»BRD liefert mehr Panzer als Rettungswagen«
Interview: Karim Natour
Unter dem Motto »Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und Verhandlungen!« organisieren Sie eine an diesem Montag startende bundesweite Aktionswoche mit Protestaktionen. Wen wollen Sie damit adressieren?
Unsere Adressaten sind die russische und die ukrainische Regierung, die Bundesregierung und die EU. Also alle am Krieg beteiligten Regierungen. Aber selbstverständlich auch die eigene Bevölkerung.
An Ihrem Bündnis sind Friedens-, Umwelt- und antifaschistische Gruppen beteiligt. Wie passen diese aus Ihrer Sicht in bezug auf den Krieg zusammen?
Aus unserer Sicht ist es wichtig, diese Perspektiven zu vereinen, auch wenn sich die Organisationen unterscheiden. In bezug auf den gemeinsamen Bündnisaufruf war es nicht einfach, alle unter einen Hut zu kriegen. Alle Organisationen mussten Kompromisse eingehen. Aber die verschiedenen Dimensionen, also Frieden, Umwelt, Antifaschismus, sind alle in diesem Konflikt zu finden und daher wichtig zu thematisieren.
Politiker aller Bundestagsparteien überbieten sich mit Rufen nach mehr Waffenlieferungen für die Ukraine. Zuletzt wurde die Abgabe von »Taurus«-Marschflugkörpern gefordert. Was würde ein entsprechender Beschluss für diesen Krieg bedeuten?
Wir sind sehr besorgt ob dieser immer weiter geforderten Waffenlieferungen, weil wir das Leid sehen, das damit verursacht wird. Seitens der Bundesregierung wird einseitig auf eine militärische »Lösung« gesetzt, diplomatische Initiativen fallen hinten runter. Im Bündnis selber gibt es keine einheitliche Meinung zu Waffenlieferungen, aber wir als DFG-VK sind ganz klar dagegen.
Welchen Weg hin zum Frieden wollen Sie mit Ihrem Protest statt dessen aufzeigen?
Es gibt viele Alternativen. Zum Beispiel eine deutliche Ausweitung der humanitären Hilfe. Es kann nicht sein, dass Deutschland mittlerweile mehr Panzer an die Ukraine geliefert hat als Rettungswagen. Zweitens fordern wir Verhandlungen zwischen allen am Konflikt beteiligten Parteien. Dieser Krieg wird mit einer Verhandlung enden, auch wenn einige das nicht wahrhaben oder sehen wollen. Es gab ja bereits Initiativen – von Brasilien, China und anderen. Darauf müssen sich alle Konfliktparteien einlassen, hierauf drängen wir mit unseren Aktionen.
Seit dem Einmarsch Russlands hat es hierzulande vereinzelt Antikriegsproteste gegeben. Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Mobilisierungsfähigkeit?
Leider gibt es in Teilen der Friedensbewegung eine Art Überanstrengung. Es ist nicht nur der Krieg in der Ukraine, sondern auch die bundesdeutsche Aufrüstung, die alle Friedensgruppen sehr fordert. Viele wollen Aktionen machen, haben aber nicht genügend Kapazitäten.
Woran liegt es, dass nicht noch mehr Menschen regelmäßig gegen Krieg auf die Straßen und Plätze ziehen?
Für einige ist es wohl schwierig, eine Position zu finden. In den größeren Medien und in der Außenpolitik herrscht eine Militärlogik. Dass schon alles klappt, wenn man nur genug Waffen liefert. Manche Menschen haben daher Skrupel, dagegen aufzubegehren und zu fordern, mehr auf Diplomatie zu setzen. Daneben gibt es auch Schwierigkeiten mit der »Trennlinie«, da die AfD und andere rechte Gruppen immer wieder versuchen, das Friedensthema zu kapern. Das schreckt Menschen ab. In der Bevölkerung herrscht außerdem Erschöpfung, sich mit dem Thema Krieg auseinanderzusetzen, viele wollen es ausblenden. Wir müssen aber mögliche Lösungen präsentieren und dafür kämpfen!
Sie sprechen von der bundesdeutschen Aufrüstung. Ihr Bündnis richtet sich also nicht nur gegen Krieg, sondern auch ganz grundlegend gegen die Militarisierung in der BRD?
Genau, wir prangern generell die Aufrüstung an, die momentan stattfindet. Uns beschäftigen die Klimakatastrophe und die wachsende Armut. Gleichzeitig steigen überall Militärhaushalte, nicht nur in Deutschland. Wir sehen es als ernste Bedrohung an, wenn nicht genügend Maßnahmen ergriffen werden, um die Klimakatastrophe abzuwenden oder immer mehr in Atomwaffen investiert wird. Deshalb fordern wir von allen Seiten Abrüstung, denn nur sie bringt am Ende Frieden und Sicherheit.
Michael Schulze von Glaßer ist politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG–VK)
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