Annäherung an Damaskus
Von Wiebke Diehl
Laut dem in den USA ansässigen Nachrichtenportal Al-Monitor ist der Oberkommandierende der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK), Mazlum Abdi, in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gereist, um Abu Dhabi um Vermittlung mit Damaskus zu bitten. Dort soll ein – von den VAE allerdings bestrittenes – Treffen mit Tahnun bin Zajid Al-Nahjan, dem nationalen Sicherheitsberater der VAE, stattgefunden haben.
Die Annäherungsversuche der Autonomen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) an Damaskus erfolgen vor dem Hintergrund der neuen Kooperationspolitik zwischen den jahrzehntelangen Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien, aber auch zwischen der Mehrheit der Staaten der Region und Syrien. Sie sind zudem Ausdruck der Sorge von AANES und SDK, sich auf den Schutz der etwa 900 mit ihrer Duldung in Nordostsyrien stationierten US-Besatzungssoldaten nicht verlassen zu können. Auch fürchten sie sich vor einer möglichen Normalisierung zwischen Ankara und Damaskus, für die Präsident Baschar Al-Assad allerdings ein Ende der türkischen Besatzung von Teilen Syriens zur Bedingung gemacht hat. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan betrachtet insbesondere die türkischen und diejenigen syrischen Kurden, die sich der AANES verbunden fühlen, als Feinde. Die Selbstverwaltung lehnt verständlicherweise die von Ankara forcierte, auf eine Änderung demographischer Verhältnisse zielende Ansiedlung arabischer Syrer im Nordosten ab. Allerdings wird der AANES und den SDK vorgeworfen, ihrerseits geflüchtete arabische Familien an einer Rückkehr in den multiethnischen und multireligiösen Nordosten gehindert zu haben.
Die seit Jahren stattfindenden Verhandlungen zwischen der AANES und Damaskus werden von der Kooperation der SDK mit den US-Besatzungstruppen überschattet. Im April sollen sie eingestellt worden sein. Die USA stehlen wöchentlich Hunderte Tankwagen syrisches Öl und tonnenweise syrischen Weizen – unter den Augen der SDK. Die syrische Armee kam zwar der AANES sowohl im Dezember 2018 als auch im Oktober 2019 gegen türkische Angriffe zu Hilfe. Beide Male haben die Damaskus um Beistand Bittenden aber letztlich das »Bündnis« mit Washington der ausgestreckten Hand der syrischen Regierung vorgezogen. Sie hatte ihre Truppen 2012 aus dem Norden Syriens abgezogen, weil sie diese in anderen Teilen des Landes im Kampf gegen von westlichen Industriestaaten, den Golfstaaten und der Türkei trainierte und ausgerüstete Terrorbanden konzentrieren musste. Auch um kurdische Kämpfer davon abzuhalten, sich radikalen Gruppen anzuschließen, entließ sie damals zahlreiche Kader der Partei der Demokratischen Union (PYD) aus dem Gefängnis und überließ den kurdischen Sicherheitskräften Waffen und Material.
Den Anspruch auf sein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Souveränität und territoriale Integrität hat Damaskus aber nie aufgegeben. Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg von Verhandlungen wird sein, ob AANES und SDK Damaskus Misstrauen gegenüber ihrer Versicherung, für eben diese einzustehen, nachhaltig aus dem Weg räumen können. Ein Bruch mit Washington, das im Kampf gegen den unter US-Besatzung im Irak erst entstandenen »Islamischen Staat« kurdische Kämpfer als Kanonenfutter missbraucht hat, um Opfer unter den eigenen Soldaten zu minimieren und Kontrolle über die syrischen Ölfelder zu erlangen, wäre dafür unabdingbare Voraussetzung. Allerdings hat Abdi die SDK noch im Dezember als treue Verbündete der USA bezeichnet.
Hinweis: Die ursprüngliche Fassung dieses Beitrags enthielt Passagen, die inhaltlich ohne Rücksprache mit der Autorin verändert wurden. Wir bitten dafür um Entschuldigung. (jW)
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