Januskopf des Tages: Arno Dübel
Von Felix Bartels
Er wolle doch keinem den Job wegnehmen, hatte er mal einem empörten TV-Publikum erklärt. Arno Dübel – vom puritanischen Gesinnungsblatt Bild als »Deutschlands frechster Arbeitsloser« gelabelt und von den Erfolgsochsen des besseren Deutschland durch die TV-Shows getrieben – soll nach einem Bericht der Berliner Morgenpost im Alter von 67 Jahren verstorben sein. Eigenen Angaben zufolge hatte er seit 1976 nicht mehr gearbeitet.
Tatsächlich kam er seinen Kritikern gleichermaßen zur Unstund wie gerufen: gern genommene Karikatur bei der Diskreditierung des Prekariats, Leib gewordene Erinnerung, dass es eine Welt jenseits von »Schaffe, schaffe, Häusle baue« gibt. Objekt von Verachtung und Neid. Die Verachtung galt seiner Klasse, dem Fleiß ohne Glück, der Neid seiner Person, dem Glück ohne Fleiß.
Das Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft lautet: Fleiß führt zu Glück. Klingt nett, funktioniert aber nicht in einer Welt, in der auf jeden Sieger zwei Verlierer kommen. Im Kapitalismus gibt es immer Verlierer, offen ist bloß die Frage, wer es wird. Daher beruht die Überzeugung, dass jeder seines Glückes Schmied sei, auf einer peinlichen Illusion. Die man aber, weil noch Demokratie herrscht, nicht einfach entsorgen kann. Die Ideologie der Sieger muss der nicht siegenden Mehrheit als dem Gemeinwohl zuträglich vermittelt werden. Daher schlägt Liberalität in Illiberalität um. Aus dem Glauben, dass jeder seines Glückes Schmied sei, wird erst der Hohn gegen die, die es nicht geschafft haben, dann der Hass auf die, die es gar nicht mehr schaffen wollen. Schuld am Verlieren sind die Verlierer. Die Armut kommt von der Powerteh, spottete Fritz Reuter.
Der Spott ist die Währung der Verlierer. Arno Dübel war ein reicher Mann. Man sollte keine Straße nach ihm benennen, aber vielleicht eine Gasse.
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vom 25.05.2023