Beginn mit Scholz und Protest
Von Susanne Knütter
An die hundert Kolleginnen und Kollegen sind den Argumenten des Bundeskanzlers nicht auf den Leim gegangen. Während der Rede von Olaf Scholz (SPD) zum Beginn des Bundeskongresses der Gewerkschaft Verdi am Sonntag in Berlin hielten sie Transparente, Friedensfahnen und Schilder hoch, die ihren Protest ausdrückten: »Soziales statt Aufrüstung«, »Rente statt Raten«, »Verhandeln statt aufrüsten«, »Unser Hafen, nicht euer Casino«.
Auf den geplanten Verkauf von rund der Hälfte des Hamburger Hafens an die Schweizer Großreederei MSC ging der ehemalige Bürgermeister der Hansestadt in seiner Begrüßungsrede zum Erstaunen einiger Delegierter nicht ein. Dafür wiederholte er ein paar gängige Argumente gegen die Forderungen nach Verhandlungen der Kriegsparteien im Ukraine-Krieg. Ein Land, das angegriffen werde, müsse sich verteidigen dürfen. Grundlage für Verhandlungen sei der Abzug der russischen Truppen.
Darauf, was das bedeutet, ging er nicht ein. »Immer mehr Waffen werden das Problem nicht lösen«, sagte Jürgen Senge, Delegierter aus NRW gegenüber jW. »Statt dessen sterben weiter Arbeiter.« Verdienen werde in erster Linie die deutsche Rüstungsindustrie. Auch Christof Ostheimer vom Verdi-internen Friedensnetzwerk erklärte im jW-Gespräch, Scholz habe sich »plump aus der Affäre gezogen«. Der Krieg sei »ein Abnutzungskrieg«, bei dem es keinen Sieg geben werde. Zu den sozialen Folgen des Aufrüstungsprogramms und der Sanktionen gegen Russland »kein Wort«. Seit Beginn des Ukraine-Krieges im vergangenen Jahr konnten die Dax-Konzerne Gewinne von 170 Milliarden Euro verbuchen, so Ostheimer. Die Beschäftigten hingegen einen Reallohnverlust um die vier Prozent – trotz intensiver Tarifkämpfe, geführt von Gewerkschaften wie Verdi.
Die Kritiker des Kuschelkurses mit der Regierung sind, so sieht es am ersten Tag des Kongresses aus, in der Minderheit. Ihnen ist das bewusst, dennoch werden sie jede Gelegenheit nutzen, die vernünftigen Positionen gegen eine Abkehr friedenspolitischer Grundsätze, wie sie Bundesvorstand und Gewerkschaftsrat mit ihrem Leitantrag vorhaben, zu diskutieren.
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Leserbrief von B. S. aus Ammerland (18. September 2023 um 16:38 Uhr)Damit hatte der »Sozen-Kanzler mit der Augenklappe« wohl nicht gerechnet. Also scheint es noch aufrechte und aufrichtige Arbeitnehmer/innen bzw. Bürger/innen in diesem unseren Land zu geben. Dennoch aufpassen, es sind schon viele Sozen umgefallen …
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Leserbrief von Björn Wilhelm (18. September 2023 um 06:36 Uhr)Es ist bezeichnend, dass ein Verdi-Bundeskongress mit dieser Figur beginnt.
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