Tageskonferenz: Der Bandera-Komplex
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Aus: Ausgabe vom 19.09.2023, Seite 8 / Ansichten

Völkerrechtler des Tages: Lars Klingbeil

Von Felix Bartels
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Kann kein Wässerchen trüben: Lars aus Soltau

Es schrödert wieder in der SPD. Anlass bleiben die 60 Jahre Mitgliedschaft des Exkanzlers, der seit Otto Schilys Rückzug ins Private immer etwas wie Statler ohne Waldorf wirkt. Am 27. Oktober soll Schröder in Hannover eine Anstecknadel erhalten. Ein Politikum, das seinen Parteichef Lars Klingbeil auf den Plan rief, am Montag in Berlin. Der entschied sich für erprobten Catenaccio: Jedem Mitglied stehe eine solche Ehrung zu, auch Schröder. So weit logisch. Wozu, wenn nicht für eine Anstecknadel, sollte man es sechs Jahrzehnte lang in dieser Partei aushalten?

Zugleich kam Klingbeil dem neuesten innerparteilichen Trend nach, Schröder-Kritik. Aber nicht wegen der Agenda-2010-Austerität oder des völkerrechtswidrigen Angriffs gegen Jugoslawien, die an Klingbeil, dessen Parteikarriere 2001 in Schröders Wahlkreisbüro begonnen hat, gewiss nicht gescheitert wären. Er distanzierte sich vielmehr von der mangelnden Distanz Schröders zu Wladimir Putin. Die politische Haltung des ehemaligen Kanzlers passe nicht zu dem, was die SPD vertrete. So weit Klingbeil. Und es steht zu befürchten, dass er sich ungemein logisch findet.

Man mag von Schröder halten, was man will. Seine kategorischen Imperative hat er beisammen. Als Putin 2014 die Krim besetzen und die Abspaltung der Halbinsel vom ukrainischen Staat nachträglich durch ein Referendum legitimieren ließ, kommentierte Schröder den Vorgang mit folgenden Worten: »Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, etwas, was auch Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Aber wissen Sie, warum ich ein bisschen vorsichtiger bin mit dem erhobenen Zeigefinger? Das will ich Ihnen gerade sagen. Weil ich es nämlich selbst gemacht habe, gegen das Völkerrecht verstoßen.«

Schröder und Klingbeil, zweie, mit denen nicht gut Kuchen backen ist. Aber der eine weiß es wenigstens.

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  • Leserbrief von B. S. aus Ammerland (19. September 2023 um 09:35 Uhr)
    Lars Klingbeil und die Sozen … dieser aufgeblasene SPD-Fatzke ist der Prototyp eines strammen Parteisoldaten. Klingbeil hat weder einen Beruf erlernt, noch ein Studium erfolgreich beendet. Aber die Parteizugehörigkeit, sein Parteivolontariat hat er ausgerechnet bei Gerd Schröder absolviert und war dort im Mitarbeiterstab untergekommen. Und das Wahlvolk ernährt ihn trotzdem. Den Rest an sozialdemokratischer Ausbildung erhielt er durch etliche Parteischulungen. Das Ende vom Lied … Karriere machte er durch und unter Schröder, den er jetzt am liebsten absägen möchte. Nicht – wie ein Online-Magazin schrieb – wegen seiner Harzt IV Gesetze oder den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien, sondern wegen seiner unzerbrüchlichen Nähe zu Putin. Aber wir sollten uns nicht von Leuten wie Lars Klingbeil vorführen lassen. Die Hessen werden demnächst entscheiden, ob die Sozen mit ihrem politischen Kurs und Personal so einfach davonkommen werden … Und »Gas-Gerd« die Ehrennadel zu verweigern, ist eine typische Sozen-Posse !
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (19. September 2023 um 02:00 Uhr)
    Auch etwas, was tausendmal wiederholt wird und sich dann im Gedächtnis der Bevölkerung als vermeintliches Allgemeinwissen festgesetzt hat, muss deshalb nicht wahr sein. Nein, die Erde ist nicht das Zentrum des Sonnensystems und die Auffassungen der USA oder der G7 sind nicht die der Welt. Das Völkerrecht ist in sich widersprüchlich. Auf der einen Seite garantiert es der Bevölkerung das Selbstbestimmungsrecht, auf der anderen Seite einem Staat seine Staatsgrenzen. Es ist verlogen, den ersten Teil dieses Widerspruchs zu ignorieren. Die Abspaltung der Krim bezieht sich mit dem gleichen Recht auf das Völkerrecht wie Kiew bei seinem Besitzanspruch. Die Abspaltung war deshalb keine eindeutige Verletzung des Völkerrechts. Bis zum Referendum und dem anschließenden Aufnahmeantrag der Krim in die Russische Föderation gehörte die Krim auch nach russischer Auffassung zur Ukraine. Die Regierung des autonomen Gebietes Krim hat dieses Referendum durchgeführt wie bereits mehrere Male zuvor. Es geht nicht an, den Einwohnern der Krim dieses Recht abzusprechen, den Schotten, Falkländern oder Saarländern zu genehmigen. Das wäre dann Rassismus gegen Russen. Kiew unterhöhlte die der Krim seit der Unabhängigkeit der Ukraine zugesicherte Autonomie und verletzte so seit Jahrzehnten das Recht. Und die Putschisten in Kiew sorgten selbst dafür, dass es zum Zeitpunkt der Abspaltung keine legitimierte ukrainische Regierung gab. Die Ukraine war rechtlich gesehen regierungslos. Außerdem hatte sich die Krim per Referendum früher von der UdSSR unabhängig gemacht als die Ukraine. Ungültig nach UdSSR-Recht waren beide Abstimmungen. Sewastopol hatte außerdem dann innerhalb der Ukraine und der Krim nochmals einen Sonderstatus. Die Krim brauchte nicht besetzt zu werden, da die russischen Truppen seit Jahrhunderten dort stationiert waren. Auch Deutschland braucht deshalb von den USA gegebenenfalls nicht besetzt werden, weil es von denen bereits besetzt ist. Also bitte keine Ratschläge aus Berlin.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (19. September 2023 um 23:58 Uhr)
      Wie immer einleuchtend, ernüchternd und unschlagbar. Danke, lieber Fred!
    • Leserbrief von A.Katz aus Berlin (19. September 2023 um 15:39 Uhr)
      Es ist schier unglaublich. In Sachen Krim stimme ich mit dem einzig wahren roten Weisen Fred B. aus Ulan-Ude weitgehend überein!

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