Eskalation, aber »besonnen«
Von Kristian Stemmler
Die Scharfmacher der Ampelparteien erhöhen den Druck auf die Bundesregierung, endlich »Taurus«-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Auch der Grünen-Kovorsitzende Omid Nouripour äußerte sich dementsprechend am Donnerstag abend bei »Maybrit Illner« im ZDF. Er gehe davon aus, dass »sehr schnell auch tatsächlich die Verkündung kommen wird, dass die ›Taurus‹ rübergehen, weil die gebraucht werden«, erklärte Nouripour. Seiner Äußerungen stehen im gewissen Gegensatz zu denen seiner Parteikollegin, Außenministerin Annalena Baerbock. Die hatte bei ihrem Besuch in Kiew Anfang der Woche das demonstrative Zögern der Bundesregierung in der Frage verteidigt und erklärt, vor einer Lieferung der »Taurus« müssten zunächst »alle Fragen geklärt werden«.
Das Zögern hängt vor allem damit zusammen, dass die »Taurus«-Marschflugkörper russisches Territorium erreichen können. Die Befürworter der Lieferung wischen diese Bedenken vom Tisch. So erklärte Nouripour, man könne etwa vom nordostukrainischen »Charkiw« aus auch mit weniger weit reichenden Waffen »rüberschießen«. Die Autoren des Briefs an Scholz verwiesen darauf, Vertreter der ukrainischen Regierung hätten ihnen zugesichert, »dass das Waffensystem ausschließlich auf dem Territorium der Ukraine eingesetzt wird«. Man sehe »keinen Anlass, an dieser Zusage zu zweifeln«, heißt es lapidar.
Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) betonte am Freitag auf der sogenannten Westfälischen Friedenskonferenz in Münster, »wenn das jetzt noch eine Woche oder zwei dauert, bis eine Entscheidung fällt, dann ist das so«. Dies sei kein Zögern der Regierung, sondern »Besonnenheit«, die sich die BRD leisten müsse. Von den etwa 500 »Taurus« im Arsenal der Bundeswehr sei die eine Hälfte veraltet, die andere brauche ein Update und müsse umprogrammiert werden.
Hinter dem angekündigten »Update« könnte sich in Wahrheit auch ein »Downgrade« verbergen, um zu verhindern, dass der russischen Armee die modernsten Versionen der aktuellen NATO-Waffen in die Hände fallen. Die USA, Großbritannien und Frankreich hatten in der Vergangenheit mehrfach nur abgespeckte Varianten ihrer modernen Waffensysteme an die Ukraine geliefert, nicht gerade ein Vertrauensbeweis gegenüber dem Kiewer Regime.
Sevim Dagdelen, Obfrau der Linke-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss, sprach sich gegen die Lieferungen aus. »Die Marschflugkörper erhöhen die Gefahr einer direkten Kriegsbeteiligung Deutschlands, da sie atomar bestückbar sind und mit einer Reichweite von 500 Kilometer große Städte in Russland treffen können«, erklärte sie am Freitag gegenüber jW. Bei der Lieferung der »Taurus« drohe die BRD von den USA ganz nach vorne geschoben zu werden. »Deutschland soll als erster liefern, um das Feuer gegebenenfalls auf sich zu lenken«, so Dagdelen. Ekkehard Lentz, Sprecher des Bremer Friedensforums, sagte der jW, die geplanten Lieferungen »tragen zur Eskalation bei und setzen das Töten fort«. Die BRD werde immer tiefer in den Krieg hineingezogen und riskiere »die Ausweitung zu einer unmittelbaren militärischen Konfrontation der NATO mit Russland«.
Immer noch kein Abo?
Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.
