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Aus: Ausgabe vom 02.05.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Österreich

Kümmern statt kämpfen

KPÖ nach Wahlerfolg in Salzburg im Höhenflug. Kommunalpolitik anstelle kommunistischer Programmatik
Von Dieter Reinisch
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Die Ohren an der Basis: Der KPÖ-plus-Vorstand mit Kay-Michael Dankl, Sarah Pansy, Natalie Hangöbl und Christian Eichinger (v. l.)

Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) sorgte für die große Wahlüberraschung in Salzburg. Nach 74 Jahren zog sie mit ihrem Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl wieder in den Landtag ein. Sein Wahlkampf setzte ganz auf das Thema Wohnungsbau. An Infotischen und in den Medien strich er heraus, dass Salzburg eine der teuersten Städte Österreichs ist: 70 Quadratmeter kosten zwischen 1.300 und 1.500 Euro Miete pro Monat. Das Thema zog: Die KPÖ plus sprang von unter einem Prozent auf fast zwölf Prozent.

Doch es war nicht allein der Wahlkampf, der Dankl und seiner Salzburger KPÖ plus den Erfolg an der Wahlurne bescherte. Bereits vor vier Jahren war er in den Gemeinderat der Stadt eingezogen. Was ihn von den anderen Politikern unterscheidet, ist seine kontinuierliche Arbeit abseits von Wahlkämpfen und eine Konzentration auf sozialdemokratische Themen wie Mieten und das Eintreten für finanziell Benachteiligte. So gelang es ihm, vergünstigte Eintrittspreise für Menschen mit niedrigen Einkommen in Freibädern durchzusetzen, erzählt er im jW-Gespräch. Sein politisches Vorbild ist Elke Kahr, die seit 2021 KPÖ-Bür­germeisterin von Graz ist. Dort zeigt sie, dass sie diese Politik nicht nur in der Opposition, sondern auch auf der Regierungsbank fortsetzt.

Mit der KPÖ, die nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurde und die in der ersten Bundesregierung nach dem Sieg über den Faschismus saß, hat die Partei heute wenig gemeinsam. Der Autor mehrerer Bücher zur Geschichte der Linken in Österreich, Robert Foltin, betont gegenüber jW, dass sie heute »näher der Bewegungslinken« stehe: »Das Programm spielt keine Rolle mehr.« Der Weg dorthin begann in den 1990er Jahren mit dem Entstehen der Sozialforenbewegung. Beschleunigt wurde er 2017 mit der Trennung der Grünen von ihrer Jugendorganisation. Diese nannte sich von nun an Junge Linke und schloss sich der KPÖ an, die seither den Namen KPÖ plus trägt: »Plattform unabhängig und solidarisch«. Dankl ist ehemaliger Bundesvorsitzender der Jungen Grünen, auch zwei KPÖ-Bundessprecher kommen von den Grünen: Sarah Pansy und Tobias Schweiger. Pansy war während ihres Studiums in Bremen bis 2017 in der dortigen Leitung der Rosa-Luxemburg-Initiative, der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen, aktiv. Die Kooperation wurde durch ein Zurückstellen programmatischer Inhalte ermöglicht. Ablehnung der EU, Verteidigung der Neutralität, Internationalismus und Antiimperialismus wurden zu Randthemen. KPÖ-Vertreter weichen in den Medien diesen Fragen aus.

Dankl ging in der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes, der »ZIB 2« auf ORF, am vergangenen Montag noch weiter und distanzierte sich wiederholt vom KPÖ-Programm. Auf die Frage von Moderator Martin Thür, wie »kommunistisch« er sei, da er bis 2017 der Bundesvorsitzende der Grünen Jugend war, meinte Dankl: »Ich vertrete heute noch dieselben Ansichten wie vor fünf oder zehn Jahren.« Dann zitierte der Moderator aus dem KPÖ-Parteiprogramm, wonach die EU imperialistisch sei und die Partei für einen Austritt eintrete. Dankl machte klar: »Das sehe ich ganz anders. Wohin ein Austritt führt, sieht man derzeit in Großbritannien, und da will ich nicht hin.«

Er sehe auch die Solidarität mit Kuba »ganz anders«, als sie im Programm der steirischen KPÖ gefordert wird: »Mit Diktaturen habe ich keine Sympathie. (…) Man müsste in diesen Ländern, genauso wie in Russland, die Zivilgesellschaften in ihrem Versuch, die Länder zu demokratisieren, stärken.« Dass die dortigen Zivilgesellschaften oft von den USA und Deutschland finanzierte prowestliche Tarnorganisationen sind, erwähnt Dankl nicht.

