Sinnloser Wirtschaftskrieg
Von Sahra Wagenknecht
Endlich sieht die Außenministerin es ein: Die vom Westen verhängten Sanktionen schaden Russland nicht. »Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so. (…) Wir haben erlebt, dass mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist«, so Baerbock in einem Interview. Nun ist es alles andere als rational zu erwarten, dass man Konflikte und Kriege durch endlose Waffenlieferungen beenden kann. Und nicht weniger dumm ist es, einen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Rohstofflieferanten zu führen, der sehr wohl massive Schäden anrichtet: bei uns! Die hohen Energiepreise sind Gift für unsere Industrie, Betriebe wandern ab, die Wirtschaft schrumpft wie in keinem anderen Land der G20, es droht eine Deindustrialisierung mit gravierenden Folgen für Arbeitsplätze, Löhne und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Die Armut wächst, da immer mehr Menschen nicht wissen, wie sie bei gestiegenen Preisen über die Runden kommen sollen. Da die Ampel nichts gegen die Marktmacht und Preistreiberei in einigen Branchen unternommen hat, kam es außerdem zu einer hemmungslosen Umverteilung von unten nach oben: Während die Reallöhne im letzten Jahr um mehr als vier Prozent zurückgegangen sind, konnten sich Dax-Konzerne über einen Rekordgewinn von 171 Milliarden Euro freuen. Über 50 Milliarden Euro an Dividenden werden in diesem und im nächsten Jahr an Aktionäre von Dax-Konzernen ausgeschüttet – rund doppelt soviel wie im Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre. Und da die Ampel von höheren Steuern auf Konzerngewinne oder Milliardenvermögen nichts wissen will, stehen uns die härtesten Verteilungskämpfe noch bevor.
»Der Staat kann nicht überall fördern und subventionieren«, begründete Finanzminister Lindner seine Kürzungsvorgaben im Haushaltsentwurf u. a. für Bildung, Rente, Gesundheit und Pflege. Für Soziales oder sinnvolle Investitionen ist angeblich kein Geld da – für endlose Waffenlieferungen an die Ukraine schon. Fünf Milliarden Euro pro Jahr seien bis 2027 (!) im Haushalt als »Ertüchtigungshilfen« für das ukrainische Militär fest eingeplant, versprach Lindner Mitte August in Kiew, mehr als zwölf Milliarden hat man bereits geleistet. Doch was hat diese angebliche Hilfe gebracht, außer einer Eskalation der Gewalt? Was außer einer Verschärfung von Armut und Hunger gerade auch in Ländern des Südens? Statt weiter Tod und Zerstörung zu subventionieren, braucht es endlich politischen Druck für einen Waffenstillstand. Und statt sich von den USA auch noch in Konflikte mit China treiben zu lassen, sollte man sich lieber für eine multipolare Weltordnung mit fairen Handels- und Finanzbeziehungen einsetzen statt für willkürliche Sanktionen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (27. August 2023 um 04:47 Uhr)Um es noch einmal klarzustellen: Wir haben es mit einer Strategie zu tun, die die Vorreiterrolle der Regierung der USA sichern soll. Zbigniew Brzezinski hat dieses Programm bereits vor drei Jahrzehnten eindrücklich offenbart. Das bedeutet: Nach der Föderation ist die Volksrepublik dran. Das wird richtig teuer und die NATO-Pakt-Abgaben unermesslich anwachsen lassen. Beginnen wir bei vier oder fünf Prozent des nationalen BIP? Die Medien der bürgerlichen Gesellschaft (Hegel) müssen gegen die VR erst noch hochgefahren werden, um die Republik China (Aha!) direkt im Anschluss zur ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine zu erschaffen. Warum auch nicht? Noch einmal: Diese Eskalationen in Europa und rund um China sind ein strategisches Programm. Lassen Sie uns darüber nachdenken, wer danach auf der Liste der zu eliminierenden Freunde (!) steht. Irgendwas mit EU? Vielleicht. Vielleicht früher als gedacht. Oder sind wir schon mittendrin? Mal den russophoben Klimaminister fragen. Er hat uns vor Augen geführt: Pipelines = Schrott. Tausend Tanker um die halbe Welt = Frieden. Aha.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (26. August 2023 um 19:40 Uhr)»Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so.« Das sei der Fall, »weil eben die Logiken von Demokratien nicht in Autokratien greifen«, sagt die deutsche Fachfrau für den Rest der Welt, Außenministerin Baerbock. Der Satz des Pythagoras funktioniert in ihrer Welt anders als in der von Putin. Das leuchtet ein. Lebte Pythagoras doch im Mutterland aller westlichen Werte und entdeckte mathematische Gesetze ausschließlich für Demokraten. Allerdings – und hier liegt die Crux in der Urne oder der Hase im Kräuterbeet – noch nicht für Demokrat:Innen. Auch Putins Dreiecke funktionieren anders. Die Russen ticken halt anders, haben eine dunkle Kultur, mögen den Tod mehr als das Leben und verfügen über andere Logiken. Die Logiken von Autokratien. So ist es zu erklären, dass Sanktionen, die jeden anständigen Demokraten in Grund und Boden oder noch tiefer ruiniert hätten, beim Putin abprallen, wie der Krieg an den Grünen. Wie die westlichen Werte allgemein, am Russen allgemein. Ein Beispiel, damit wir das Annalena-Dilemma verstehen: Angenommen Deutschland wäre von den USA teilweise abhängig. Deutschland würde einen wesentlichen Teil seiner (Energie-)Rohstoffe dort kaufen. Gas und Öl. Oder grünen Wasserstoff. Dann überfallen die USA in einem durch nichts provozierten brutalen Angriffskrieg irgendein Land auf der Welt. Einfach so. Würden die USA nie tun, ich weiß. Aber wenn doch, dann würde es von den Guten Sanktionen geben, dass es nur so kracht. Da die USA nun ihre Rohstoffe nicht mehr an die Guten verkaufen können, sondern nur noch an die Bösen, würden die USA unter diesen Sanktionen leiden bis zum Zusammenbruch. Weil, die USA folgen der Logik der Demokraten. Der Logik von Annalena. Die Russen und Putin aber, die verweigern sich dieser Logik und machen einfach weiter. Das ist Logik der Autokraten. Sie achten keine Gesetze. Nicht einmal die der Logik und die der Natur. Dafür die der Ökonomie.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (26. August 2023 um 10:37 Uhr)Sich selbst ins Knie schießen und dabei wundern, dass der Gegner nicht umfällt. Wie blöd muss man eigentlich (mindestens) sein, um in der BRD Außenhetzerin werden zu können?
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (26. August 2023 um 10:37 Uhr)Sahra Wagenknecht, eine intellektuell brillante Politikerin und Schülerin von Oskar Lafontaine, zeichnet sich durch eine bemerkenswerte ökonomische Fachkompetenz aus. Trotz dieser Stärken scheint es ihr gelegentlich an der notwendigen politischen Pragmatik zu mangeln. Obwohl sie in der Lage ist, komplexe Analysen anzustellen, besteht eine Herausforderung darin, dass ihre Botschaft von denen, für die sie bestimmt ist, nicht immer in vollem Umfang erfasst wird, während jene, die sie verstehen könnten, sich möglicherweise nicht ausreichend dafür interessieren. Dieser Umstand könnte möglicherweise der Grund sein, warum sowohl Oskar Lafontaine als auch Sahra Wagenknecht bedauerlicherweise vielleicht nicht die Gelegenheit bekommen oder bekommen haben, auf der großen politischen Bühne den ganz großen Durchbruch zu erzielen.
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