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Aus: Ausgabe vom 09.05.2023, Seite 2 / Inland
Wolfsmanagement

»Söder und Aiwanger heizen den Konflikt an«

Bayern: Staatsregierung erleichtert mit neuer Verordnung Abschuss von Wölfen. Naturschutzbehörden entmachtet. Ein Gespräch mit Uwe Friedel
Interview: Fabian Linder
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Wölfe haben ein Schaf gerissen

Der Landtagswahlkampf in Bayern nimmt Fahrt auf, und in der Debatte um den Umgang mit Wölfen wartet die CSU-geführte Staatsregierung mit einer neuen Verordnung für einen erleichterten Abschuss auf. Welche Punkte sehen Sie darin kritisch?

Die neue Verordnung regelt Abschüsse wegen der Gefährlichkeit für Menschen und aufgrund von Nutztierrissen. Der bisherige Schutz von Menschen war für alle gut. Jetzt meint die Staatsregierung auf einmal, dass Wölfe, die sich bis auf 200 Meter an Siedlungen annähern, grundsätzlich auch eine Gefahr für den Menschen darstellen. Das ist fachlich Quatsch und so nicht zu rechtfertigen. Das zeigen die Erfahrungen von Jahrzehnten des Miteinanders von Mensch und Wolf in Europa.

Was ist bundesrechtlich bislang erlaubt?

Beim Riss von Nutztieren fordert das Bundesnaturschutzgesetz zunächst einen ernsten wirtschaftlichen Schaden, bevor ein Wolf geschossen werden kann. Dieser Schaden kann allerdings auch lediglich prognostiziert sein. Die Bayerische Staatsregierung geht jetzt davon aus, dass schon bei einem gerissenen Weidetier ein solcher ernster Schaden vorliegt. Das übersteigt das, was bislang Praxis war, deutlich.

Sollte das Töten von Wildtieren, deren Art unter Naturschutz steht, nicht das allerletzte Mittel sein?

Vor einem Abschuss sollten grundsätzlich Schutzmaßnahmen geprüft werden. Die Staatsregierung hat die Kriterien für die Kartierung von nicht schützbaren Flächen allerdings so weit angepasst, dass Schutzmaßnahmen im Alpenraum pauschal als nicht machbar gelten.

Bisher entschieden die höheren Naturschutzbehörden über eine sogenannte Entnahme von Wölfen. Die neue Verordnung schiebt die Verantwortung auf die Landratsämter ab. Die Staatsregierung schummelt sich damit aus der Verantwortung. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Landratsämter die fachlichen Kompetenzen haben, Wolfsverhalten zu beurteilen. Landräte stehen zudem gerade vor Ort unter hohem Druck der Bevölkerung. Das macht eine objektive Entscheidungsfindung sehr schwer.

Um wessen Stimmen geht es Markus Söder mit diesem Wahlkampfmanöver?

Den Weidetierhaltern wird Hoffnung gemacht, die am Ende nicht erfüllt werden kann, da Teile der Verordnung nicht rechtmäßig sind. Es sorgt aber für eine deutliche Polarisierung, insbesondere, wenn es zu einer Klage kommt. Das geht auf Kosten der Gesellschaft und der Demokratie, wenn hier wieder von »Stadt gegen Land« gesprochen wird. Söder und Hubert Aiwanger (Landesvorsitzender der Freien Wähler und Vizeministerpräsident, jW) heizen den Konflikt eher noch an, statt zu schlichten und zu einem sozialen Frieden beizutragen. Der Tenor in den letzten Jahren war immer, dass die Naturschutzbehörden entscheiden und die Kartierung von nicht schützbaren Weideflächen eine Prüfung von Herdenschutzmaßnahmen nicht ersetzt. Das ist beides mit der jetzigen Wolfsverordnung vom Tisch.

Der Deutsche Bauernverband hat jüngst eine deutliche Regulierung des Wolfsbestands sowie einen besseren Schutz für Weidetierhalter gefordert. Wie kann so etwas aussehen?

Die jetzigen Planungen führen nicht zu einer Regulierung des Wolfsbestands, sondern zu einer Verhinderung. Das ist rechtlich schon deutlich über dem, was Lobbygruppen fordern. Alternativen sind Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune, Hunde und Behirtung. Im Alpengebiet ist das schwierig, daher wäre es hier notwendig, eine bessere Unterstützung bereitzustellen, etwa eine Förderung wegen der laufenden Kosten des Herdenschutzes. Die gibt es bisher in Bayern noch gar nicht. Darüber hinaus auch die flächendeckende Förderung bei Kosten für die Prävention, zumindest in der Schaf- und Ziegenhaltung. Es braucht eine Umstellung, was etwa Freiweiden angeht, wo die Tiere das ganze Jahr über ohne Schutz sind, hin zur aktiven Behirtung. Frankreich und die Schweiz machen das vor. Doch für viele Landwirte ist das finanziell ohne Unterstützung nicht zu leisten. Gegen so eine Förderung sperrt sich die Staatsregierung bislang.

Plant Ihr Verband, gegen diese Verordnung vorzugehen?

Wir diskutieren das gerade intern und prüfen das auch rechtlich. Es ist auf jeden Fall ganz klar, dass wir bei der Überschreitung von roten Linien, etwa dem Abschuss eines Wolfs aufgrund einer falsch definierten Gefährdung, gerichtlich vorgehen werden.

Uwe Friedel ist Wolfs­experte beim BUND ­Naturschutz in Bayern e. V.

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  • Leserbrief von A.K. aus Berlin (10. Mai 2023 um 17:46 Uhr)
    Was soll dieses Barmen um ein verbreitetes Raubtier? Der Wolf ist schließlich kein Pandabär.

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