3 Monate jW-digital für 18 Euro
Gegründet 1947 Sa. / So., 03. / 4. Juni 2023, Nr. 127
Die junge Welt wird von 2709 GenossInnen herausgegeben
3 Monate jW-digital für 18 Euro 3 Monate jW-digital für 18 Euro
3 Monate jW-digital für 18 Euro
Aus: Ausgabe vom 27.05.2023, Seite 5 / Inland
Klinikschließungen

Scheingefechte bei Kahlschlag

Gesundheitsminister signalisiert Ländern Entgegenkommen bei geplanter Krankenhausreform. Kritiker warnen vor Täuschungsmanöver
Von Ralf Wurzbacher
5.jpg
Nach der Abstimmung zur »Pflegereform« am Freitag droht schon bald das Votum zu Lauterbachs Krankenhausreform

In dieser Woche schlagzeilte Bild: »Fast jede zweite Klinik vor dem Aus«, mit seiner umstrittenen Krankenhausreform bereite der Bundesgesundheitsminister den Kahlschlag in der Versorgungslandschaft vor. Das war eine schöne Vorlage für Karl Lauterbach (SPD). Er dementierte prompt die »Falschmeldung«, denn im Gegenteil erlaube es sein Konzept vielen Krankenhäusern, »die sonst aus dem Geschäft heraus gedrückt wurden, (…) noch zu überleben«. Dafür müssten diese »dann etwas mehr ambulante Leitung erbringen«, sagte er am Mittwoch im ARD-»Morgenmagazin«. So läuft die Debatte in die gewünschte Richtung. Dem Publikum tischt man Horrorszenarien auf, am Ende wird das Allerschlimmste verhindert – aber schlimm bleibt’s trotzdem.

Zumal nicht Lauterbach reformiert, sondern die damit betrauten Lobbyisten. Der Minister lagere die Krankenhausplanung an Unternehmensberater aus, teilte am Donnerstag das »Bündnis Klinikrettung« mit. Zwecks Ausgestaltung der geplanten Leistungsgruppen sowie Einteilung der Kliniken nach sogenannten Leveln habe dieser die Oberender AG und die Bin-Doc GmbH beauftragt. »Ein Vorstandsmitglied und eine Beirätin der Oberender AG sind beziehungsweise waren beruflich mit der Rhön-Klinikum AG verbunden«, berichteten die Aktivisten. Der Konzern, bei dem Lauterbach früher einmal im Aufsichtsrat saß, wäre einer der Hauptprofiteure eines verschärften Kliniksterbens. Oberender hatte in der Pandemiehochphase mit dem Gesundheitsökonomen Boris Augurzky eine Studie verfasst, in der empfohlen wurde, reihenweise Hospitäler dichtzumachen. Augurzky fungiert zugleich als »Experte« in der Regierungskommission, die die Kernpunkte für die Großreform entworfen hat. Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung des Ministers, eine »Entökonomisierung« des Systems anzustreben, »blanker Hohn«, befand das Bündnis.

Anfang der Woche hatte sich Lauterbach mit seinen Länderkollegen, den erklärten Gegnern der Regierungspläne, beim »Kamingespräch« beraten. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schrieb, habe sich dabei eine Kompromisslinie in der Frage der Versorgungsstufen abgezeichnet. Fast zwei Drittel aller Kliniken, 1.111 von 1.719, sollten demnach Grundversorger im sogenannten Level I werden und gut ein Viertel – 472 Häuser – der Regel- und Schwerpunktversorgung dienen. Das wären mehr Level-II-Standorte, als die Bundesländer und Krankenhausverbände befürchtet hatten. Darüber rangieren noch Maximalversorger wie Unikliniken (Level III), von denen es 136 geben soll. Kritiker sehen vor allem eine Vielzahl der Level-I-Einrichtungen als mögliche Abschusskandidaten. Die als Level I i klassifizierten Häuser wären in erster Linie Ambulanzen mit beschränkter stationärer Betreuung und sollen von Pflegekräften geleitet werden, wogegen die der I-n-Katagorie wenigsten eine Notfallversorgung, eine Intensiv-, eine Allgemeine Innere Medizin und eine Allgemeine Chirurgie vorhalten sollen.

Kaum beachtet wurde bisher die Gruppe Level F. Das sind überwiegend auf Profitmaximierung getrimmte spezialisierte Fachkliniken, wovon es bundesweit allein über 500 gibt. »Diese bleiben von der Reform komplett unberührt«, bemerkte am Freitag Carl Waßmuth vom Verein »Gemeingut in BürgerInnenhand« (GiB), der das »Bündnis Klinikrettung« trägt. »Man könnte diese Häuser ja irgendwie in die Grundversorgungstrukturen einbinden, aber das passt den Machern nicht in ihr neoliberales Weltbild.« Derweil soll Lauterbach den Ländern bei der Frage der Definition von Leistungsgruppen und der damit verbundenen Zertifizierung ebenfalls entgegenkommen wollen. »Auch orientieren sich die neuen Planungen an einem Konzept aus Nordrhein-Westfalen sowie an den vorhandenen Notfallstufen des Gemeinsamen Bundesausschusses«, hieß es bei der FAZ.

Waßmuth hält Lauterbachs Entgegenkommen indes für ein »Täuschungsmanöver, und die Länder machen es bereitwillig mit«. Die Landesgesundheitsminister wären sehr daran interessiert, Investitionsfördermittel für Krankenhäuser zu sparen. »Am Ende wollen sie alle das gleiche – Krankenhausschließungen.« Das »Bündnis Klinikrettung« hat eine Petition zum »Stopp der katastrophalen Reformpläne« gestartet, die an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses im Bundestag und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder gerichtet ist. Diese ist auf der Plattform Openpetition.de aufrufbar.

Onlineaktionsabo

Das Onlineaktionsabo der Tageszeitung junge Welt bietet alle Vorteile der gedruckten Ausgabe zum unschlagbaren Preis von 18 Euro für drei Monate. Das Abo endet automatisch, muss also nicht abbestellt werden. Jetzt Abo abschließen und gleich loslesen!