Ein bisschen schwierig
Von Nico Popp
Der vor dem Hintergrund der tiefen Krise der Partei Die Linke vom Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann unterbreitete Vorschlag eines Parteikonvents, an dem auch die Basis beteiligt werden soll, hat in dieser Form keine Realisierungsperspektive. Die Parteispitze betrachtet eine bereits für Montag abend angesetzte Onlineberatung mit der Bundestagsfraktion und führenden Funktionären aus Bund und Ländern als Angebot, das den Pellmann-Vorschlag aufgreift. Das machte Koparteichefin Janine Wissler am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin deutlich.
Auf Nachfrage von jW zum Stand in der Frage des Parteikonvents war es Wissler zunächst wichtig, zu betonen, dass die Satzung keinen Parteikonvent kenne. Sodann erklärte sie, man habe für »heute abend« die Fraktion, den Vorstand, das Präsidium des Bundesausschusses sowie die Vorsitzenden von Landesverbänden und Landtagsfraktionen zu einer Beratung zusammengerufen. Damit habe man den Vorschlag von Pellmann »aufgenommen«. Die Idee, die »einzelne hatten, dass man quasi alle einlädt«, sei bei einer Partei mit 50.000 Mitgliedern »organisatorisch ein bisschen schwierig«. Wissler betonte, dass man Regionalkonferenzen in Präsenz und online durchgeführt habe, zu denen »alle Mitglieder der Partei Die Linke eingeladen« gewesen seien. Und im November habe man »ja auch den Bundesparteitag«.
Die Veranstaltung, die Wissler am Montag als Äquivalent des Parteikonvents ausgab, war der Parteiöffentlichkeit bis zum Montag unbekannt. Am vergangenen Dienstag hatten die beiden Parteivorsitzenden nach jW-Informationen die Mitglieder des Parteivorstandes und der Bundestagsfraktion, die Landesvorsitzenden, das Präsidium des Bundesausschusses und die Fraktionsvorsitzenden aus den Ländern zu einer »gemeinsamen Videoberatung« eingeladen. Als zu behandelnde Themen wurden in der Einladung genannt: »der anstehende Europaparteitag, der Wahlkampfendspurt in Hessen und Bayern, der Plan 25 und die Zusammenarbeit sowie weitere Schritte in der Partei«.
»Es wird eine gemeinsame Zukunft mit der Linken nur geben, wenn wir es gemeinsam hinbekommen«, hatte Pellmann Anfang August dem MDR gesagt. Er rufe Vorstand und Fraktion dazu auf, »sich zusammenzuraufen und zu einem Parteikonvent zusammenzufinden, noch vor der Neuwahl des Fraktionsvorstandes und vor dem Bundesparteitag, der im Herbst stattfindet«. Später hatte er bekräftigt, dass ein solcher Konvent Vorstandsmitglieder aus Bund, Landes- und Kreisverbänden, Abgeordnete und Basismitglieder zusammenbringen solle. Es gehe darum, die »Spaltungsspirale« zu stoppen. Der Vorschlag war von unterschiedlichen Gliederungen unterstützt worden. Viele Genossinnen und Genossen hatten bekundet, in einem solchen Format die womöglich letzte Chance zu sehen, die drohende Spaltung der Partei zu verhindern.
Anfang vergangener Woche hatte die Pressestelle des Karl-Liebknecht-Hauses auf jW-Anfrage noch versichert, dass der Parteivorstand erst am Wochenende über die Frage des Parteikonvents beraten und entscheiden werde. Nach jW-Informationen zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits ab, dass es für den Pellmann-Vorstoß keine Mehrheit im Vorstand gibt; Widerstand kam dem Vernehmen vor allem aus dem »bewegungslinken« und »progressiven« Spektrum. Einflussreiche Akteure wie der ehemalige Parteichef Bernd Riexinger oder die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler hatten auch öffentlich bereits durchblicken lassen, dass sie von Pellmanns Idee einer »gemeinsamen Zukunft« nicht sonderlich viel halten: Riexinger hatte die Partei aufgerufen, ohne Wagenknecht zu planen, und Vogler hatte bekundet, dass die Partei Wagenknecht nicht mehr brauche.
Auf eine weitere Nachfrage von jW, wie zu erklären ist, dass zu der Veranstaltung am Montag abend bereits am vergangenen Dienstag eingeladen wurde, als die Beratung und Entscheidung des Parteivorstandes über den Pellmann-Vorschlag am Wochenende noch ausstand, erklärte Wissler bei der Pressekonferenz, man habe die »Idee« von Pellmann aufgegriffen und damit nicht gewartet »bis zur Parteivorstandssitzung«. Sonst hätte man schwerlich noch vor der anstehenden Fraktionsklausur zusammenkommen können.
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Ich habe einmal an einer dieser Videokonferenzen mit »Janine und Martin« teilgenommen … und war schockiert: kaum TeilnehmerInnen. Von denen waren maximal 20 Prozent UnterstützerInnen der Vorstandpositionen, einige waren undeutlich in ihrer Positionierung, die Mehrheit aber schwankte zwischen höflicher bis brüsker Ablehnung. Unsere Vorsitzenden wirkten matt und mutlos, die Antworten eher als eine zu erledigende Pflichtaufgabe. Von Engagement oder Ausstrahlung war wenig zu spüren. Eigentlich konnten sie einem leidtun, die Partei aber auch. Da ich vermute, dass die anderen Videokonferenzen, so es denn noch weitere gab, ähnlich abliefen, ergibt es Sinn, die Basis auszuschließen.
So sehr ich mich freue, dass die Fraktionsvorsitzenden erst mal weitermachen, es zeugt erneut von der Inkompetenz und Unfähigkeit der Parteileitung. Ihr Wunsch, Janine Wissler als Fraktionsvorsitzende zu installieren, scheiterte daran, dass Frau Wissler nur kandidieren wollte, wenn die Mehrheit bei der Wahl sicher gewesen wäre – war sie aber nicht, im Gegenteil. Also keine Neuwahl, um die Niederlage zu vermeiden. Dank an die GenossInnen Mohamed Ali und Bartsch, aber wie lange Riexinger und Renner brauchen, um zu begreifen, dass sie wählen müssen zwischen der Akzeptanz einer ihnen nicht genehmen Fraktionsführung oder einer von ihnen zu verantwortenden Zerstörung der Fraktion und der Vernichtung Hunderter Arbeitsplätze.
Ich gehöre zu den noch Hoffenden, weil das Land eine linke Partei dringend braucht angesichts dieser Bundesregierung, aber keinen Vorstand, der sich dem Niveau der Bundesregierung final annähert.