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Aus: Ausgabe vom 24.04.2023, Seite 11 / Feuilleton
Literatur

Regeln für das Spießervolk

Neuer Krimi von Sara Paretsky: Privatdetektivin V. I. Warshawski ermittelt auf der Schattenseite Chicagos
Von Gerd Bedszent
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Reinigungspersonal säubert den Swimmingpool im Hilton Chicago

Die US-amerikanische Krimiautorin Sara Paretsky hat sich mit der auf der Schattenseite Chicagos ermittelnden Privatdetektivin V. I.  Warshawski auch hierzulande eine Fangemeinde erobert. In ihrem mittlerweile auch in deutscher Übersetzung erschienenen Buch »Schiebung« geht es um zwei scheinbar voneinander unabhängige Fälle: zum einen um einen jungen Kanadier, den die Polizei verdächtigt, etwas mit einer im Wald gefundenen unbekannten Leiche zu tun zu haben. Zum anderen um die spurlos verschwundene Nichte der Detektivin.

Der Tote war ein Archäologe, der unmittelbar vor Ausbruch des Krieges an Ausgrabungen in Syrien beteiligt war und zuletzt in Kreisen der arabischsprachigen Community Chicagos verkehrte. Ein Fall von organisiertem Kunstraub? Die Nichte hatte vor ihrem Verschwinden in einem obskuren Kreditbüro gearbeitet, das darauf spezialisiert ist, Leuten, die fast nichts haben, auch noch das allerletzte zu nehmen. Sie war am Ende auf das Management ihrer Firma überhaupt nicht gut zu sprechen gewesen.

Haben beide Fälle etwas miteinander zu tun? Die Detektivin recherchiert, muss sich dabei mit stumpfsinnigen Polizisten und misstrauischen Security-Angestellten herumärgern, das Heim einer Familie aufgebrachter Waldeichhörnchen durchsuchen, die Biographie eines syrischen Lyrikers erforschen und sich am Ende auch noch mehrfach in migrantisch dominierte Putzkolonnen einschleichen, um die Papierkörbe mutmaßlich krimineller Manager und von deren Rechtsanwälten durchsuchen zu können. Der eigentliche Kriminalfall erweist sich letztlich aber als eher banal. Es gewinnen, wenn auch arg ramponiert, ausnahmsweise mal die Guten.

Doch was gibt dieser dickleibige Krimi – abgesehen von einigen oberflächlichen, zum Teil auch fragwürdigen Klischees – politisch her? Wie immer bei den Büchern Paretskys gewährt er Einblicke in eine Welt abseits von der, die in den offiziellen Medien vorkommt: eine Welt, wo Leute schwer schuften müssen, um ihr Überleben und das ihrer Familien zu sichern, um schließlich von schwerreichen Wirtschaftskriminellen über den Tisch gezogen zu werden. Kapitalismus ist hart und extrem ungerecht, Regeln gelten nur für das werktätige Spießervolk.

Bei der Gelegenheit wird wieder einmal zutreffend daran erinnert, dass mit dem Überfall der US-Truppen auf den Irak eine ganze Region ins Chaos gestürzt und so der Boden dafür bereitet wurde für das, was in den Jahren darauf mit dem syrischen Krieg inklusive Zerstörung unersetzlicher Kulturgüter und Massenflucht an schrecklichen Entwicklungen folgen sollte.

Sara Paretsky: Schiebung. Aus dem amerikanischen Englisch von Else Laudan. Argument-Verlag, Hamburg 2022, 509 Seiten, 25 Euro

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