Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Gegründet 1947 Montag, 4. Dezember 2023, Nr. 282
Die junge Welt wird von 2753 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13.01.2024
Aus: Ausgabe vom 25.09.2023, Seite 2 / Ausland
Extraktivismus

»Unsere reiche Biodiversität würde zerstört«

Panama: Proteste gegen Abkommen zwischen Regierung und kanadischem Minenunternehmen. Umweltschäden befürchtet. Ein Gespräch mit Ronaldo Ortiz
Interview: Thorben Austen
Panama_Protest_79245044.jpg
Seit vier Wochen wird gegen das Abkommen protestiert (Panama-Stadt, 5.9.2023)

Seit etwa vier Wochen gibt es in Panama große Proteste gegen ein Abkommen zwischen der Regierung und einem kanadischen Minenunternehmen. Was beinhaltet dieses Abkommen?

Die Geschichte dieses Abkommens reicht bis ins Jahr 1997 zurück, als die Regierung ein erstes Abkommen in der Provinz Coclé in Zentralpanama unterzeichnete. In den Jahren 2003/2004 änderte das Unternehmen seinen Namen in Minera Panamá, an dem kanadisches Unternehmen ist auch südafrikanischen Kapital beteiligt. Ab 2017 wurde die Produktion verstärkt, vor allem im Abbau von Kupfer, aber auch Gold und anderen Materialien. Es gab aber nie ein richtiges parlamentarisches Genehmigungsverfahren. In dem aktuellen Abkommen gibt es mehrere strittige Punkte: Erstens sollen die Gewinne für den Staat Panama nur zwei bis maximal drei Prozent der Gewinne des Unternehmens betragen. Zweitens sollen die Konzessionen für zwanzig Jahre vergeben werden. Drittens ist das Projekt sehr umweltschädlich, drei zentrale Flüsse in der Region und das ökologische Gleichgewicht in der Region in Mesoamerika sind besonders betroffen. Dann bedeutet das Abkommen auch einen Angriff auf die nationale Souveranität Panamas, und die versprochenen Arbeitsplätze sind weniger als angegeben. Deswegen hat sich die Bevölkerung gegen das Abkommen organisiert.

Befürworter des Abkommens argumentieren, es sei wichtig für die ökonomische Entwicklung Panamas. Wie sehen Sie das?

Grundlegend für die Wirtschaft Panamas ist der sogenannte tertiäre Sektor, der 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Er umfasst die Handelstätigkeit der Freihandelszone Colón, den Schiffahrts- und Logistiksektor auf dem Kanalgebiet und die Finanzbranche mit ihrem internationalen Bankensystem. Dazu kommen weitere Dienstleistungen und in geringerem Ausmaß die Industrie. Die Regierung behauptet jetzt, wir brauchen den Bergbausektor, aber Panama ist wegen seiner geologischen Lage nicht geeignet für den Bergbau. Es wird vielleicht Gewinne geben durch den Bergbau, aber nur für eine kleine Gruppe von Unternehmern und transnationalen Konzernen. Die Bevölkerung wird durch die geringen Einkommen für den Staat in diesem Bereich und die Umweltschäden noch draufzahlen, und außerdem wird das Land seine natürlichen Ressourcen verlieren.

Welche Organisationen sind im Widerstand aktiv, was wurde bisher gemacht, und welche Aktionen sollen noch folgen?

Wir als Frenadeso sind Teil eines Bündnisses, das sich Allianza Pueblo Unido por la Vida (Allianz vereinigtes Volk für das Leben, jW) nennt, dort haben sich Arbeiter aus dem Bau- dem Telekommunikations- und Elektrizitätswesen zusammengeschlossen, zudem auch Arbeiter des Panamakanals, Arbeiter aus anderen Betrieben, Kleinbauern und Landarbeiter, Studenten der Universitäten und Schüler der weiterführenden Schulen. Bisher haben wir verschiedenste Aktivitäten durchgeführt, Demonstrationen, Kundgebungen, Straßenblockaden, Flugblätter verteilt und dadurch Aufklärung über das Abkommen betrieben. Wenn die Regierung weiter an dem Abkommen festhält, ist ein landesweiter Generalstreik geplant. Wir sehen die Aktivitäten auch ausdrücklich als Teil des Klassenkampfes und des Kampfes auf der Straße. Die Proteste dauern jetzt einen Monat, aber wir gehen davon aus, dass sie noch lange anhalten werden. In den kommenden Tagen werden sich die Abgeordneten im Parlament mit dem Thema beschäftigen. Die Regierung steht unter Druck, auf der einen Seite durch die Proteste, auf der anderen Seite durch das Unternehmen, das das Abkommen jetzt umsetzen will. Es kann aber auch sein, dass eine Entscheidung erst im nächsten Jahr nach den Wahlen fallen wird.

Wie ist die Situation in Panama in Bezug auf Bergbau- und Megaprojekte?

Das Thema Bergbau beschäftigt Panama seit der Ankunft der Spanier und spielte immer eine Rolle, in den Jahren der Militärdiktaturen bekam es größeres Gewicht. Aktuell soll bis zu einem Drittel des Gebietes Panamas – mit etwa 75.000 Qua­dratkilometern Fläche sind wir ein kleines Land – für Bergbaukonzessionen genutzt werden. Das hätte fatale Auswirkungen! Unsere reiche Biodiversität würde zerstört, und es gäbe auch andere schwerwiegende ökologische, ökonomische und soziale Folgen.

Ronaldo Ortiz ist stellvertretender Nationaler Koordinator der Nationalen Front zur Verteidigung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte Frenadeso in Panama

Immer noch kein Abo?

Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.

Ähnliche: