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Aus: Ausgabe vom 03.05.2023, Seite 7 / Ausland

Ost und West verbinden

Serie. Teil 3: China und die Neue Seidenstraße. Win-win-Situation für alle Beteiligten
Von Jörg Kronauer
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Auf dem Weg Richtung Westen: Verladung von Containern aus China auf Rügen (Mukran, 11.2.2022)

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Ökonomisch erstarkt, ist sie längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt. Der reagiert, indem er China immer schärfer attackiert – per Wirtschaftskrieg und mit einem militärischen Aufmarsch, der einen dritten Weltkrieg befürchten lässt.

Jörg Kronauer beleuchtet in der zwölfteiligen jW-Serie anhand zentraler Aspekte die Konsequenzen, die sich aus dem Aufstieg der Volksrepublik für die internationalen Beziehungen ergeben. (jW)

Sie ist längst zum globalen Aushängeschild der chinesischen Außenpolitik geworden: die Neue Seidenstraße, die Präsident Xi Jinping im Jahr 2013 in zwei Reden entworfen hat. Am 7. September 2013 stellte er in Kasachstans Hauptstadt Astana, in der er für den weiteren Ausbau der Wirtschaftskooperation mit den Ländern Zentralasiens warb, den Plan für einen »Wirtschaftsgürtel« entlang der historischen Seidenstraße aus China Richtung Westen bis nach Europa vor. Am 3. Oktober 2013 warb er in Indonesiens Hauptstadt Jakarta für eine »maritime Seidenstraße«, die ebenfalls nach Westen führen sollte, nur eben nicht über Land, sondern aus Chinas Häfen durch die Gewässer Südostasiens und den Indischen Ozean bis ins Mittelmeer. Auf Chinesisch heißt das Großprojekt, an dem Beijing seither arbeitet, »yī dài yī lù«, »ein (Wirtschafts-)Gürtel, ein (See-)Weg«; das klingt für chinesische Ohren prägnant und gut, für westliche Ohren allerdings unattraktiv, weshalb hierzulande neben der englischen Bezeichnung »Belt and Road Initiative« (BRI) meist von der »Neuen Seidenstraße« die Rede ist.

Die Grundidee, die hinter der Neuen Seidenstraße steckt, ist einfach: Es geht darum, Handels- und Wirtschaftskorridore zu schaffen, die aus China in andere Länder, auch auf andere Kontinente führen. Das ist gewöhnlich mit dem Bau von Verkehrsinfrastruktur verbunden, sofern diese noch nicht vorhanden ist: Straßen, Schienen, Häfen und Flughäfen. Ein Strang der BRI etwa ist eine Zugverbindung, die aus der Volksrepublik in den Hafen von Duisburg führt, den größten Binnenhafen Europas. Entlang der Handelskorridore sollen nach Möglichkeit Industriestandorte entstehen, damit nicht nur der Tausch, sondern auch die Produktion von Waren gesteigert wird. Nützlich ist die Strategie zunächst für Chinas Wirtschaft, deren Expansion dadurch begünstigt wird. Vorteile kann sie aber auch den Transit- und den Zielländern bringen; Duisburg jedenfalls profitiert vom Direkthandel mit der Volksrepublik sehr. Es handelt sich also um eine Win-win-Situation, wie sie die chinesische Politik gern herstellt, wobei natürlich – das muss man erwähnen – am meisten gewinnt, wer die meisten Projekte durchführt. Und das ist China, denn direkt oder indirekt führen alle Wege der Neuen Seidenstraße nach Beijing.

Letzteres ist der Grund, weshalb das Projekt im Westen von Anfang an oft auf Ablehnung gestoßen ist – in Deutschland zum Beispiel. Zwar profitieren von dem Vorhaben auch deutsche Konzerne wie Siemens; das Unternehmen eröffnete 2018 eigens ein »Seidenstraßen-Büro« in Beijing. Doch fördere das Großprojekt eindeutig »eine Globalisierung mit chinesischen Zügen«, beklagte sich im Oktober 2017 der damalige deutsche Botschafter in der Volksrepublik, Michael Clauss: Es sei letzten Endes »ein sinozentrisches Projekt«. Und es kommt aus deutscher Sicht hinzu, dass die BRI Chinas Einfluss auch in Europa stärkt, unter Umständen sogar auf deutsche Kosten. So sah sich die Regierung Griechenlands zeitweise veranlasst, antichinesische Tiraden der EU nicht mehr zu unterstützen. Der Grund? Der Hafen von Piräus, ein Endpunkt der maritimen Seidenstraße, wird mehrheitlich vom chinesischen Schiffahrtskonzern Cosco kontrolliert, der ihn zum größten Containerhafen im Mittelmeer ausgebaut hat. Da tritt man Beijing denn doch nicht mehr so umstandslos auf die Füße.

So kommt es, dass auf der einen Seite zwar fast 150 Länder vor allem aus dem globalen Süden Kooperationspartner geworden sind; dass auf der anderen Seite aber Chinas Rivalen – Japan, Indien, vor allem die Mächte des Westens – sich fernhalten. Als Italien sich 2019 als bislang einziges Land unter den G7 der BRI anschloss, gab es heftigen Ärger, insbesondere mit der Bundesrepublik. Läuft bei einem Seidenstraßen-Vorhaben etwas nicht rund, kann man darauf wetten, in den westlichen Leitmedien mit ausführlichen Dokumentationen darüber informiert zu werden. Und, na klar: Es gibt einige Gegenprojekte – den von Indien und Japan im Jahr 2017 gestarteten Asia Africa Growth Corridor, eine 2018 verkündete Konnektivitätsstrategie der EU und ein weiteres, 2021 ausgerufenes EU-Projekt namens Global Gateway. All die Konkurrenzprojekte zur Neuen Seidenstraße haben allerdings eines gemein: Sie sind gescheitert.

Lesen Sie am Donnerstag Teil 4 (von 12): China in Afrika

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Burkhard I. (6. Mai 2023 um 16:42 Uhr)
    Stichwort Piräus: Meines Wissens ist 2016 die Übereignung von 67 Prozent des Hafens an Cosco von Tsipras auf Druck der »Troika«, also mit Billigung bzw. auf Veranlassung der EU, gegen den massiven Widerstand der Gewerkschaften durchgesetzt/durchgezogen worden.

In der Serie Auf dem langen Marsch. Chinas Aufstieg:

Chinas Aufstieg verändert die Welt. Der Volksrepublik ist es nicht bloß gelungen, sich aus der Armut zu befreien. Wirtschaftlich erstarkt, ist sie längst zu einem Machtfaktor geworden, der die globale Dominanz des Westens in Frage stellt. Der reagiert, indem er China immer schärfer attackiert – per Wirtschaftskrieg und mit einem militärischen Aufmarsch, der einen dritten Weltkrieg befürchten lässt.

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