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Aus: Ausgabe vom 10.05.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Umweltzerstörung

Abholzung im Cerrado

Entwaldung in zentralbrasilianischer Region hat in den ersten Monaten der neuen Amtszeit von Präsident Lula da Silva deutlich zugenommen
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
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Die Entwaldung in der Region legte von Januar bis April um 17 Prozent zu

»Null Abholzung« versprach der neu gewählte brasilianische Präsident Lula da Silva in seinem Wahlkampf. Nun, im fünften Regierungsmonat, meldete das für die Waldüberwachung per Satellit verantwortliche nationale Weltraumforschungsinstitut (INPE) eine Rekordabholzung in der Cerrado-Region. Demnach legte die Entwaldung von Januar bis April 2023 im Vorjahresvergleich um 17 Prozent zu. Das bedeutet die höchste Abholzungsrate der vergangenen fünf Jahre.

Insgesamt fielen 2.133 Quadratkilometer zentralbrasilianische Savanne den Kettensägen und Bulldozern zum Opfer, mehrheitlich zur Ausweitung des Agrobusiness und Sojabohnenanbaus. Etwa 80 Prozent der beobachteten Waldvernichtung fand in der von den Bundesstaaten Maranhão, Tocantins, Piauí und Bahia gebildeten neueren Agrarfrontregion Matopiba statt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Brasiliens Cerrado insgesamt bereits mehr als die Hälfte seiner ursprünglichen Waldfläche von rund zwei Millionen Quadratkilometern verloren hat.

Illegale Rodungen

Die »gute« Nachricht ist, dass die Abholzung laut INPE-Daten im gesamten Amazonasgebiet gegenüber den ersten vier Monaten des Vorjahres um 38 Prozent zurückging. »Lediglich« rund 1.132 Quadratkilometer Regenwald wurden vernichtet. Doch auch diese Abholzungsrate ist noch weit entfernt vom »Nullentwaldungsziel«. Das zur Datenerhebung in Echtzeit genutzte Überwachungssystem Deter hat eine Genauigkeit von etwa 88 Prozent. Noch genauere Daten liefert lediglich das gleichfalls vom INPE eingesetzte Satellitenbeobachtungssystem Prodes, das die jährliche Waldvernichtung mit einer Präzision von 95 Prozent im nachhinein ermittelt.

Die Aprilzahlen zum Amazonasgebiet seien ein positives Zeichen, doch könne noch nicht von einem »rückläufigen Trend bei der Entwaldung im Amazonasgebiet« gesprochen werden, kommentierte die wissenschaftliche Leiterin des WWF Brasilien, Mariana Napolitano, in einer Pressemitteilung am Freitag. Obwohl die für die Entwaldung günstige Trockenzeit noch nicht begonnen habe, seien die Zahlen »auf einem sehr hohen Niveau«.

Auch Amazonasforscher Philip M. Fearnside sieht Brasilien noch weit entfernt von einem Nullabholzungsziel. Ein Hindernis sei die weitergehende faktische Straffreiheit für illegale Rodung, sagte der leitende Wissenschaftler des Nationalen Amazonasforschungsinstituts (INPA) in einem vom Instituto Humanitas Unisinos veröffentlichten Interview Mitte April. Dies werde durch die Fortsetzung der sehr hohen Entwaldungsraten im ersten Quartal der Lula-Regierung widergespiegelt. Die Situation werde sich erst mit härteren Strafen ändern.

Neue Staudämme

Die Haltung des Präsidenten zum Wiederherstellungs- und Asphaltierungsprojekt der Bundesstraße BR-319 von Manaus nach Porto Velho, die ein Kerngebiet des Amazonasregenwaldes durchschneidet, sei besorgniserregend. Die Straße würde den »Bogen der Entwaldung« im Süden Amazoniens mit noch intakter Regenwaldfläche verbinden und diese gefährden. Auch der amtierende Verkehrsminister stehe hinter dem Straßenbauprojekt. Zudem unterstütze Lula weitgehend den Bau neuer großer Staudämme zur Wasserkraftnutzung wie Belo Monte, die im Amazonasbecken bereits zu katastrophalen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führten. Der Präsident habe während des Wahlkampfes erklärt, Fischer am Fluss Madeira, die mit den Staudämmen Santo Antônio und Jirau ihre Lebensgrundlage verloren, könnten nun doch Fischzuchtanlagen betreiben, erklärte Fearnside. Die Lula-Regierung müsse Pläne für neue Amazonasstaudämme aufgeben, einschließlich dreier von Energieriese Eletrobras vorgesehener Wasserkraftwerke.

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