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Aus: Ausgabe vom 23.05.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Asien-Pazifik-Region

Unterm Sternenbanner

Papua-Neuguinea schließt umfangreiches Militärabkommen mit USA. Premier Marape will trotzdem Tür nach China offenhalten, Unmut in Bevölkerung
Von Jörg Kronauer
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US-Armee trainiert mit Soldaten Papua-Neuguineas während des Manövers »Tamiok Strike 2022« in Port Moresby

Der Aufmarsch der US-Streitkräfte gegen China erfasst den nächsten Staat in der Asien-Pazifik-Region. Washington verstärkt nicht nur seine Militärpräsenz auf der ersten Inselkette vor der chinesischen Küste, indem es seine Truppenstruktur in Japan optimiert, die Zahl seiner Militärberater auf Taiwan vervielfacht und zusätzliche Stützpunkte auf den Philippinen errichtet. Es baut nicht nur seine Militärbasen auf diversen kleinen Pazifikinseln aus, die, je nach geografischer Lage, als Logistikstützpunkte oder als Startpunkte für Luftangriffe auf die Volksrepublik dienen können; es setzt sich nicht nur mit stärkeren Truppen und mit neuen Angriffswaffen in Australien als einer rückwärtigen Operationsbasis in einem etwaigen Krieg gegen China fest. Nun kommt noch ein zusätzlicher Baustein hinzu: Die Vereinigten Staaten haben am Montag ein neues Militärabkommen mit Papua-Neuguinea geschlossen. Dem Land nördlich von Australien steht damit ebenfalls eine stetige US-Truppenpräsenz bevor.

Gänzlich neu ist die US-Militärkooperation mit Papua-Neuguinea nicht. Die Vereinigten Staaten sind schon seit einiger Zeit dabei, ihre Beziehungen zu den Streitkräften des Landes zu intensivieren. Bereits 2016 gingen sie dazu über, traditionelle gemeinsame Manöver um spezielle Ausbildungsprogramme für Papua-Neuguineas Streitkräfte zu erweitern. Im April vergangenen Jahres kam dann der Abschluss eines Abkommens zur Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet ins Gespräch. Noch zu Jahresbeginn urteilte Außenminister Justin Tkachenko optimistisch, Papua-Neuguinea werde sich seine strategisch wichtige Lage im Westpazifik zunutze machen können, um von den USA, die im Machtkampf gegen Beijing auf asiatisch-pazifische Kooperationspartner angewiesen seien, attraktive Gegenleistungen für seine Bereitschaft zur Militärkooperation einzufordern. Man werde vermutlich mehr gemeinsame Kriegsübungen realisieren, doch eine dauerhafte US-Truppenpräsenz im Land sei nicht zu befürchten, gab sich Tkachenko gewiss.

Das erweist sich nun als falsch. Das Abkommen zur Militärkooperation, das US-Außenminister Antony Blinken und Premierminister James Marape am Montag in der Hauptstadt Port Moresby unterzeichneten, sieht nicht nur US-Unterstützung für Ausrüstung und Training von Papua-Neuguineas Streitkräften vor. Das Land werde, räumte Marape nun ein, in den kommenden zehn Jahren eine anschwellende US-Militärpräsenz verzeichnen. Darüber hinaus sieht ein zweites Abkommen zwischen den beiden Staaten vor, dass die US Coast Guard Papua-Neuguinea bei der Überwachung seiner Hoheitsgewässer unterstützt. Faktisch eignen sich die Vereinigten Staaten damit Kontrollfunktionen in ausgedehnten Gewässern im Westpazifik an. Bereits am Sonntag hatte das US-Außenministerium aus Anlass von Blinkens Ankunft in Port Moresby mitgeteilt, man werde künftig auch einen »strategischen Dialog« im sogenannten Zwei-plus-Zwei-Format führen. Damit sind regelmäßige Absprachen zwischen den Außen- und Verteidigungsministerien beider Seiten gemeint.

Papua-Neuguinea hat bislang nicht nur mit den USA und Australien, sondern auch mit China kooperiert. Die Volksrepublik hat dort, wie auch andernorts, vor allem wichtige Infrastruktur gebaut – Straßen, Flughäfen, digitale Infrastruktur. Marape streitet seit Tagen öffentlich ab, das Militärabkommen mit den Vereinigten Staaten werde seine Regierung einseitig einschränken und die bislang so nützliche Zusammenarbeit mit China torpedieren. Zweifel an seinen Äußerungen sind angebracht. Das neue Abkommen »signalisiert dem Rest des Pazifiks, dass seine größte Nation den Westen – Australien und die USA – als Sicherheitspartner gewählt hat«, hielt am Wochenende Maholopa Laveil vom Lowy Institute, einem einflussreichen Thinktank in Sydney, im Gespräch mit CNN fest. Und in der Tat: Schon in Kürze will Papua-Neuguinea ein weiteres Militärabkommen schließen – mit Australien.

