Nicht nur ein Zug
Von Sherin Abu-Chouka
Die Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen beim Megainfrastrukturprojekt »Tren Maya« im Südosten Mexikos mehren sich. Dessen ungeachtet beteiligen sich internationale Unternehmen an dem Großprojekt, unter ihnen auch die Deutsche Bahn. Währenddessen ruft der Nationale Kongress der Indigenen in Mexiko (CNI) zur Karawane »El Sur Resiste« (Der Süden widersteht) auf. Zwischen dem 24. April und dem 7. Mai 2023 soll diese die Gemeinden an den Strecken der Großprojekte besuchen, um die Vernetzung vor Ort auszubauen.
Doch der »Tren Maya« ist nur ein Teil eines weitreichenden Infrastrukturprojekts, das die natürlichen Rohstoffe aus sieben mexikanischen Bundesstaaten (Oaxaca, Veracruz, Chiapas, Tabasco, Campeche, Quintana Roo und Yucatán) dem Weltmarkt zugänglich machen soll. Dazu ist der Bau bzw. eine Modernisierung von Bahnstrecken und einer Autobahn im bisher infrastrukturschwachen mexikanischen Süden geplant. Der Widerstand der lokalen Bevölkerung und der indigenen Gemeinden richtet sich gegen die Infrastrukturprojekte des »Tren Maya« und des hierzulande weniger bekannten »interozeanischen Korridors« an der Landenge des Tehuantepec. Der »Tren Maya« soll die Halbinsel Yucatán erschließen und ist über die zwei Häfen Progreso und Coatzacoalcos sowie eine Bahnstrecke von Palenque mit dem Projekt »Interozeanischen Korridor« verbunden. Dessen Ziel ist es, dem Warenverkehr am Panamakanal Konkurrenz zu machen.
Warenumschlag in 14 Stunden
»Der Verkehr am Panamakanal ist heute recht gering, die Schiffe benötigen inklusive Be- und Entladung der Waren ca. eine Woche für die Überquerung von einem Meer zum anderen. Beim interozeanischen Korridor werden es nach technischen Berechnungen nur 14 Stunden sein«, erzählt der Umweltaktivist Miguel Ángel García. »Der Interozeanische Korridor ist kein Mega-, sondern ein Gigastrukturprojekt. Neben der Modernisierung der Schienen und bestehenden Häfen ist eine parallel verlaufende Autobahn mit einem Containersystem zum Be- und Entladen vorgesehen. Zehn Industrieparks mit einer Fläche von ca. 1.500 Hektar für die Ansiedlung von Autofabriken, Chemiefabriken und Maquiladoras (auf den Export ausgerichtete Montagebetriebe, S. A.) aller Art sollen entstehen. Ferner ist die Ausweitung der Erdölförderung in der Region des Isthmus von Tehuantepec und die Modernisierung von zwei großen petrochemischen Fabriken sowie der Bau einer neuen Raffinerie in Tabasco geplant.«
García wohnt im Regenwald Los Chimalapas, einer der artenreichsten und biologisch vielfältigsten Regionen Mexikos, dessen ökologisches Gleichgewicht durch das Projekt bedroht ist. Er meint, der Interozeanische Korridor würde nicht nur einen Ökozid, sondern auch einen Ethnozid verursachen. Denn das Ökosystem bildet die Lebensgrundlage von 13 indigenen Bevölkerungen, die in direktem Austausch mit der Natur leben.
Das Infrastrukturprojekt »Tren Maya« schließt an den »Interozeanischen Korridor« in Chiapas an und führt von dort aus die gesamte Yucatán-Halbinsel entlang. Es verbindet auf 1.500 Kilometern fünf Bundesstaaten und soll den Süden des Landes für den Weltmarkt und die multinationalen Konzerne öffnen. Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador verspricht, mit dem Projekt endlich dem ökonomisch weniger entwickelten Süden des Landes zu helfen. 114.000 Arbeitsplätze habe der »Maya-Zug« bereits geschaffen, bis zu 715.000 sollen folgen.¹ Während die Regierung von wirtschaftlicher Entwicklung durch die Ankurbelung des Tourismus, einer Verbesserung der Mobilität für die lokale Bevölkerung und günstigeren Transportmöglichkeiten für die vielen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in der Region spricht, belegen Planungspapiere, dass 80 Prozent des Zuges für den Gütertransport genutzt werden sollen.² Dass der »Tren Maya« die Produkte der Kleinbauern transportieren soll, bezweifeln auf der Halbinsel Yucatán viele. »Sie werden genverändertes Saatgut großer Konzerne hierherbringen und Ressourcen von hier abtransportieren«, fürchtet Sara Gonzalez aus Candelaria. In vielen Regionen der drei mexikanischen Staaten Yucatán, Campeche und Quintana Roo, die der »Tren Maya« durchkreuzt, bewahrheitet sich dies bereits jetzt. Wo an ihm gebaut wird, entstehen mitten im Regenwald Masttieranlagen und Sojamonokulturen.
