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Aus: Ausgabe vom 17.05.2023, Seite 7 / Ausland
Lateinamerikanische Linke

Rote Karte für Boluarte

Mexikos Präsident will Vorsitz von regionaler Union nicht an peruanische Putschistin abgeben
Von Volker Hermsdorf
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»Mörderin Dina raus – du repräsentierst mich nicht!« – Protest gegen Putschpräsidentin Boluarte in Lima (31.1.2023)

Anders als in der EU werden aus einem Putsch hervorgegangene Regierungen in Lateinamerika nicht hofiert, sondern in regionalen Bündnissen isoliert. So bekräftigte Mexikos Präsident An­drés Manuel López Obrador am Montag (Ortszeit), dass er den Vorsitz der Pazifik-Allianz nicht an Perus Putschpräsidentin Dina Boluarte übergeben werde. Boluarte könne die Präsidentschaft nicht übernehmen, weil sie »nicht die legale und legitime Präsidentin von Peru ist«, sagte er. Chile und Kolumbien, die beiden anderen Gründungsmitglieder der lateinamerikanischen Freihandelszone, unterstützten die Entscheidung, meldete am gleichen Tag die mexikanische Tageszeitung Milenio.

Die mit der »Erklärung von Lima« am 28. April 2011 durch die Präsidenten von Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru ins Leben gerufenen Pazifik-Allianz sieht eine jedes Jahr in alphabetischer Folge rotierende Präsidentschaft vor. Er werde den Vorsitz aber nur an denjenigen übergeben, »der in einer demokratischen Wahl gewonnen hat, nämlich Pedro Castillo«, erklärte López Obrador in seiner Morgenkonferenz. Boluarte habe das Amt illegal »an sich gerissen« und regiere jetzt ein Land, in dem »Rassismus und Klassismus herrschen«. López Obrador forderte Lima auf, das nach dem Putsch vom 7. Dezember 2022 verhaftete ehemalige Staatsoberhaupt umgehend freizulassen. Castillo sei »zu Unrecht inhaftiert«, weil er »ein bescheidener Mensch aus dem Hochland« sei, der sich nicht »der Oligarchie Perus und dem Ausland zur Verfügung gestellt hat, um das Land zu plündern«, während das Putschistenregime von der Oligarchie, von ausländischen Interessen und mächtigen Medien unterstützt werde. Boluarte solle Castillo, der in freien Wahlen legitimiert sei, das Präsidentenamt wieder überlassen.

Die peruanische Regierung verlangte daraufhin in einer Protestnote an die Außenministerien Mexikos, Kolumbiens und Chiles die »unverzügliche« Übergabe des Vorsitzes der Pazifik-Allianz und warnte López Obrador, dass Mexiko andernfalls »international zur Verantwortung gezogen« werde. Lima beruft sich auf den völkerrechtlichen Grundsatz »Pacta sunt servanda«, nach dem »jeder gültige Vertrag für die Parteien verbindlich ist und von ihnen nach Treu und Glauben erfüllt werden muss«. Die »voreingenommene Sichtweise« der anderen Mitglieder der Pazifik-Allianz stimme nicht mit der Anerkennung Boluartes durch »die gesamte internationale Gemeinschaft« überein, behauptete De-facto-Außenministerin Ana Cecilia Gervasi. Boluarte warf den gewählten Amtskollegen ihrerseits vor, einen Diktator zu verteidigen und ebenfalls eine Diktatur anzustreben. Es gebe eine unzulässige »Einmischung aus dem Ausland«, erklärte sie unter Verweis auf die Äußerungen López Obradors und seiner Amtskollegen Gustavo Petro aus Kolumbien und Gabriel Boric aus Chile. »Wenn Linke einen Putschisten und Diktator verteidigen, wollen Sie dann – auch wenn sie vom Volk demokratisch gewählt wurden – selbst zum Diktator werden und mit Ihren Botschaften jemanden verteidigen, gegen den wegen Korruption ermittelt wird?« fragte Boluarte »diese linken Führer«, die sie bemitleide.

Mit derartigen Verschwörungsmythen will das Regime offenbar davon ablenken, dass Boluarte im eigenen Land knapp sechs Monate nach dem Putsch mit dem Rücken an der Wand steht. Laut einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos wird die De-facto-Präsidentin von 75 Prozent der Befragten abgelehnt, nur 16 Prozent unterstützen die von ihr geführte Regierung. Während die Präsidentin in den wohlhabenderen Schichten der Bevölkerung mit durchschnittlich 33 Prozent die höchste Zustimmung verzeichnet, kommt sie in den ärmeren Bevölkerungsteilen gerade einmal auf elf Prozent. In den zentralen und südlichen Regionen des Landes, wo Militär und Polizei die Proteste nach dem Putsch gegen Pedro Castillo besonders brutal unterdrückten, liegt die Zustimmung zur derzeitigen Regierung laut der aktuellen Ipsos-Umfrage insgesamt zwischen neun und 13 Prozent.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer D. aus 36456 Barchfeld/ Werra , Liebensteiner Str. 114 (Tel.:036961/ 44340) (17. Mai 2023 um 16:23 Uhr)
    Der mexikanische Präsident Lopez Obrador beweist eine hohe Moral mit dieser Entscheidung. Bemerkenswert ist auch die Unterstützung, die er dafür von den Gründungsländern der Pazifik-Allianz, Chile und Kolumbien, erhält. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein nun schon historisches Ereignis in Venezuela: US-hörige Militärs dieses Landes hatten im Jahre 2002 in einem Putsch den zu Recht in breiten Kreisen des Volkes beliebten Präsidenten Hugo Chavez für abgesetzt erklärt. Regierungstreue Einheiten konnten die Putscheinheiten besiegen, der gewählte Präsident Hugo Chavez sein Amt fortführen. In der kurzen Zeitspanne seiner Absetzung hatten mehrere EU-Staaten den zum Präsidenten ernannten Putschanführer bereits gratuliert und anerkannt! Auch der damals amtierende Bundeskanzler der BRD hatte Gratulation und Anerkennung telegrafiert. Allen voran natürlich der Präsident der USA, Bush jun. Weitere solcher Hofierungen im südamerikanischen Raum könnten hier genannt werden. Auch diese Doppelmoral hat eine lange Geschichte und scheint Teil einer verwerflichen Strategie und Taktik zu sein.

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