Rechter Aufmarsch ausgebremst

Das Bündnis »What the fuck« erklärte am Sonnabend zum fundamentalistischen »Marsch für das Leben«:
Am 16. September fand wie jedes Jahr in Berlin der sogenannte Marsch für das Leben (MfdL) statt. An diesem Tag finden sich jährlich unter dem Deckmantel des »Lebensschutzes« christliche FundamentalistInnen, konservative und extrem rechte AkteurInnen zusammen. Der MfdL ist erneut geschrumpft und blieb mit lediglich 1.900 TeilnehmerInnen weit unter den angemeldeten 5.000 AbtreibungsgegnerInnen. (…) Die Gegenproteste waren bunt und kreativ. Unter anderem gab es eine Kundgebung am Hauptbahnhof, viele Störaktionen und Blockadeversuche. Die Route der AbtreibungsgegnerInnen wurde durch die Polizei verkürzt, und viele ihrer Beiträge waren unter dem lautstarken Protest kaum zu hören.
RednerInnen des Bühnenprogramms des MfdL fielen abermals durch Euthanasievergleiche auf und bewegten sich nah an Holocaustleugnung und Volksverhetzung. Den hetzerischen Beiträgen lauschte abermals auch einige Prominenz der AfD, unter anderem in Person von Martin Kohler (Vorsitzender der Berliner Jungen Alternative), Joachim Kuhs (Christen in der AfD), Martin Hohmann (Ex-CDU, seit 2016 AfD) und Robert Eschricht (AfD Berlin).
Außerdem waren neben rechten Youtubern und skurrilen extrem religiösen, nationalistischen Gruppen auch wieder Hedwig von Beverfoerde von der »Demo für alle« und Sven von Storch (Freie Welt) dabei. Beide sind seit Jahren aktiv gegen sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung. Sven von Storch bedient auf seinem Blog eine Vielzahl an verschwörungsideologischen und extrem rechten Narrativen. (…) Ein Teilnehmer wurde beim Zeigen des White-Power-Grußes fotografiert, viele Schilder relativierten den Holocaust oder versuchten, sich linke Slogans anzueignen (»Small Lives Matter«, »Kein Mensch ist egal«, Embryo mit Sprechblase »Me too?«). (…)
Die Proteste zeigen ihre Wirkung. Auch in Köln gab es massiven Gegenwind für den dort erstmals stattfindenden MfdL. Nach mehreren Blockaden musste der Kölner Marsch abgebrochen werden. Wir solidarisieren uns mit den queer-feministischen Aktivist*innen in Köln und verurteilen jede Polizeigewalt.
In einem Interview mit der Berliner Zeitung (Ausgabe vom 12. September) gab Gregor Gysi (Die Linke) Auskunft über seine »Aufgabe« nach dem Untergang der DDR:
(…) Herr Gysi, Ihre Partei, in die Sie so viel investiert haben, steht kurz vor der Spaltung. Muss man sich Gregor Gysi dieser Tage als traurigen Mann vorstellen?
Nein, das nicht. Erstens war ich auch in anderen Krisen meiner Partei nie traurig, höchstens angespannt. Und zweitens ist die Linke nicht mein Lebenswerk. Wobei es mich natürlich freut, dass die deutsche Wiedervereinigung eine politische Kraft links der SPD im Bundestag ermöglichte. Meine Aufgabe war aber eine andere: Ich musste die Interessen derjenigen aus der DDR vertreten, die die Einheit nicht wollten. Derjenigen, die wussten, dass aus ihnen nichts wird. Und der ganz vielen, die dachten, dass aus ihnen etwas wird, aber später enttäuscht wurden. Ich musste auch Druck machen, dass diese Leute selbstkritisch ihre Biographien aufarbeiten und zugleich ihren Weg in das vereinigte Deutschland finden.
Ist Ihnen das gelungen?
Es war schwer und brauchte mehr Zeit, als ich gedacht hatte. Aber ja, es ist mir gelungen. (…)
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