Daraus folgt seine Haltung zum Ukraine-Krieg. Positionen, die Solidarität mit den Volksrepubliken im Osten oder eine defätistische Position zum Krieg einnehmen – wie jene des KPÖ-Landtagsabgeordneten in der Steiermark, Werner Murgg –, seien »in der klaren Minderheit«, und er könne »damit nichts anfangen. In Salzburg haben solche Positionen keinen Platz.« Er habe sich »dafür eingesetzt, dass man als Stadt klar Solidarität mit der ukrainischen Zivilbevölkerung zeigt. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass man in Salzburg ganz genau schaut, wo die Oligarchen ihr Vermögen versteckt haben, die das Putin-Regime unterstützen.«

Dankl tritt für eine Umverteilung von den reichsten zu den ärmeren Schichten ein. Seine Vorstellung von Kommunismus erinnert stark an die ATTAC-Bewegung der 2000er Jahre, die eine Umverteilungssteuer auf Spekulationsgewinne forderte. Überwindung des Kapitalismus, Vergesellschaftung von Produktionsmitteln oder eine revolutionäre Umwälzung finden sich bei ihm nicht. Ähnliches betont auch Elke Kahr in ihrem neuen Buch »Es geht auch anders« (Wien 2023). Ihre drei Grundsätze des Kommunismus: Alle Menschen sollen gleiche Rechte haben. Aus Arbeit entstandener Wert muss gleich verteilt werden. Jeder Mensch soll mit Arbeit seine Bedürfnisse finanzieren können.

Die Politik der steirischen und Salzburger KPÖ ist progressiv und links. Sie bietet konkrete Verbesserungen für die Menschen. Das spricht auch weite Teile außerhalb der Arbeiterklasse an. Die liberale Wiener Journalistin Barbara Tóth bezeichnete Dankl auf Twitter positiv als »unkommunistischen Kommunisten«. Die ehemalige ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat betonte in der ORF-Diskussionssendung »Im Zentrum«, die KPÖ plus seien »verkappte Grüne«. In der ORF-Wählerstromanalyse zeigt sich, dass rund 30 Prozent der KPÖ-plus-Wähler in Salzburg von ÖVP, FPÖ und Neos kamen. Auch in Graz ist die Partei in den bürgerlichen Bezirken stark. Ihre Politik bietet in der aktuellen Teuerungskrise eine soziale Perspektive. Für arbeitende Menschen, die sich ihr Leben nicht mehr leisten können, und die von Wohlstandsverlust bedrohte Mittelschicht wurde die KPÖ plus zu einer glaubwürdigen und wählbaren Alternative.

In unzähligen persönlichen Gesprächen konnte Dankl die Salzburger davon überzeugen: »Wenn ich jemandem erkläre, wie der Heizkostenzuschuss beantragt werden kann, ist das nicht die Revolution, aber es hilft den Menschen«, betont er im jW-Gespräch. Genau das ist das Erfolgsrezept von Dankl und der KPÖ plus: progressive Kommunalpolitik, ohne den Kapitalismus überwinden zu wollen.

Hintergrund: KPÖ-Wahlerfolge

Seit ihrem Wahlerfolg bei den Landtagswahlen in Salzburg befindet sich die KPÖ in ungeahnten Höhen. Mit ihrem Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl erreichte sie über elf Prozent im Bundesland und wurde in der Stadt Salzburg mit fast 22 Prozent nur knapp hinter der konservativen ÖVP zweitstärkste Partei. Seit den Salzburg-Wahlen ist sie auch bundesweit im Umfragehoch. In zwei Erhebungen im Auftrag des Senders Servus TV und der Tageszeitung Österreich, die in der vergangenen Woche durchgeführt wurden, liegt sie bei sieben bzw. fünf Prozent – beides würde für den Einzug ins Parlament reichen, aus dem sie 1959 geflogen war. Ihr bisher bestes Ergebnis auf Bundesebene waren 5,42 Prozent im Jahr 1945. Bis zum vergangenen Sonntag war sie auch auf Landesebene noch nie zweistellig.

Die KPÖ ist nicht mehr, wie oft behauptet wird, ein »regionales Phänomen«. Neben der Steiermark sitzt sie jetzt eben auch im Salzburger Landtag, in Städten wie Linz, Krems und Wien konnte sie in den vergangenen Jahren Mandate gewinnen. In Graz blieb sie nach 1945 durchgehend im Gemeinderat vertreten, da nur ein kleiner Stimmenanteil nötig ist, um einen Sitz zu erhalten. 1983 trat Ernest Kaltenegger erstmals als Spitzenkandidat an und konnte die Partei mit nur 174 Stimmen Überhang im Gemeinderat halten. Am 26. Januar 2003 erreichte die KPÖ 20,75 Prozent – ein Plus von 13 Prozentpunkten. Nach einem kurzen Einbruch nach der Übergabe von Kaltenegger an Elke Kahr erholte sich die Partei wieder und wurde am 26. September 2021 mit 28,84 Prozent der Stimmen und 15 der 48 Mandate im Grazer Gemeinderat stärkste Partei. Kahr ist seither Bürgermeisterin in einer »rot-rot-grünen« Koalition.

