»Ich wäre die Erste aus Westsahara gewesen«
Interview: Carmela Negrete
Wie geschah es, dass Sie bei den Wahlen in der Region Madrid kandidieren wollten und das dann unterbunden wurde?
Ich habe lange in Alicante gelebt, aber seit sieben Jahren lebe und arbeite ich in Madrid. Im Dezember musste ich nach Málaga gehen, um meine leibliche Familie dort anzumelden, da sie derzeit kein Einkommen hat. Ich habe eine Bürgschaft unterschrieben, um sie anmelden zu können, aber es gab einen Verwaltungsfehler. Mir wurde gesagt, dass ich dort angemeldet wäre und dass ich mich deshalb nicht in Madrid zur Wahl stellen könnte. Am Ende konnte ich nachweisen, dass ich in Madrid lebe und arbeite, daher wurde mir das aktive Wahlrecht gewährt. Die Wahlkommission hat mir jedoch weiterhin die Möglichkeit verweigert, mich aufstellen zu lassen. Ich habe sogar den Weg zum Verfassungsgericht eingeschlagen, aber es hat gegen mich entschieden. Ich wäre die erste Person sahrauischer Herkunft gewesen, die bei spanischen Wahlen gewählt worden wäre. Ich war die elfte in der Liste, also wäre ich sicherlich gewählt worden. Das Gericht verwendet eine Argumentation, die nicht zu meinem Fall passt, als ob ich mich ad hoc in Madrid angemeldet hätte. Aber ich konnte nichts weiter dagegen tun.
Welche sind Ihre Anliegen in der Madrider Politik?
Ich bin Ingenieurin und interessiere mich für Wirtschaft, Beschäftigung und digitale Bildung. Ich arbeite im Bereich Big Data, und wir haben mehrere Vorschläge, wie zum Beispiel ein digitales Mindesteinkommen, um sicherzustellen, dass jeder Zugang zum Internet hat und die digitale Kluft bekämpft wird, auch mit Projekten für Kinder. Außerdem möchten wir grüne Industrieparks und eine Datenstelle für ganz Madrid schaffen, um Verbesserungen für die Stadt effektiver planen zu können, ähnlich wie es in Amsterdam der Fall ist, wo durch die Erfassung von Bürgerdaten Ungleichheiten besser bekämpft werden können.
Warum treten Más Madrid und Podemos nicht gemeinsam auf einer Wahlliste an?
Aus technischen Gründen, denke ich. Die Vorschläge ähneln sich, Más Madrid kümmert sich mehr um den Bereich öffentliche Gesundheit und Podemos um den Bereich Wohnen. Ich bin unabhängig, und diese Frage wird mir oft gestellt. Beide Parteien sind Teil der progressiven Linken. Sie unterscheiden sich jedoch in ihren Herangehensweisen. Es gibt eine Öffentlichkeit in Madrid, die gegenüber Podemos skeptisch ist, und Más Madrid würde viele Punkte verlieren, wenn sie zusammen antreten würden. Die Bürgerinnen und Bürger von Madrid sind empfänglicher für ein positiv ausgerichtetes Projekt, für Kampagnen, die einen Konsens der Mehrheit suchen. Dies sehe ich als Herausforderung der Politik.
Ist es einfach für eine Person aus der Westsahara, die spanische Staatsangehörigkeit zu erlangen?
Es ist fast unmöglich. Ich habe 20 Jahre lang mit spanischen Adoptiveltern gelebt und habe erst vor einem Jahr die Staatsbürgerschaft erhalten. Und jetzt, wo ich mich zur Wahl stellen wollte, wird mir das verweigert. Die Verwaltung stellt uns kalt. Es gibt Politiken, die unser Leben unmöglich machen. Als Staatenlose können wir nicht auf öffentliche Dienstleistungen, das Wahlrecht oder irgend etwas zugreifen.
Man hört so gut wie nichts in den Medien über den Krieg zwischen der Westsahara und Marokko.
Der Krieg wird zum Verschwinden gebracht, aber er ist auch von geringer Intensität. Ich fühle mich als Vertreter der Zivilbevölkerung in der Sahara, habe aber dort kein Amt innegehabt. Ich glaube, dass die gesamte Bevölkerung in der Sahara hinter der Polisario-Front steht.
Wie hat sich der Alltag dort seit Kriegsbeginn geändert?
Es ist natürlich viel komplizierter geworden. Die Pandemie und nun der Ukraine-Krieg haben große Auswirkungen gehabt. Die internationale Hilfe dort ist zusammengeschmolzen. Spanien selbst hat auch die Hilfen für die Westsahara gekürzt.
Gibt es einen Konsens innerhalb von Unidas Podemos hinsichtlich der Westsahara?
Unidas Podemos ist für mich die einzige Formation, die etwas für die Westsahara gemacht hat. Sich auch innerhalb der Regierung gegen den Koalitionspartner zu stellen hat einen hohen Wert. Natürlich wollen wir mehr, aber innerhalb des spanischen politischen Systems weiß ich das zu schätzen.
Tesh Sidi war Kandidatin der Bürgerplattform Más Madrid für die Lokalwahlen am Sonntag
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