Kiew weiß von nichts
Von Reinhard Lauterbach
Die russische Armee hat nach eigenen Angaben die in die Grenzregion Belgorod eingedrungenen Kämpfer zurückgedrängt und »eliminiert«. Die nationalistischen Gruppierungen seien bei einem »Antiterroreinsatz« mit Luftangriffen und Artilleriefeuer »aufgehalten und zerstört« worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag. 70 »ukrainische Terroristen« seien demnach getötet worden. Am Montag hatte eine Einheit sogenannter russischer Freiwilliger das Dorf Kozinka im Gebiet Belgorod nahe der ukrainischen Grenze besetzt. Die Aktion wurde von seiten der Ukraine mit Artilleriefeuer und durch die Stellung von Panzern und schwerem Gerät unterstützt. Bewohner von neun Ortschaften rund um die Kreisstadt Grajworon wurden von den Behörden evakuiert.
Nach ukrainischen Angaben waren an dem Angriff zwei Gruppen russischer Staatsbürger beteiligt, die auf seiten der Ukraine kämpfen: das »Russische Freiwilligenkorps« und die »Russische Legion«. Die erste Gruppe setzt sich nach Medienangaben im wesentlichen aus russischen Faschisten und Anhängern der »White Supremacy«-Bewegung zusammen, die andere soll aus Monarchisten und Großmachtchauvinisten bestehen. Die ukrainische Regierung erklärte, nicht in die Planung und Durchführung des Angriffs involviert zu sein.
Am Montag hatte es aus Moskau noch geheißen, es handle sich um eine PR-Aktion mit dem Ziel, das ukrainische Publikum vom Verlust der Kontrolle über die Stadt Bachmut abzulenken. Am Dienstag sah Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow das anders und betonte, der Vorfall zeige, wie wohlbegründet die russische »Spezialoperation« gegen die Ukraine sei, sie werde von russischer Seite »unter größeren Anstrengungen« fortgesetzt.
Zu einem spektakulären ukrainischen Angriff kam es auch auf der Krim. Hier wurde auf dem Bahnhof der Stadt Dschankoj im Norden der Halbinsel am Montag offenbar ein Munitionszug getroffen, der Marschflugkörper des Typs »Kalibr« geladen hatte. Diese Geschosse werden von Schiffen der russischen Schwarzmeerflotte regelmäßig auf Ziele in der Ukraine abgefeuert.
In der deutschen Öffentlichkeit wurde derweil die Diskussion um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine hektischer. Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, die BRD könne zwar keine US-Kampfflugzeuge des Typs F-16 liefern, weil sie keine besitze. Doch sie könne die Ausbildung ukrainischer Piloten an ihnen »finanziell und logistisch« unterstützen. Damit solle »Geschlossenheit der EU« in der Ukraine-Frage demonstriert werden. Diese Geschlossenheit hatte zuletzt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban immer wieder untergraben. Er sagte der Agentur Bloomberg, die Ukraine könne diesen Krieg ebensowenig gewinnen wie Russland. Daher sei es Zeit, das Blutvergießen zu beenden.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte ergänzend, die Bundeswehr solle der Ukraine Marschflugkörper des Typs »Taurus« liefern. Dieses System mit einer Reichweite von 500 Kilometern könne der Ukraine sicherlich nützlich sein, sagte Kiesewetter den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Von den 600 Exemplaren, die Anfang dieses Jahrhunderts von der Bundeswehr beschafft worden seien, seien heute noch 150 funktionsfähig. In der Ukraine wären sie nach seiner Meinung nützlicher, als wenn sie in deutschen Depots ihrem Ende entgegenrosteten. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich zu Kiesewetters Vorschlag zurückhaltend. Er wolle nicht auf eine hypothetische Frage eine hypothetische Antwort geben, sagte der Minister.
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Die Bildunterschrift trifft nicht zu: Diese Burschen angeblich aus Russland stehen keineswegs »im Dienst der Ukraine«, sie stehen im Dienst des westlichen Imperialismus. Und der wird sie »verheizen«. Sie wissen es nur noch nicht.