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Aus: Ausgabe vom 05.05.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Fukushima

Bis zum nächsten GAU

Japan will radioaktiv verseuchtes AKW-Kühlwasser in den Pazifik einleiten. Das Vorhaben trifft auf Widerstand der Anrainer
Von Frank und Fritz Schumann
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Lagertanks im beschädigten AKW Fukushima Daiichi der Tokyo Electric Power Co. (Tepco) in der Stadt Okuma

Japan plant, das seit der AKW-Katastrophe von Fukushima im März 2011 aufgelaufene Kühlwasser des Kraftwerks ins Meer zu entsorgen. Jeden Tag fließen über 100.000 Liter verstrahltes Wasser in die Tanks auf dem Gelände des Tepco-Konzerns. Mehr als zwölf Jahre sind seither vergangen, und nunmehr beabsichtigt der Energiekonzern, die Giftbrühe ins Meer zu leiten. Die Tanks laufen über, und Platz für neue fehle, heißt es. Und: Das Wasser werde selbstverständlich gefiltert und gereinigt. Die Regierung in Tokio hat seinen Segen für das Vorhaben bereits erteilt. Allerdings: Das Tritium beispielsweise, eine radioaktive Form von Wasserstoff, bekommt man nicht herausgefiltert. Es bleibt und strahlt. Seine Halbwertzeit liegt bei etwas mehr als zwölf Jahren. Deshalb sagen Experten: Erst nach etwa hundert Jahren hat es die Phase der Harmlosigkeit erreicht.

Die vom Energiekonzern und von Tokio bemühte und keineswegs neutrale Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sieht den Zustand der Unbedenklichkeit schon jetzt eingetreten, weshalb das kontaminierte Abwasser durch einen etwa einen Kilometer langen Tunnel in den Pazifik eingeleitet werden soll. Etwa zehn Jahre lang. Die Anrainer hat man nicht gefragt. Sie sind empört. Mehr noch. Das Pacific Island Forum (PIF) – das ist der Zusammenschluss von sechzehn unabhängigen Inselstaaten Ozeaniens – hat sogar mehrere Monate mit Tokio verhandelt, damit Japan von diesen Plänen Abstand nimmt. Denn niemand wisse vorher, was tatsächlich passiere, wenn das verstrahlte Wasser eingeleitet werden würde. Und selbst wenn Meeresflora und -fauna keinen Schaden nähmen: Wer würde den Fisch noch essen wollen, der aus diesem Teil der Welt käme?

Die an den Ufern der angrenzenden Meere lebenden Menschen haben sehr wohl registriert, dass die Bauern und Fischer aus der Präfektur Fukushima ihre Waren – obgleich nachweislich unbedenklich – nicht einmal in Japan verkauft bekommen, so lange die wahre Adresse ausgewiesen wird. So werden denn in Japan der von dort kommende Reis, das Gemüse, Tang und Meeresfrüchte mit Provenienzen anderer Regionen gemischt, um die Herkunft aus der AKW-Region zu verschleiern.

Die letzten Gespräche der Führung des Pacific Island Forums endeten ergebnislos. Japan ignorierte die legitimen Sorgen seiner Nachbarn. Die Position des Forums: Wir wurden nicht von den USA, Großbritannien und Frankreich gefragt, als diese auf unseren Inseln und Atollen ihre Atomwaffen testeten. Außerdem: Die Industriestaaten haben maßgeblich für die Erderwärmung gesorgt, die dafür verantwortlich ist, dass unsere Staaten im Ozean versinken werden. Und Japan mache die Inselstaaten nun zum dritten Mal zum Opfer, indem es wie eine Kolonialmacht handelt und möglicherweise die Fischgründe verseucht, verlautbarte das PIF in einer Erklärung.

In Fernost hofft man nun auf eine weise Entscheidung in Hiroshima, wo am 19. Mai die G7-Staatschefs zusammenkommen wollen. Also an jenem Ort, wo die USA vor nunmehr fast 78 Jahren eine Atomwaffe einsetzten. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.

Hintergrund: Die Tricks der Nuklearlobby

Die Diskussion um die Einleitung verstrahlten Wassers in den Pazifik wird seit Jahren geführt. Experten sprechen hinter verschlossenen Türen darüber und haben, glaubt man den gelegentlich in den Medien verbreiteten Stellungnahmen, damit überhaupt kein Problem. Nur die Nachbarländer, Fischer und Umweltschützer sehen dies völlig anders. Sie fürchten eine weitreichende Kontaminierung des Ozeans, mögliche Umweltschäden, dramatische Umsatzeinbußen und einen gewaltigen Imageschaden.

Greenpeace meinte schon vor Jahren, dass die japanische Regierung »eine sehr gute Arbeit geleistet« habe, indem sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf Tritium gelenkt und behauptet hatte, »dass es keine Gefahr für die Umwelt« darstelle. Damit sei erfolgreich abgelenkt worden: »Das kontaminierte Wasser enthält viele Radionuklide, von denen wir wissen, dass sie sich auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit auswirken – einschließlich Strontium-90«, heißt es in einer Grrenpeace-Stellungnahme. Jod, Ruthenium, Rhodium, Antimon, Tellur, Kobalt und Strontium ließen sich durch Reinigung nicht entfernen.

Die Geister, die man mit der Atomenergie gerufen hat, wird man einfach nicht mehr los. Übrigens: Bei der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde 500mal mehr radioaktives Cäsium-137 freigesetzt als durch die Atombombe von Hiroshima.

Frank und Fritz Schumann

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