Schnüffeln bei Klebern
Von Henning von Stoltzenberg
Welche Gruppen offiziell als kriminelle Vereinigung gelten dürfen, das stellen nach den Gepflogenheiten in der Bundesrepublik ordentlich bestellte Gerichte in rechtskräftig gefällten Urteilen fest. »Das können wir schneller!« hat man sich offenbar bei der Generalstaatsanwaltschaft München gedacht. Sie ließ am Mittwoch die Internetseite der Klimaschutzaktionsgruppe »Letzte Generation« beschlagnahmen, Seitenbesucher wurden auf einen amtlichen Warnhinweis auf einem Webserver der bayerischen Polizei weitergeleitet.
»Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar!« wurde dort über mehrere Stunden behauptet und davor gewarnt, dass Spenden an die Gruppe »mithin ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung« darstellen würden. Die Behörde in München räumte schließlich auf NDR-Anfrage ein, einen Fehler gemacht zu haben. Es bestehe lediglich ein Anfangsverdacht. Der Warnhinweis wurde geändert und nennt nun keinen Grund für das Beschlagnahmen des Internetauftritts. Dieselbe Generalstaatsanwaltschaft veranlasste zudem bundesweite Razzien gegen die »Letzte Generation«. Durchsucht wurden am Mittwoch 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern.
Der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung werden demnach sieben Personen beschuldigt, die zwischen 22 und 38 Jahre alt seien. Zwei der Verdächtigen stehen den Ermittlern zufolge im Verdacht, im April 2022 versucht zu haben, die Ölpipeline Triest–Ingolstadt sabotiert zu haben. Im Zentrum dieses Ermittlungsverfahrens stehe allerdings eine Spendenkampagne, die mutmaßlich zur Finanzierung weiterer angeblicher Straftaten für die »Letzte Generation« dient. Bisher seien damit mindestens 1,4 Millionen Euro eingeworben worden. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Über die Höhe der beschlagnahmten Summe machte die Polizei keine Angaben. Darüber hinaus geht es den Ermittlern um sogenannte Strukturermittlung, wofür der Paragraph 129 StGB wie in vielen politisch motivierten Verfahren umfassend zum Einsatz kommt.
Seitens der Bundesregierung verteidigte die für »innere Sicherheit« und »jeden Extremismus« zuständige Ministerin Nancy Faeser (SPD) die Maßnahmen. Sie sprach am Mittwoch gegenüber der Funke-Mediengruppe davon, dass sich »der Rechtsstaat« nicht »auf der Nase herumtanzen lässt«. »Polizei und Justiz nehmen Straftaten nicht hin, sondern handeln – so wie es ihre Pflicht ist«, legte Faeser nach. Die Protestaktionen der Gruppe, deren Anhänger sich vor allem auf vielbefahrenen Straßen festkleben, delegitimierte die Ministerin. Die »rote Linie« zwischen Protest und Straftaten sei überschritten, suggerierte Faeser.
Sämtliche Aktivitäten seien öffentlich und transparent, argumentierte »Letzte Generation«-Sprecherin Aimée van Baalen während einer am Mittwoch einberufenen Pressekonferenz. Sie stellte die Frage in den Raum, ob jetzt alle Kleinspender als Teil einer kriminellen Vereinigung verfolgt würden. Die Klimapolitik der Bundesregierung bezeichnete van Baalen in Anlehnung an eine diffamierende Aussage von Kanzler Olaf Scholz (SPD) als »völlig bekloppt« und kündigte bundesweite Protestmärsche an, von denen die ersten bereits am Mittwoch nach jW-Redaktionsschluss stattfinden sollten. Trotz Durchsuchungen, gesperrter Internetseiten, Twitterkanäle und Bankkonten will die Gruppe ihre Blockadeaktionen und Protestmärsche fortsetzen.
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Aktivisten der »Letzten Generation« haben Mut, haben legitimes Ziel, verfolgen Ziele, die nicht besser Menschen- und Lebensrechten entsprechen könnten. Dennoch wäre nachdenkenswert, welche Formen des Protestes nicht weniger aufrüttelnd, wirksam sein könnten, ohne Bevölkerungsteile gegen sich instrumentalisieren zu lassen. Um die Ziele muss es gehen, um das Verstehen was letzte Generation bedeutet, was Raubbau an Natur und Umwelt uns immer sichtbarer bringt. Den Herrschenden ihre Interessen vor Augen führen, darum muss es gehen.
Dann findet Protest auch breite Zustimmung unter der Bevölkerung. Sich politisch klar zu positionieren, darum geht es. Den »Grünen Umweltkämpfern« ihre Heuchelei vor Augen führen, das kann gerade Punkte bringen. Wem fällt eigentlich mal ein, diese grüne Antiumwelt- und Kriegspartei als kriminelle Vereinigung zu sehen, ihren Verrat an den eignen Grundsätzen beim Namen zu nennen? Das kann schnell Verbündete und Mitkämpfer schaffen.