-
Leserbrief von Lothar Böling aus Düren (18. September 2023 um 08:41 Uhr)Das ewige Gequake der NATO-Frösche ist eine Zumutung für jeden halbwegs normalen Menschen. Deutschland solle Taurus-Marschflugkörper liefern, heißt es da von Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Anton Hofreiter (Grüne) und Andreas Schwarz (SPD). Sie sind der Meinung, die Ukraine zeige bereits wichtige Erfolge bei der Offensive. Was für ein Unsinn, bei einer Frontlänge von 1.200 Kilometern, das Vorrücken auf einer Breite von wenigen Kilometern als Erfolg zu bezeichnen. Hier zeigt sich, die geballte Unwissenheit dieser olivgrünen Gurkentruppe. Und dabei merken sie nicht einmal, wenn sie sich selbst ins Aus manövrieren. Denn mit der Lieferung der Marschflugkörper unterstützt Deutschland vor allem ukrainische Nationalisten und Faschisten. Also jene Verbrecher, die seit 2014 gezielt die russische Zivilbevölkerung im Donbass beschießen. Die Lieferung von Taurus ist da eindeutig Beihilfe zum Völkermord am russischen Volk. Im Gegensatz zu diesen Lakaien der deutschen Rüstungsindustrie, bleibt zu hoffen, dass zumindest Bundeskanzler Olaf Scholz die Tragweite der Lieferung erkennt. Denn der Marschflugkörper Taurus ist eine typische Angriffswaffe für den Erstschlag, die es ukrainischen Nationalisten und Faschisten ermöglichen wird, russische Städte anzugreifen. Ganz so, wie es bereits mit ukrainischen Drohnen gegen Moskau erfolgte. Die Waffen, die der Westen liefert, werden das Zerstörungspotential erhöhen. Dies zeigt, der Westen will eine Steigerung, will eine Ausweitung dieses Krieges. Politiker, die bisher kaum Einfluss hatten, werden dabei immer häufiger zum Problem. Diese Schreibtischtäter, die weit ab der Front hocken, versuchen sich nämlich, mit markigen Sprüchen und Forderungen nach schlagkräftigeren Waffen (Uran-Munition, Marschflugkörper), auf Kosten anderer zu profilieren. Dass der gierige Westen auch an rassistischen Wahnvorstellungen leidet, zeigt das Einreiseverbot für PKW mit russischem Kennzeichen, nach Estland, Lettland, Litauen, Finnland und Polen.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Josie M. aus 38448 Wolfsburg (16. September 2023 um 17:08 Uhr)Ja, man sollte sicher nicht nur meines Erachtens die Warnung von Sevim Dagdelen bedenken, dass der BRD bei der Lieferung der »Taurus« drohe, von den USA ganz nach vorne geschoben zu werden und wie sie sagte: »Deutschland soll als erster liefern, um das Feuer gegebenenfalls auf sich zu lenken.« Dazu folgendes, das ich, um meine Erinnerung wieder aufzufrischen, noch bei Wikipedia gefunden habe: »Besuchen Sie Europa (solange es noch steht) ist ein Lied der Band Geier Sturzflug aus dem Jahr 1983. Es erschien auf dem zweiten Album der Band, die im Vorjahr mit dem Lied Bruttosozialprodukt einen Nummer-eins-Hit in Deutschland, Österreich und der Schweiz hatte. Besuchen Sie Europa wurde zum zweiten großen Hit der Band und erreichte Platz 11 der deutschen und Platz 7 der österreichischen Charts. Damit gehört es wie sein Vorgänger zu den erfolgreichsten Stücken der Neuen Deutschen Welle.« Nicht zufällig wurde zuzeiten des »NATO-Doppelbeschlusses« zum Hit des Jahres 1983 … Josie Michel-Brüning, Wolfsburg
Ähnliche:
- Gleb Garanich/REUTERS13.09.2023
Krieg in der Sackgasse
- U. Ivanov/IMAGO/SNA11.09.2023
Versäumnis mit Tragweite
- Bernd von Jutrczenka/dpa04.09.2023
Wertebasierte Wissenschaft
Mehr aus: Inland
-
Mit Steuersenkung rechts abgebogen
vom 16.09.2023 -
Hoffentlich kaputt genug
vom 16.09.2023 -
Autoland ist abgebrannt
vom 16.09.2023 -
Geförderte in der Schuldenfalle
vom 16.09.2023 -
»Das Kulturzentrum könnte sofort wieder genutzt werden«
vom 16.09.2023