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Aus: Ausgabe vom 18.04.2023, Seite 5 / Inland
Verkehrspolitik

»Neoliberale Strategie«

Union will Bahn zerschlagen. FDP und Grüne begrüßen Vorstoß. EVG und Bürgerbündnis kritisieren Pläne
Von Kristian Stemmler
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Laut Plänen von CDU/CSU soll die gesamte Infrastruktur aus dem Konzern herausgelöst werden

Auf erstaunlich viel Beifall, aber auch energischen Widerspruch stoßen Pläne der Unionsparteien zur Zerschlagung der Deutschen Bahn. CDU und CSU wollen Schienennetz, Bahnhöfe und Energiesparte – also die gesamte Infrastruktur – aus dem Konzern herauslösen, wie die Augsburger Allgemeine am Wochenende unter Berufung auf ein »Reformpapier« der Unionsfraktion im Bundestag berichtete. Sowohl Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, als auch der Fahrgastverband Pro Bahn äußerten am Montag verhaltene Zustimmung zu dem Vorschlag. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Verein »Gemeingut in BürgerInnenhand« (GiB) lehnten diesen dagegen klar ab.

Bei der Bahn verbleiben nach Vorstellungen der Union die Bereiche Nahverkehr, Fernverkehr und Gütertransport, die außerdem »verschlankt« werden sollen. »Die Holding der DB wird aufgelöst und die bisherige DB-Struktur mit 740 Beteiligungen und Tochtergesellschaften entflochten«, zitierte die Augsburger Allgemeine aus dem Papier von CDU und CSU.

Weselsky erklärte am Montag gegenüber dem MDR, das derzeitige System führe zu Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. Deshalb sei es richtig, »mit einem Schnitt die Infrastruktur herauszutrennen und dafür Sorge zu tragen, dass die Infrastruktur stärker vom Bund geführt und kontrolliert werden kann«. Der GDL-Chef warnte auf der anderen Seite vor zu hohen Erwartungen an eine Umstrukturierung. Verbessern würden sich die Zustände bei der Bahn nur, wenn der Bund Milliarden investiere.

Auch Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, äußerte sich positiv zum Unionsvorstoß. Sein Verband sei seit Jahren für eine Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn, sagte er der Welt. Dabei komme es Pro Bahn weniger darauf an, den Konzern zu zerschlagen, sondern darauf, »sowohl das Netz als auch Station und Service in eine Gesellschaftsform zu überführen, die nicht gewinn-, sondern gemeinwohlorientiert arbeitet«.

Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert sprach sich dagegen am Montag in einer Mitteilung vehement gegen eine Zerschlagung der Bahn aus. Seine Gewerkschaft sei für den Erhalt des integrierten DB-Konzerns als »Rückgrat der ökologischen Verkehrswende«. »Die Eisenbahnfamilie lässt sich nicht für Wettbewerbswahn und eine falsche Verkehrspolitik zerschlagen«, so Burkert. Die Trennungsdebatte lenke »von den großen, realen Problemen der Eisenbahn- und Verkehrspolitik« ab. Nach vorn bringen könne die Bahn nur eine »langfristige auskömmliche und effektive Finanzierung der maroden Schieneninfrastruktur«. Der ­»enorme Sanierungsstau« sei vor allem den Unionsparteien anzulasten.

Auch Carl Waßmuth vom GiB, ebenfalls aktiv im Bündnis »Bahn für alle«, warnte vor einer Aufspaltung. Die EVG verweise zu Recht auf den schlechten Zustand des Schienennetzes, erklärte er am Montag gegenüber jW. Es entspreche einer neoliberalen Strategie, ­Infrastruktur so lange zu vernachlässigen, »dass am Ende alle sagen: So geht es nicht weiter«. Eine Zerschlagung des Bahnkonzerns verbessere aber nichts, so Waßmuth, sondern werde zu Zuständen führen wie im britischen Bahnsystem, das das schlechteste in Europa sei. »Warum orientieren wir uns nicht am besten System in Europa, an dem der Schweiz?« – so der Experte. Die Verkehrswende sei nur zu schaffen, »wenn die ganze Bahn zusammengehalten und wenn sie gemeinnützig wird«.

Von den im Bundestag vertretenen Parteien sprachen sich nur SPD und Die Linke gegen die Zerschlagung der Bahn aus. Diese löse »keines der Probleme des Schienensektors«, sagte SPD-Verkehrspolitiker Detlef Müller der Welt. Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali räumte ein, es gebe bei der Bahn »unstrittig Reformbedarf, auch was die Konzernstruktur angeht«. Solange die Bahn »ausschließlich profitorientiert organisiert ist«, werde es aber nicht vorangehen. Bei FDP und Bündnis 90/Die Grünen stieß der Unionsvorschlag dagegen auf offene Ohren. So sagte Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium, dem Tagesspiegel, er verstehe den Vorschlag der Union »als Gesprächsangebot, auch im Hinblick auf eine möglicherweise notwendige Zustimmung des Bundesrats«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christel H. aus Aschersleben (18. April 2023 um 18:28 Uhr)
    Schienennetz, Bahnhöfe und Energiesparte sind die Bahn, aber wie will man das Leuten, deren Gehirn man aufblasen muss, um es auf Erbsengröße zu kriegen, beibringen. Wir leben in Absurdistan.
  • Leserbrief von B. Schroeder aus APEN (18. April 2023 um 09:15 Uhr)
    Die Zerschlagung der Deutschen Bahn in drei unabhängige Sparten ist natürlich begeistert von den rechten und neoliberalen Kräften in diesem Land aufgenommen worden. Die FDP ist schon immer eine »rechte Partei ohne Gewissen« im Dienste des Kapitals gewesen, gefolgt von der »Blackrock-CDU des Flugzwergs Merz«, die aufpassen muss, dass die Sozen nicht den »kriminellen Rollstuhlfahrer Schäuble« wegen Verdacht auf »Verschleppung der Aufklärung der Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte zu Gunsten von Freunden und Banken« einen Untersuchungsausschuss anhängt. Schäuble – der Erfinder des Kohl'schen Blackout – hat maßgeblich zu Behinderung der Strafverfolgung von Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften beigetragen. Dieses Verhalten muss von der Deutschen Justiz untersucht werden. Seine bewusste Untätigkeit hat schweren Schaden für den/die Bürger/Innen angerichtet. Milliarden an Steuergeldern wurden Kriminellen in den Rachen geworfen. Aber so funktioniert Parteienherrschaft versus Demokratie …
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (18. April 2023 um 14:00 Uhr)
      Sie und ich müssen in Parteien eintreten. Welche ist Ihnen wichtig?

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