Kritik verfängt nicht
Von Volker Hermsdorf
Washingtons Reaktion auf die Lateinamerikareise des russischen Außenministers Sergej Lawrow zeugt von Hilflosigkeit. Während Lawrow am Montag (Ortszeit) zum Auftakt seiner fünftägigen Besuchstour in Brasilien das Angebot des südamerikanischen Landes begrüßte, im Ukraine-Konflikt zu vermitteln, reagierte die US-Regierung mit einer Beleidigung. Das Weiße Haus warf der Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vor, sie plappere »russische und chinesische Propaganda nach«. Statt der von Lula da Silva vorgeschlagenen Friedensinitiative erwarte sein Land, dass der brasilianische Präsident Moskau auffordere, »die Feindseligkeiten zu beenden und die russischen Streitkräfte aus der Ukraine abzuziehen«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. In Brasília biss der ehemalige Konteradmiral der US Navy damit auf Granit.
Die von den USA attackierten Brasilianer reagierten verärgert. Außenminister Mauro Vieira wies die Kritik an der Politik seines Landes zurück. »Nein. Ich stimme dem überhaupt nicht zu«, kommentierte Vieira die Äußerungen Kirbys. Örtliche Medien warfen Washington vor, sich unzulässig einzumischen. »Es geht nicht darum, eine Außenpolitik zu machen, die den USA, dem Vereinigten Königreich oder wem auch immer gefällt«, verteidigte auch Pérsio Glória de Paula, ein Russland-Spezialist am Zentrum für fortgeschrittene Situationsanalyse (NAC) der Militärakademie Escola de Guerra Naval in Rio de Janeiro, die Vorschläge Lulas. Gegenüber der russischen Agentur Sputnik verwies der Experte darauf, dass der westliche Block »ein aktiver Teil des Konflikts ist«. Lula da Silva hatte erst am Sonnabend beim Staatsbesuch in China auf die Mitverantwortung der USA und der EU für den Ukraine-Krieg hingewiesen. Die Vereinigten Staaten sollten endlich »aufhören, den Krieg zu schüren, und anfangen, über Frieden zu reden«, sagte er bei der Abreise aus Beijing.
Brasília bekräftigt
Statt den Erwartungen der USA nachzugeben, habe Außenminister Vieira im Gespräch mit Lawrow die brasilianische Forderung nach einem Waffenstillstand in der Ukraine bekräftigt und zu einer friedlichen Lösung des Konflikts aufgerufen, berichtete das Nachrichtenportal Brasil de Fato am Montag. Der Minister habe die Bereitschaft seiner Regierung unterstrichen, an der Bildung einer Gruppe von Ländern mitzuwirken, die einen Waffenstillstand aushandeln sollten, und zugleich betont, dass Brasilien gegen die Praxis einseitiger Sanktionen auf internationaler Ebene sei. Am Abend empfing Lula da Silva den Gast zu einem – wie es hieß – »freundschaftlichen Gespräch« im Präsidentenpalast in Brasília. Dabei überreichte Lawrow dem brasilianischen Staatschef unter anderem eine persönliche Einladung von Präsident Wladimir Putin zur Teilnahme am nächsten Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg.
In einer Presseerklärung nach den bilateralen Treffen erklärte Lawrow, Russland sei daran interessiert, »den Konflikt in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden«. Er dankte der brasilianischen Seite »für ihren Beitrag zur Lösung« und versicherte, dass Moskau die Vorschläge Brasiliens »in Betracht ziehen« werde. Dem Chef der russischen Diplomatie gehe es aber auch darum, »sicherzustellen, dass es auf dem Territorium der Ukraine keine Bedrohung für die militärische Sicherheit der Russischen Föderation gibt«, sowie »das Leben und die legitimen Rechte der russischsprachigen Bevölkerung im Osten und Süden des Landes zu schützen«, berichtete der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur. Zudem habe Lawrow betont, dass die Probleme »nicht kurzfristig, sondern auf der Grundlage langfristiger Vereinbarungen auf dem Prinzip des Multilateralismus und unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller Staaten« gelöst werden müssten.
Reise geht weiter
Am Dienstag war der russische Außenminister zu Gesprächen mit Präsident Nicolás Maduro, Vizepräsidentin Delcy Rodríguez und Außenminister Yván Gil nach Venezuela weitergereist, diesen Mittwoch wird er in Havanna erwartet. Kuba ist die vorletzte Station der fünftägigen Lateinamerikareise, die Moskaus Chefdiplomat am Freitag in Nicaragua beenden wird.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Lenard S. aus München (19. April 2023 um 10:47 Uhr)Die »Ära«, in der die USA, die »City upon a hill« von »Gottes Gnaden« sich anmaßen, Mittel- und Südamerika als ihr Hinterland zu betrachten, sind vorbei. Die Putschstrategien funktionieren glücklicherweise nicht mehr so gut. Man mag mich naiv nennen, aber die Widerstandskräfte in den Ländern Lateinamerikas sind zu groß geworden, als dass Washington so ohne weiteres eine faschistisch-neoliberale Militärdiktatur installieren könnte. Länder wie Kuba, Nicaragua oder Venezuela sind ohnehin Beispiele dafür, dass die Errungenschaften des Sozialismus nicht mehr zu bremsen sind - trotz völkerrechtswidriger Blockaden und Sabotageversuche seitens der Amis. Bolsonaro ist gescheitert und weilt jetzt im Florida des Ron de Santis - einem Hort für nostalgische Cowboys und gescheiterten Regime-Change-Marionetten.
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