Und dabei soll es nicht bleiben: Die größten Gasvorkommen des Landes liegen vor der Küste Campeches, Öl wartet auf die Förderung. Industrieparks, Fabriken und Raffinerien gehören ebenso zur von der Regierung propagierten »territorialen Neuordnung« wie Hotelanlagen und die »Entwicklung der Region durch Planstädte«.
Scheinkonsultation
»Die Menschen wollen den Maya-Zug«, heißt es von seiten der zuständigen Tourismusbehörde Fonatur, die sich auf eine Befragung der Betroffenen beruft: »Der Konsultationsprozess für den Maya-Zug war der größte, der jemals für ein Infrastrukturprojekt durchgeführt wurde«, verkündete die Regierung 2019 und zeigte sich euphorisch: Mehr als 90 Prozent der Menschen vor Ort hätten für das Großprojekt gestimmt.³
Sergio Díaz, der an der Universität Campeche zu den Auswirkungen der Megaprojekte forscht, nennt die Befragung, auf die Fonatur verweist, eine Scheinkonsultation: »Es geht hier einfach um die Legitimation einer bereits getroffenen Entscheidung. Was die Indigenen wollen, spielt überhaupt keine Rolle.«⁴ Die Regeln für die Konsultation bei derartigen Projekten sind eindeutig: Sie müssen in den indigenen Sprachen angeboten und dem kulturellen Kontext angepasst vorgenommen werden, über alle Folgen informieren, einen freien Charakter bewahren – und vor Projektbeginn stattfinden. So ist es im ILO-Übereinkommen Nr. 169 der UNO zum Schutz der Rechte indigener Völker festgeschrieben.⁵
Indigene Organisationen, Wissenschaftlerinnen und Menschenrechtsaktivisten sowie mehrere UN-Institutionen kritisieren, dass diese Vorgaben verletzt worden seien: Zu wenige Menschen seien befragt worden, vor allem in den ländlichen Regionen. Zudem mehren sich Berichte über Stimmfälschungen und Bestechungen. Die zur Verfügung gestellten Informationen seien fast nie in den indigenen Sprachen gewesen. »Sie haben uns nichts berichtet, sondern nur mit den lokalen Autoritäten gesprochen«, beklagt Idelfonso Santos vom Regionalen Rat der Indigenen in Xpujil. Dann sei eine Liste aufgetaucht, in der die Namen der Befürworterinnen und Befürworter des Projekts festgehalten waren. »Meine Unterschrift steht in dieser Liste«, meint Santos, »ich habe aber nie unterschrieben, das war eine Fälschung.«⁶
»Die Konsultationen werden häufig unter Drohungen, Kriminalisierung und Schikanen durchgeführt, wodurch ihr freier Charakter untergraben wird«, warnte das UN-Komitee gegen rassistische Diskriminierung.⁷ Den Lehrer und Schriftsteller Pedro Uc Be von der Maya-Versammlung Múuch Xíinbal wundert das nicht: Weil er sich gegen den »Tren Maya« geäußert hat, erhielten er und seine Familie bereits Morddrohungen. In den vergangenen drei Jahren wurden in Mexiko über 50 Aktivistinnen und Aktivisten ermordet, die sich öffentlich gegen derartige Megaprojekte zur Wehr gesetzt haben.
Viele Menschen versprechen sich dennoch eine bessere Zukunft durch den »Maya-Zug« – auch wenn immer mehr von ihnen Zweifel haben. Sandra Martínez aus der Stadt Campeche etwa erklärt, dass sie einer Umsiedlung zugestimmt habe, »aber Fonatur ist dem versprochenen Bau der neuen Häuser nicht nachgekommen«.⁸ Nicht nur in Campeche, sondern auch andernorts kam es zu Zwangsräumungen und Vertreibungen. Wo sich Protest formiert, drohen die Behörden häufig mit dem Einsatz der neu geschaffenen Nationalgarde.
