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Aus: Ausgabe vom 09.05.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Erinnerung auslöschen

Ein Fähnchen im Wind

Ukraine bis Maidan-Putsch solidarisch mit Kuba verbunden. Kiew folgt nun Washington
Von Volker Hermsdorf
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Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma (M.) und Fidel Castro mit ukrainischen Kindern, die nach der Katastrophe in Tschernobyl zur Behandlung in Kuba waren (Havanna, 16.6.2000)

Das Fördern oder Auslöschen positiver Erinnerungen an Personen und Ereignisse sagt oft mehr über den Zustand eines Landes aus als Erklärungen der jeweiligen Führung. Ein Beispiel dafür ist eine Reportage des russischen Nachrichtenportals Sputnik vom 27. März über das kubanische Hilfsprogramm, das – so die Überschrift – »den Opfern von Tschernobyl wieder Hoffnung gab«. Auch andere russische Medien würdigen regelmäßig die Unterstützung. Und als die Präsidenten Wladimir Putin und Miguel Díaz-Canel im November vergangenen Jahres auf einem nach Fidel Castro benannten Platz im Moskauer Stadtteil Sokol ein Denkmal für den Revolutionsführer einweihten, bezeichnete der Gastgeber ihn als »eine wirklich legendäre Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts«. Regierung und Medien der heutigen Ukraine versuchen dagegen, die Erinnerung an Kubas Hilfe für die Kinder von Tschernobyl auszulöschen. Castro ist für sie ein Feind, das sozialistische Kuba ein Gegner, den man an der Seite Washingtons bekämpft.

Das war bis zum Maidan-Putsch im Jahr 2014 noch anders. »Während viele andere Länder, reiche Länder, ihr Mitgefühl betont haben, hat Kuba uns seine Solidarität gezeigt und dabei geholfen, das Leben von Tausenden ukrainischen Kindern zu retten«, erklärte der damalige Präsident Leonid Kutschma, nachdem er die Insel und das Kinderlager für Strahlenopfer in Tarará im Jahr 2000 besucht hatte. Auf der Grundlage eines Abkommens zwischen den Gesundheitsministerien beider Länder war Kubas Gesundheitssystem für Patienten aus der Ukraine kostenlos. Der Internationale Tschernobyl-Fonds, eine ukrainische Nichtregierungsorganisation, schätzte, dass das kubanische Engagement die Insel allein 350 Millionen US-Dollar für Medikamente gekostet hat. Die Ukraine bezahlte den Transport der Kranken. Deren Familien war die Bedeutung der Hilfe bewusst. »Zu Hause hätte die Behandlung meines Sohnes 80.000 Euro gekostet«, erklärte Natalia Kisilowa 2009 gegenüber Sputnik. Ihr 15jähriger Sohn Michail war mit fehlender Ohrmuschel und ohne Gehörgang zur Welt gekommen. In der Ukraine wurde Michail untersucht und diagnostiziert und kam dann nach Tarará, wo Ärzte sofort mit den Operationen begannen. Obwohl es keine Gesamtbilanz über den Umfang aller Leistungen gebe, hätten die Menschen in Kuba mehr für die Ukraine getan als die jedes anderen Landes, resümierte Castro einst. Das sei »vor allem ein Akt der Solidarität« gewesen. »Wir haben gegeben, was wir hatten, ohne etwas dafür zu verlangen.«

Nicht nur als sozialistische Bruderländer, sondern auch später hätten Kuba und die Ukraine über viele Jahre herzliche Beziehungen unterhalten, erinnert sich Abel Aguilera Vega, ein Historiker am »Centro Fidel Castro Ruz« in Havanna, in der Reportage. Die Ukraine sei »ein Land, das uns sehr nahesteht, auch weil viele Kubaner dort studiert haben. Sie haben sehr angenehme Erinnerungen an diese Zeit.« Es sei »bedauerlich, dass Kiew heute unter einem faschistischen Regime der Russophobie und der Anbetung von Symbolen des Nazismus lebt«, beklagt Aguilera. Als im November vergangenen Jahres 185 Länder in der Generalversammlung der Vereinten Nationen die seit mehr als 60 Jahren gegen Kuba verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade verurteilten, stimmten nur die USA und Israel dagegen. Die einzigen beiden Stimmenthaltungen kamen aus dem zu der Zeit noch vom faschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro regierten Brasilien und vom rechten Regime der Ukraine.

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