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Aus: Ausgabe vom 23.09.2023, Seite 4 / Inland
Debatte zur Migrationspolitik

Schwarz-Blau und der Rest

Bundestag diskutiert CDU/CSU-Antrag zu Migrationspolitik. Unterstützung von AfD, Kritik von Ampel und Linken
Von Karim Natour
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Fordert verstärkten Grenzschutz: Alexander Dobrindt (CSU) am Freitag im Bundestag

»Deutschland-Pakt in der Migration – Irreguläre Migration stoppen« lautet der Titel eines Antrags der Unionsfraktion, über den der Bundestag am Freitag debattierte. Die Formulierung stammt vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der sich damit vergangene Woche auf den von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen »Deutschland-Pakt« bezogen hatte. In dem Papier fordert die Unionsfraktion den Bundestag auf, Maßnahmen zu beschließen, um die »irreguläre Migration spürbar zu reduzieren«.

Zu den wichtigsten Punkten des Papiers zählt mit dem vorgeblichen Ziel schnellerer Bearbeitung von Asylverfahren die Forderung, die Liste der »sicheren Herkunftsstaaten« um Georgien, Moldau, Indien und die Maghreb-Staaten (mit Ausnahme Libyens) zu erweitern. Daneben verlangt die Fraktion stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, darüber hinaus auch den Stopp sämtlicher Bundesaufnahmeprogramme. Und auch die europäische »Grenzschutz«-Agentur Frontex soll nach Plänen der Union mit mehr Mitteln ausgestattet werden.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Alexander Dobrindt (CSU) warf zu Beginn der Debatte der Ampelregierung vor, sie blockiere Maßnahmen zur Beschränkung der »irregulären Migration«. Dobrindt sah die Schuld dafür vor allem bei Bündnis 90/Die Grünen und forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, »sich endlich vom grünen Gängelband« zu lösen. Diese wies die Vorwürfe der Opposition umgehend zurück und behauptete, dass »unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration«.

Unterstützung bekam der Antrag von der AfD-Fraktion. Die zeigte sich stolz, denn die Union übernähme aus Panik »alle Positionen der AfD bis ins Detail«, so Bernd Baumann. Der nutzte zudem die Gelegenheit und faselte von »Invasoren aus Afrika und Orient«. »Täglich« würden »Frauen und Mädchen vergewaltigt«, der »menschengemachte Bevölkerungswandel« schlimmer als der »menschengemachte Klimawandel«.

Ann-Veruschka Jurisch von der FDP zeigte sich zunächst erfreut, dass die CDU/CSU als »konstruktive Opposition« auftrete. Darauf folgte jedoch das kapitalnahe Lamento, im Unionsantrag sei »kein positives Wort« zur »Akzeptanz von Migration als Standortfaktor« zu lesen.

Auffällig bei der Debatte: Die von Unionspolitikern in den vergangenen Wochen verlangte »Obergrenze« von 200.000 Geflüchteten pro Jahr ist im Antragstext nirgendwo zu finden. Clara Bünger (Die Linke) erklärte, woran das liegen könnte: Die Unionsfraktion wisse, dass das »individuelle Asylrecht nicht kontingentierbar« sei und eine Obergrenze folglich gegen EU- und Völkerrecht verstoßen würde.

Nachdem der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) am Donnerstag der Rheinischen Post gesagt hatte, Land und Kommunen seien »am Limit«, pochte auch Bünger in der Debatte auf die notwendige Unterstützung: Kommunen in Deutschland bräuchten Geld, bezahlbare Wohnungen und Kitaplätze.

Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von Ampel und Linkspartei an verschiedene Ausschüsse überwiesen und damit nicht abgestimmt, Union und AfD stimmten gegen eine Überweisung. Auch wenn deren Stimmen im Bundestag noch nicht gereicht haben, könnte sich in Zukunft auch auf Bundesebene wiederholen, was in Thüringen bereits vergangene Woche für Aufregung sorgte: Beide Parteien hätten laut einer Umfrage von Infratest dimap vom 15. September bei einer Bundestagswahl aktuell zusammen rund 50 Prozent der Stimmen, könnten also durch wie auch immer geregeltes gemeinsames Abstimmungsverhalten in der nächsten Legislaturperiode Gesetzesvorhaben umsetzen.