Wassermangel
Infolgedessen beginnt sich die Stimmung in der Bevölkerung zu verändern. Inzwischen wurden über 19 Klagen von indigenen Gemeinden und Umweltorganisationen, Wissenschaftlerinnen und NGOs gegen die Bauarbeiten eingereicht. Allein im ersten Bauabschnitt sollen elf Millionen Bäume dem Zug weichen, mitten in der »Selva Maya« – dem zweitgrößten Regenwald des Kontinents. In Quintana Roo führen die Zugtrassen direkt über die »Cenotes« – unterirdische Höhlen- und Flusssysteme, die das größte Süßwasservorkommen des Landes beherbergen. Der Zug stellt dabei nur ein Teilproblem dar. Werden die Vorhaben wie geplant umgesetzt, würde das Wasser zusätzlich infolge von Baustellen, intensivierter Landwirtschaft und Massentourismus kontaminiert. Über die »Cenotes« ist zudem auch ein Wasserzufluss an die Küste gewährleistet, grundlegend für die Existenz der Mangroven, die wiederum Nährstoffe für das zweitgrößte Korallenriff der Welt liefern – und den natürlichen Schutz vor Überflutungen bieten, die durch die Klimakrise stetig zunehmen.
Deren Folgen sind in den Gemeinden schon lange spürbar: »Das Problem hier in Calakmul«, erzählt Ernesto Martínez, »ist, dass es kein Wasser gibt. Und jetzt wollen sie 8.000 Touristen pro Tag hierher bringen?« fragt er ungläubig.⁹ 2022 war es so trocken wie nie zuvor, die mexikanische Wasserkommission Conagua hat den Notstand ausgerufen. »Entwicklung für uns«, sagt Kleinbauer Alfredo Vásquez, »wäre ein Zugang zu sauberem Wasser.« Nur für die Touristen und Konzerne werde davon nach dem »Tren Maya« noch genügend vorhanden sein, meint Sara Gonzalez.¹⁰
Nationale Sicherheit
Einige Klagen waren bereits erfolgreich: Mehrmals kam es im vergangenen Jahr zu Baustopps, etwa in Chiapas, Campeche und Yucatán. Diese Urteile wurden jedoch ignoriert oder durch höhere Instanzen gekippt. Schließlich erreichten Umweltschützer, dass der oberste Richter des Bundesstaates Yucatán einen definitiven Baustopp im gesamten Bauabschnitt fünf (Tulum bis Playa del Carmen) anordnete. Der Bau hatte ohne eine gesetzlich geforderte Umweltverträglichkeitsüberprüfung begonnen.
Doch die Verantwortlichen wollen am Eröffnungsdatum 2023 festhalten und griffen daher noch 2022 zu einer ungewöhnlichen Maßnahme, um den definitiven Baustopp zu umgehen: Der »Tren Maya« sei eine »Angelegenheit der nationalen Sicherheit«, erklärte Javier May, Direktor von Fonatur. Er berief sich dabei auf ein erst kürzlich verabschiedetes Dekret der mexikanischen Regierung, das den Start von staatlichen Megaprojekten ohne bindendes Prüfverfahren erlaubt, wenn diese als »nationales Interesse« definiert werden.¹¹ Nun wird an allen Bauabschnitten des »Tren Maya« wieder gebaut.
