Knüppel für Klimaaktivisten
Von Raphaël Schmeller
Nach der Razzia gegen die »Letzte Generation« haben die Vereinten Nationen am Freitag morgen Alarm geschlagen: Klimaaktivisten müssten geschützt, nicht verfolgt werden – »und wir brauchen sie jetzt mehr denn je«, erklärte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, in New York. Nur wenige Stunden später im knapp 6.000 Kilometer entfernten Paris ließ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dann etwa hundert Klimaaktivisten niederknüppeln, die gegen den Energieriesen Total Energies demonstrierten.
Der Konzern hatte für Freitag zur Hauptversammlung geladen. Zum Auftakt entschuldigte sich Patrick Pouyanné bei den Aktionären für die »Umstände« des Treffens. »Eine Reihe von Organisationen hat angekündigt, die Versammlung stören zu wollen, und wir haben daher Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass sie unter den bestmöglichen Bedingungen stattfinden kann«, so der CEO. An die Demonstranten gerichtet sagte er: »Das Klima steht im Mittelpunkt unseres Handelns.«
Tatsächlich ist der Konzern aber an zahlreichen neuen Flüssigerdgas- und Erdölprojekten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Irak, in Papua-Neuguinea oder auch in Uganda beteiligt. Dort etwa lässt der Konzern seit Anfang des Jahres für einen zweistelligen Milliardenbetrag eine Ölleitung nach Tansania bauen. Mindestens 10.000 Menschen müssen für den Bau der längsten beheizten Pipeline der Welt vertrieben werden. Ab 2025 soll dann dank der East African Crude Oil Pipeline (EACOP) in der Nähe des Albertsees im Westen Ugandas gefördertes Öl durch Tansania bis zum Indischen Ozean gebracht und von dem tansanischen Hafen Tanga aus verschifft werden.
Die Mehrheit der Aktionäre scheint mit Pouyannés Kurs zufrieden: 88,76 Prozent der Anteilseigner stimmten am Nachmittag für die »Klimastrategie« des Konzernchefs. Der erklärte, diese sehe »mehr Investitionen in erneuerbare Energien und eine Verschärfung der Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen« vor. Der von einer Koalition »aktivistischer« Aktionäre eingebrachte Klimaresolutionsantrag, in dem der Konzern aufgefordert wurde, mehr für seine CO2-Bilanz zu tun, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, wurde dagegen abgelehnt. Konkret sieht Pouyannés »Klimastrategie« vor, dass bis 2030 erneuerbare Energien 15 Prozent des »Energiemixes« des Konzerns ausmachen sollen. Der CEO rechtfertigte die niedrige Zahl damit, dass »wir nicht einseitig die Nachfrage nach Öl senken können«.
Im vergangenen Jahr hatte Total Energies so viel Profit erwirtschaftet wie noch nie. Der Nettogewinn von 19,1 Milliarden Euro entsprach im Jahresvergleich einer Steigerung um 28 Prozent. In diesem Jahr scheint sich der Trend fortzusetzen. Laut jüngsten Zahlen haben die Energiemultis BP, Shell, Exxon Mobil Chevron und Total Energies zusammen im ersten Quartal 2023 bereits mehr als 40 Milliarden Euro Gewinne erzielt.
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