Auch in den steirischen Landtag konnte sie einziehen. In der Steiermark flog die KPÖ als letzte 1970 aus dem Landtag und zog dort als einzige Landesorganisation 2005 wieder ein. Neben den Grazer Wahlerfolgen half ihr hierfür die Verankerung in der industrialisierten Obersteiermark. 2010 verlor sie zwei der vier Landtagssitze, konnte die beiden verbliebenen aber bisher halten. Seit 2010 konnte sie auch in anderen Regionen wieder Mandate erringen. Bei den Wiener Gemeinderatswahlen erhielt sie 2010 ein drittes Bezirksmandat. Zu den Wahlen 2015 trat sie mit dem Wahlbündnis »Wien anders« an und konnte zwei weitere Mandate hinzugewinnen. Zu den Wahlen 2020 kandidierte sie als Teil des Bündnisses »Links« – ähnlich wie KPÖ plus in Salzburg eine Plattform aus KPÖ, Sozialdemokraten und Grünen. Statt mit der Farbe Rot tritt »Links« in Violett mit orangefarbenen Einsprengseln auf. Damit konnte sie die Zahl der Bezirksräte von fünf auf 23 erhöhen. In Salzburg zog sie mit Dankl und seinen ehemaligen Grünen 2019 erstmals nach 1962 wieder in den Gemeinderat ein. Auch in den Städten Linz und Krems ist sie mit zwei bzw. drei Stadträten wieder vertreten. (dr)

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  • Leserbrief von Ralph Petroff aus Schweinfurt (2. Mai 2023 um 23:20 Uhr)
    Es leuchtet ein, dass es in der Kommunalpolitik schwer ist, politisch revolutionär und systemsprengend tätig zu werden. Dass die KPÖ plus diesen Anspruch aber gar nicht mehr hat, ist problematisch. Gerade dieser »Plus«-Aspekt ist dafür verantwortlich, dass die KPÖ immer mehr zu einer reformistischen, sozialdemokratischen Partei wird. Das bedeutet nicht, dass man von der KPÖ-Kommunalpolitik nicht lernen könnte, aber die Begeisterung ist in der Form wohl nicht berechtigt. Pointiert formuliert: Was nutzt der Wahlerfolg einer Kommunistischen Partei, wenn sie eigentlich Etikettenschwindel betreibt und in Wahrheit sozialdemokratisch ist?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (2. Mai 2023 um 08:30 Uhr)
    So sympathisch es ist, wenn es Kümmererparteien gibt und ihnen die Menschen zunehmend vertrauen, so problematisch ist es, wenn sich die Kümmerer als Aushängeschild des Wortes Kommunismus bedienen. Allerdings: Ein Namensschild ist schnell umgehängt und lässt sich problemlos »ergänzen«. Vor fast 150 Jahren begann eine ähnliche Entwicklung in der Sozialdemokratie. Die gehört inzwischen zu den stabilsten Stützen des Kapitalismus. Hier ein wenig verbessern, Moral an die Stelle von Systemkritik zu setzen, Arzt am Krankenbett einer Ausbeutergesellschaft zu sein: Dazu würde es auch reichen, in der katholischen Kirche zu verbleiben. Kämpfen und kümmern klingt ganz ähnlich wie kümmern statt kämpfen. Zwischen beiden liegt allerdings ein himmelweiter Unterschied: Am Faulenden werkeln oder das Neue wagen.
  • Leserbrief von Wolfgang Schmetterer aus Graz (2. Mai 2023 um 08:30 Uhr)
    Ein sehr ernüchternder Beitrag. Es ist ja richtig und wichtig, sich für Soziales einzusetzen, aber ich frage mich, warum man sich »KPÖ plus« nennt, wenn man an kommunistischen Zielen wie der Überwindung des Kapitalismus kein Interesse hat. Kay-Michael Dankls klare antisolidarische Haltung gegenüber Kuba und sein Nachplappern westlicher Narrative im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt setzen dem Ganzen noch die Krone auf. »KPÖ light« wäre für seine Formation die bessere Bezeichnung gewesen. Nein, ich korrigiere mich: »Grün plus« müsste sie heißen. Dankl ist auf dem besten Weg den »Markennamen« KPÖ zu verramschen und die Entwicklung der deutschen Linkspartei nachzuvollziehen. Spätestens wenn die »braven« Grazer Kommunisten derartige Kommentare von sich gäben, wäre ich heimatlos. Möge das nicht passieren.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (1. Mai 2023 um 21:18 Uhr)
    Offensichtlich beschränkt sich die KPÖ oder Teile von ihr auf ein bloßes links-bürgerliches Sozialprogramm, das sich lediglich auf Steuerumverteilung beschränkt. Wer so was ansteuert, landet mehr oder minder beim schwedischen Sozialdemokratie-Modell wie es einst unter Olaf Palme existierte. Wie man weiß, ist dieses Modell gescheitert. Um das soziale Füllhorn für Alle zu öffnen, ist eine höhere Besteuerung der gehobenen Lohnabhängigen sowie der kleinen bis mittleren Selbständigen erforderlich, wenn man denn den Kapitalismus nicht ernsthaft am Kragen packt. die Folge ist daher, das alle unteren und mittleren Leistungsträger bei derlei Besteuerung nicht lange mitspielen. Kapitalflucht kommt bis zu einem gewissen Grad noch hinzu. Besonders heikel wird es dann, wenn die Zahl der Arbeitslosen zunimmt, so dass die Steuereinnahmen dann sinken, das Füllhorn mithin kleiner wird.

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