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (25. September 2023 um 13:51 Uhr)
    Warum wird wieder gern bedrohlich »Flüchtlingskrise« als Hauptthema gebraucht? Wie schrecklichste mediale Bilder, Kommentare belegen; es sind Menschen, also eine Menschenkrise, eine Krise dieser Gesellschaft. Wie wertegeleitet menschenrechtlich ist, was wir zu hören und sehen bekommen? Wer macht sich noch Gedanken zu etwas, das im Osten Deutschlands vor nicht zu langer Zeit größte Menschensehnsucht war?
    Wer und warum tut so als müssten Menschen alternativlos auf der Flucht wie Feinde behandelt werden, die uns mehr bedrohen als alle Kriege und unsere selbst gemachten Katastrophen? Von welchen Werten sprechen PolitikerInnen, wenn sie uns Migration als größte aktuelle Bedrohung rund um die Uhr medial erklären? Wessen Geschäft macht die Anti-Flüchtlings-Stimmungspolitik besser als AfD und Co selbst? Hat Politik Interesse an hochkochender Feindschaft, Hass, Angst, Sorge, vor und gegen Menschen, Flüchtlinge? Anders ist schwerlich erklärbar, was Medien auf Straße, an Stammtische, in Köpfe bringen.
    Wäre es nicht Aufgabe, Aufklärungs-, Informationspflicht neben Angst und Sorge zu Ursachen, Lebensumständen in Fluchtländern mehr zu sagen? Hat eigne Politik nichts damit zu tun? Welch Zynismus, Verlogenheit, die Schuld für alles den Fluchtregionen anzudichten, um den Hass zu befeuern! Wer hat daran Interesse? Wer hat Interesse daran, dass Kommunen an Grenzen kommen bei der Aufnahme Geflüchteter? Ist es wirklich so, dass Deutschland nicht mehr kann, Obergrenzen haben, Bleiberecht regeln, Flüchtende bekämpfen muss und den Deal mit Ländern braucht, die ihnen die Drecksarbeit abnehmen? Sind das neu definierte Menschenrechte? Wer legt die »sicheren Herkunftsländer« fest, ohne dort Lebende zu fragen? Wie sicher würden sich die Reglementierer in deutschen Behörden dort fühlen? Aus Syrien gelangen Flüchtende verstärkt zu uns. Wer denkt nicht daran, das Land zur Ruhe kommen zu lassen, sich von Besetzern zu befreien, dem Volk Zukunft zu geben? Millionen Flüchtende aus der Ukraine machen keine Probleme bei Unterbringung, Aufnahme usw.? Wie das? Nur die Schwarzen usw., das was Straße ruft?
    Um welche Migranten werben wir für den Arbeitsmarkt, die uns nicht zu viele werden, unterzubringen sind, integriert werden müssen? Nützliche und unnütze Menschen nach neuem Werte- und Menschenrechtsverständnis? Könnte es sein, mehr und mehr Krieg, Katastrophen, katastrophale Wirtschaftspolitik machen Flucht und Vertreibung zu noch größerem Problem? Wie soll die Lösung aussehen? Grenzen dicht, Mauern, Sperranlagen, Militär, Minen, Selbstschußvorrichtungen usw.? Erinnern sich einige an ihre Anklagen von einst, die am 3. Oktober wieder aufgelegt werden?
    Probleme weg- oder schönreden ist keine Lösung. Menschengemachte Probleme beim Namen nennen, muss erster Schritt sein. Menschenhass fördert Krieg gegen Menschen, hat nie etwas gelöst. Anderen Völkern alles zumuten, sie allein lassen, bedauern, Flüchtende fern unserer Grenzen verrecken lassen, Jagd auf »Schleuser«, die auch mal als Helden galten, das ist deutsche Politik, wie sie immer war, wie sie nach den fallenden Masken in ihrer ganzen Realität sichtbar ist.

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