Döpfner des Tages: Marco Buschmann
Von Felix Bartels
Man springt den Pattextrotteln von der Letzten Generation nur ungern bei. Sie kleben sich an Leitplanken fest und bekämpfen impressionistische Gemälde mit Kartoffelbrei. Dringlichen Gesichtes. Zugestanden: Ernsthafte Formen des Widerstands scheinen derzeit nicht machbar. Infantile dagegen sind immer machbar und bewirken nie was. Schlechte Form folgt schlechtem Inhalt. Die Letzte Generation hat den Widerspruch zwischen Mensch und Kapital zum Widerspruch zwischen Jung und Alt püriert. Wachrütteln statt Herrschaftsfrage. »Vielleicht könnʼ wir was bewegen, wenn mal alle überlegen«, sangen wir in den Neunzigern – aber wenigstens konnten wir dabei über uns lachen.
Gar nicht zum Lachen ist dem Justizminister. Marco Buschmann sieht einmal mehr das Abendland untergehen, denn die Kleber erinnern ihn an die Weimarer Zeit, als sich »Menschen am linken und rechten politischen Rand selbst ermächtigt fühlten, sich über die Rechtsordnung zu stellen«.
Der geläufige Hufeisenbullshit dient wenig mehr als eben dem Zweck, die Gewaltgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft auszustoßen und vermittels Extremismusformel der anderen Seite zuzuschreiben. Weimar war nicht Opfer, sondern Schoß des Faschismus. Vollends absurd wird der Vergleich aber auf die Letzte Generation bezogen, an der nun genau gar nichts militant ist. Ein paar Verstöße gegen die StVO, bei klagloser Inkaufnahme vorgesehener Strafen, werden von Buschmann zum Angriff auf die Rechtsordnung aufgeblasen. Und mehr noch: »Was jetzt die Klimakleber tun, probieren dann möglicherweise als nächstes die Reichsbürger.« Während die und andere Nazis längst Listen anlegen, Waffen sammeln und auf Menschen Jagd machen, fürchtet der Minister, sie könnten demnächst zu den harmlosen Mitteln des Zivilprotests greifen.
Man kann ihn beruhigen. Das wird nicht passieren.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (22. April 2023 um 17:45 Uhr)Ich denke, wir sollten den Aktiven der »Letzten Generation« gegenüber nicht zu überheblich sein. Sie als »Pattextrottel« zu bezeichnen negiert, von welcher Wichtigkeit ihr eigentliches Anliegen für uns alle ist. Ja, sie wählen für ein richtiges Anliegen die falschen Methoden. Das taten und tun die Anarchisten seit Jahr und Tag in der Annahme, einige Funken genügten, um die Flammen der Revolution hellauf leuchten zu lassen. Natürlich ist das eine Illusion, und oft spielen die falschen Methoden auch den Falschen in die Hände. Daraus abzuleiten, sie seien die fünfte Kolonne der Reaktion, und sie genauso zu behandeln, scheint mir grundfalsch. Ihr berechtigtes Anliegen aufzunehmen, sie an wirklich produktive Formen der Auseinandersetzung heranzuführen, scheint mir der deutlich bessere Weg zu sein. Wir sollten uns hüten, Menschen zu unseren Gegnern abzudrängen, die mit dem Ziel ihres Kampfes eigentlich an unserer Seite besser aufgehoben wären.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (21. April 2023 um 20:41 Uhr)Der Jurist Buschmann hat es haarscharf erkannt: Es ist völlig sekundär, ob das Abendland untergeht, z. B. durch eine Klimakatastrophe. Wichtig ist vielmehr, wie es versinkt. Denn wenn schon, dann doch wenigstens »rechtsstaatlich«. Das macht den entscheidenden »freiheitlich-demokratischen« Unterschied. Und auf den kommt es schließlich an. Denn wo kämen wir auch hin, wenn sich Menschen plötzlich selbst ermächtigten, über ihre Zukunft und die ihrer Kinder und Enkel auch noch selber entscheiden zu wollen?!
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