich, als er die Karte seines »neuen Nahen Ostens« präsentierte. Dort waren keine besetzten Gebiete mehr eingezeichnet, sondern das Westjordanland, Ostjerusalem, der Gazastreifen und der syrische Golan waren einheitlich blau als israelisches Staatsgebiet eingefärbt. Das Maß an Aufrichtigkeit hinter Netanjahus »seit langem« verfolgten Bestrebungen, »mit den Palästinensern Frieden zu schließen«, konnte in New York erahnt werden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (25. September 2023 um 23:54 Uhr)
    Wir erleben nur die Neuauflage spätestens seit 1948 offizieller Forderungen (die schon vor Herrn Herzl weit verbreitet waren). Lesen Sie Ilan Pappe und realisieren Sie die Ansichten der Ultraorthodoxen, deren Einfluss bereits aufgrund ihres enormen Nachwuchses rasant wächst: Erez Israel reicht über Babylon hinaus, wie Edom, Moab, Ammon auch Sinai. Damaskus: nur am Wegesrand. Libanon: Erez Israel. Usw. Hat er diese Karte gezeigt? Oder die, die für seine Regierungspartner längst nicht mehr akzeptabel ist? - Zuckermann, Segev etc. lese ich auch nur noch tief im Wald, wo mein Palaver und Geschrei niemanden stört. Mit der Hoffnung: mich auch nicht.

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