50 Jahre Putsch in Chile: jW-Reihe
Gegründet 1947 Sa. / So., 23. / 24. September 2023, Nr. 222
Die junge Welt wird von 2732 GenossInnen herausgegeben
50 Jahre Putsch in Chile: jW-Reihe 50 Jahre Putsch in Chile: jW-Reihe
50 Jahre Putsch in Chile: jW-Reihe
Aus: Ausgabe vom 19.09.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Klimawandel Ölkonzerne

Klimaschäden einkalkuliert

USA: Ölkonzerne wegen Mitschuld an Erderwärmung von Kalifornien verklagt. Besonderes Augenmerk in Niederlanden
Von Gerrit Hoekman
9.JPG
Grüne Worte, schwarze Taten: Ölkonzerne setzen ihren Kurs fort

Der US-Bundesstaat Kalifornien hat fünf große Ölkonzerne und den Branchenverband American Petroleum Institute (API) auf Schadenersatz für die von ihnen mutmaßlich mitverursachte Klimaänderung verklagt. Falls die am Freitag eingereichte Klage Erfolg hat, müssten sich BP, Shell, ­Chevron, Exxon Mobil und Conoco Phillips über einen milliardenschweren Fonds an den Kosten beteiligen. In den Niederlanden verfolgt man den US-Prozess aufmerksam, mit Shell und Exxon Mobile sind zwei der fünf verklagten Konzerne im Land geschäftlich besonders aktiv.

»Sie führen uns in die Irre, indem sie sagen, sie seien Teil der Lösung, während sie weiterhin massiv in Öl und Gas investieren«, sagte Mark van Baal laut der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Nederlandse Omroep Stichting (NOS) am Sonntag. Van Baal ist Gründer der aktivistischen Investorengruppe Follow This, die Aktien von Ölkonzernen erwirbt, um sie zu nachhaltiger Unternehmenspolitik zu zwingen.

»Im Mittelpunkt der Klage stehen interne Berichte der Unternehmen, aus denen hervorgeht, dass sie bereits in den 1970er Jahren wussten, dass ihre Produkte zu einem gefährlichen Klimawandel führen werden«, zitierte NOS Dennis van Berkel, den Anwalt der niederländischen Klimastiftung Urgenda. Exxon Mobil stellte beispielsweise 1979 in einem internen, von der Nachrichtensendung »Nieuwsuur« am Sonntag zitierten Dokument fest, dass »die Zunahme des CO2-Gehalts eine Erwärmung der Erdoberfläche hervorrufen wird. Der aktuelle Trend des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen wird bis zum Jahr 2050 dramatische Umwelteffekte verursachen«.

Um die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen und in Sicherheit zu wiegen, gaben die beklagten Konzerne Milliarden aus. »Sie investierten in Werbung und Berichte, die alle das Ziel hatten, Zweifel an der Wissenschaft zu säen, die sie ursprünglich selbst hervorgebracht hatten«, so Van Berkel. Bis heute habe sich daran nichts geändert. »Die fossile Industrie sagt: Vertrauen Sie uns, wir werden bis 2050 null Emissionen erreichen.« Dennoch fördere sie Gas und Erdöl wie eh und je.

Das Ölgeschäft war 2022 aufgrund des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen gegen Russland so profitabel wie nie zuvor. Im vergangenen Jahr verzeichnete Shell einen Rekordgewinn von 38,5 Milliarden Euro. Davon wird der Konzern lediglich drei Milliarden Euro für grüne Energieprojekte ausgeben.

API, mit etwa 600 Unternehmen der größte Interessenverband der Öl- und Gasproduzenten in den USA, betrachtet das Gerichtsverfahren in Kalifornien als »eine kolossale Verschwendung von Steuergeldern«. Klimapolitik sei Sache des Gesetzgebers, nicht der Richter, erklärte API am Sonntag gegenüber »Nieuwsuur«. Ein Sprecher von Shell erklärte, das Unternehmen unterstütze »die Notwendigkeit des Übergangs der Gesellschaft zu einer kohlenstoffarmen Zukunft voll und ganz«. Der Gerichtssaal sei allerdings nicht der richtige Ort, den Klimawandel anzugehen.

Urgenda zwang die niederländische Regierung 2013 per Gerichtsbeschluss, den Ausstoß von Treibhausgasen zügiger zu reduzieren. Das Urteil wurde 2018 nach einem langwierigen Berufungsverfahren bestätigt. Es sorgte unter anderem dafür, dass heute auf niederländischen Autobahnen tagsüber ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde gilt. Die Klage von Kalifornien geht noch einen Schritt weiter: Die Ölkonzerne sollen für bereits entstandenen Schaden haftbar gemacht werden, zum Beispiel solchen durch Überschwemmungen oder von extremer Trockenheit verursachte Waldbrände. Bislang kommen dafür die Steuerzahler auf.

Sommerabo

Du kannst 75 Ausgaben der gedruckten Tageszeitung junge Welt für 75 Euro lesen und täglich gut recherchierte Analysen zu tagesaktuellen Themen erhalten. Schenke dir, deinen Freundinnen und Freunden, Genossinnen und Genossen oder Verwandten ein Aktionsabo und unterstütze konsequent linken Journalismus.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • »Du bist ›ne Waffe, für die es keinen Waffenschein gibt« (Erdgas...
    11.05.2022

    Ins Mark treffen

    Das Erdölembargo gegen Russland soll gegen Ende 2022 kommen. Eine kurze Chronologie der deutschen Energiepolitik seit Anfang des Jahres
  • Mangel an Stabilität dank Erdgasförderung: Gebäude eines Bauernh...
    03.02.2018

    Auf wankendem Grund

    Erdbeben und bröckelnde Häuser: In der nördlichsten Provinz der Niederlande fördern Shell und Exxon Mobil Gas. Aber wer begleicht die Schäden?

Mehr aus: Kapital & Arbeit

Das Onlineabo der Tageszeitung junge Welt testen: Drei Monate für 18 Euro.