Viel Streit um wenig
Von Gudrun Giese
An diesem Freitag soll der Bundestag über die sogenannte Pflegereform abstimmen. Derweil herrscht immer noch Streit zwischen den Koalitionsparteien SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen über die Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Umgestaltung der Pflegefinanzierung. Einen Punkt konnten sie nun aber offenbar abräumen: So sei auf Drängen der FDP die Einführung eines flexibel nutzbaren Budgets für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege zunächst aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden, meldete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Dienstag. Grüne sowie Pflege- und Sozialverbände hatten das heftig kritisiert. Nun soll dieses Budget flexibel zu nutzender Leistungen für Kurzzeit- und Verhinderungspflege wieder in den Gesetzentwurf aufgenommen worden sein. Um die dafür veranschlagten Kosten in Höhe von etwa 500 Millionen Euro pro Jahr zu finanzieren, werden laut RND die Leistungen für die ambulante Pflege ab Januar 2024 nur um 4,5 Prozent erhöht, nicht um fünf Prozent.
Für die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege sollen nun insgesamt 3.386 Euro zur Verfügung stehen, die die für die Pflege Zuständigen wahlweise für beide Leistungen einsetzen können. Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, äußerte sich zwar lobend zur flexiblen Ausgestaltung des Budgets, kritisierte aber die Gegenfinanzierung durch Kürzung bei der ambulanten Pflege. Schon die Anhebung der Leistung um fünf Prozent ab dem kommenden Jahr hätte nicht dem gegebenen politischen Versprechen entsprochen, ab 2022 die Leistungen stets an die Preissteigerung anzupassen. »Selbst wenn jetzt das gemeinsame Entlastungsbudget für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege kommen soll, dürfen andere Minimalzusagen der Koalition dafür nicht geopfert werden«, so Brysch. Er appellierte »an die Vernunft der Abgeordneten, diese Reform so nicht zu beschließen«.
Bei einer Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages am 10. Mai hatte es erhebliche Kritik am geplanten Gesetz gegeben. Sowohl die Anhebung des Pflegegeldes als auch der ambulanten Sachleistungen fielen zu gering aus. Außerdem fehle es an einer dynamischen Preisanpassung der Leistungen. Nötig wäre eine grundlegende Systemreform, um die Pflege nachhaltig zu finanzieren. Verabschiedet wird das Gesetz am Freitag vermutlich trotzdem – schließlich sollen zum 1. Juli die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen, damit die minimalen Verbesserungen in der Pflege ab 2024 bezahlt werden können.
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