Widerspruchslos geht der Abschluss des Abkommens allerdings nicht vonstatten. Beobachter warnen, es treibe einen Keil in die pazifische Inselwelt. Patrick Kaiku von der University of Papua New Guinea etwa wies am Wochenende auf die im Pazifik verbreitete Überzeugung hin, es sei ratsam, sich in »geopolitischen Rivalitäten« nicht auf eine Seite zu schlagen: Wenn einzelne Staaten sich nicht an diesen Grundsatz hielten, erläuterte Kaiku, »kann das ein Problem für die regionale Solidarität schaffen«. Auch in Papua-Neuguinea selbst stößt das Abkommen auf Unmut. Oppositionspolitiker warnen davor, die bedeutenden Beziehungen zu China zu beschädigen; von mehreren Universitäten des Landes werden Proteste gemeldet. Befeuert wird der Unmut bereits seit Tagen dadurch, dass über die Inhalte des Abkommens während der Verhandlungen kaum etwas bekannt wurde. Lediglich einige Leaks sorgten dafür, dass die Bevölkerung einen gewissen Einblick bekam, und noch immer wurden nicht alle Details öffentlich gemacht.

Um Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen – das Abkommen muss vom Parlament abgesegnet werden und etwaige justitielle Einsprüche überstehen –, hatte ursprünglich US-Präsident Joseph Biden seine Anwesenheit bei der Unterzeichnung zugesagt. Der erste Besuch eines US-Präsidenten in Port Moresby überhaupt: Das wollte Premierminister Marape pompös feiern; dazu hatte er den 22. Mai zum nationalen Feiertag erklärt. Biden hat nun aber Wichtigeres zu tun: Er muss mit den US-Republikanern über die Schuldengrenze verhandeln und hat daher kurzfristig abgesagt. Blinken gibt den Ersatzmann. Natürlich hat Bidens Absage für Enttäuschung gesorgt – und nicht nur das: Sie hat einmal mehr in Erinnerung gerufen, dass Washington international nicht mehr als ein wirklich verlässlicher Schutzpatron gilt. Andere Länder, die arabischen Golfstaaten etwa, treibt diese Erkenntnis mittlerweile zu einer intensiveren Kooperation mit China. Papua-Neuguinea geht den umgekehrten Weg.

Hintergrund:: Indien und der Quad-Pakt

In der öffentlichen Wahrnehmung stand es eindeutig im Schatten der Unterzeichnung des US-Militärabkommens mit Papua-Neuguinea: das inzwischen bereits dritte Forum for India-Pacific Islands Cooperation (FIPIC), zu dem Indiens Premierminister Narendra Modi in Port Moresby eingetroffen war. An dem Forum nahmen am Montag Delegierte aus Indien und aus 14 pazifischen Inselstaaten teil. Aus Sicht Letzterer ging es darum, weitere Investoren zu gewinnen; aus indischer Sicht wiederum stand der Ausbau der Beziehungen zu neuen Absatzmärkten und Investitionsstandorten auf dem Programm. Man tut gut daran, indische Konzerne nicht zu unterschätzen: Auf dem afrikanischen Kontinent beispielsweise haben sie mittlerweile mehr investiert und ein größeres Handelsvolumen erreicht als die deutsche Konkurrenz.

Indien nutzt bei seinen Pazifik-Aktivitäten ein bestimmtes Element seiner internationalen Kooperationsstrukturen: den Quad-Pakt, in dem es mit den USA, Australien und Japan kooperiert. Der Quad-Pakt richtet sich klar gegen China. Neu-Delhi, das sich als asiatischen Rivalen Beijings begreift, teilt seine Orientierung im Kern. Wie Modi in Port Moresby berichtete, haben die Quad-Staaten am Rande des G7-Gipfels in Hiroshima beschlossen, die Kooperation mit den pazifischen Inselstaaten zu intensivieren, um China dort das Wasser abzugraben. Indische Unternehmen profitieren davon.

Heißt das, dass es dem Westen nun so langsam doch gelingt, Indien im großen globalen Mächtekampf gegen Russland und China auf seine Seite zu ziehen? Nein. Indien kooperiert mit anderen Staaten strikt nach seinen eigenen Interessen. Es hält aber zugleich, wie Außenminister Subrahmanyam Jaishankar kürzlich formulierte, an der Überzeugung fest, eine künftige multipolare Weltordnung sei auf ein multipolares Asien angewiesen – sprich: auf eines, in dem auch China ein bedeutender Machtfaktor ist. (jk)

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