Der CNI konstatiert, dass das Dekret sämtliche erkämpften Rechte indigener Gemeinden bezüglich der Mitsprache bei Großprojekten außer Kraft gesetzt hat. »Land-, Arbeits- und Bildungsrechte, die sich die mexikanische Bevölkerung im letzten Jahrhundert durch ihren Kampf erobert hat, werden damit zurückgenommen«, heißt es im Aufruf zur Karawane gegen die Megaprojekte »Tren Maya« und dem »Interozeanischen Korridor«.¹²
»Ein Vorzeichen, das weltweit zur Kenntnis genommen werden sollte, ist die Präsenz des Militärs beim Bau und Nutzen dieser Megaprojekte«, sagt Nisaguie Cruz vom Nationalen Kongress der Indigenen.¹³ Das Militär nimmt beim »Maya-Zug« eine zentrale Rolle ein: Die Streitkräfte bauen und verwalten ganze Streckenabschnitte. »Alle Gewinne aus dem Betrieb der Bahn kommen dem Militär zugute«, so der Direktor von Fonatur. »Überall entstehen Militärbasen, derzeit sind rund 30.000 Soldaten allein der Nationalgarde im Südosten stationiert«, berichtet Ana Ceceña von der Nationalen Autonomen Universität Mexiko (UNAM).¹⁴ Dahinter stünden auch geopolitische Interessen: Migrantinnen und Migranten auf dem Weg in die USA werden bereits zwischen Guatemala und Mexiko aufgehalten, eine Praxis, die mit der Präsidentschaft Barack Obamas begann und bis heute weiter intensiviert worden ist: »Mexiko ist zum Türsteher der US-Regierung geworden. Unter Einsatz des Militärs werden Migranten an ihrer Reise gen Norden gehindert, schwere Menschenrechtsverletzungen sind die Folge«, berichtete »Brot für die Welt« bereits 2020 aus Chiapas.¹⁵ Vieles spricht dafür, dass zu diesen »Grenzmanagementlösungen« auch die Militarisierung Südmexikos gehört. Amnesty International und entsandte UN-Berichterstatter sind sich sicher, dass diese durch den »Maya-Zug« vorangetrieben wird.¹⁶
Ob die Militärpräsenz für Sicherheit sorgt, ist indes fraglich: Wie bereits in Cancún, eine der ersten »Planstädte«, befürchten viele die Machtübernahme der organisierten Kriminalität im Schatten der Militärpräsenz. Schillernde Hotelfassaden bilden in Cancún die Kulisse für florierenden Drogen-, Menschen- und Waffenhandel, während die ursprüngliche Bevölkerung in Armut lebt. »Es ist weltweit eines der schlimmsten Beispiele für ›ungleiche Entwicklung‹«, konstatiert Sergio Díaz.¹⁷
Dazu zählt die Zunahme der Kartellgewalt, wie sie bisher eher im Norden des Landes zu beobachten war. Der bewaffnete Kampf um die Macht zwischen dem Sinaloa-Kartell und dem Jalisco-Kartell – Neue Generation hat die öffentliche Sicherheit nun auch im Süden in einem noch nie dagewesenen Ausmaß verschlechtert. Die Verwicklung der Polizei und der Bundesarmee in die Aktionen der Narcos stellt die Situation in Chiapas auf eine Stufe mit dem Rest des Landes, hinzu kommt die verdächtige Komplizenschaft verschiedener Gemeindepräsidenten mit den im Bundesstaat operierenden Kartellen.
Internationale Beteiligung
Gilberto Lopez, der an der UNAM und der Universität Utah (USA) lehrt und zum »Maya-Zug« geforscht hat, weist auf die internationale Beteiligung von Firmen wie Renfe, Ineco und Deutsche Bahn (DB) an dem Projekt hin. Bereits 2018 hatte die deutsche Botschaft ein Treffen zwischen Fonatur und der KfW-Entwicklungsbank, dem TÜV Rheinland, Siemens und der Deutschen Bahn organisiert. 2020 sicherte sich die DB als Teil eines Konsortiums mit den spanischen Unternehmen Renfe und Ineco den Zuschlag: Bis Ende 2023 erhält der Konzern als sogenannter Schattenbetreiber 8,6 Millionen Euro für beratende Funktionen.
Auf erste Anfragen reagierte die DB zunächst nicht, bis Eva Schreiber, Abgeordnete der Linkspartei, in einer parlamentarischen Anfrage Auskunft verlangte: Der parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) bestätigte daraufhin den Auftrag: »Zu den Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages gehört die Beratung über den zukünftigen Betrieb und die Überwachung der Herstellung, Lieferung und Inbetriebnahme des rollenden Materials sowie der übrigen Systeme des Projekts bis zum Beginn der kommerziellen Testphase.«¹⁸ Genaueres sei über die Aufgaben der DB schwer zu erfahren, obwohl die Beteiligung auch den internationalen Nachhaltigkeitszielen der weisungsgebundenen Bundesregierung widersprechen könne, meint die Linkspartei-Abgeordnete Sabine Leidig. Im August 2021 stellte sie eine zweite Anfrage an die Bundesregierung und fragte nach der Bewertung des Projekts »in Anbetracht der internationalen Kritik aufgrund der ökologischen Auswirkungen und der Menschenrechtssituation«. Die Beteiligung sei unproblematisch, hieß es daraufhin, da unter anderem das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) »in das Projekt eng eingebunden« sei.¹⁹ Auch die DB verweist auf das OHCHR, obwohl ausgerechnet dieses das Projekt scharf kritisiert: »Der Konsultationsprozess der indigenen Bevölkerung zum Maya-Zug hat nicht alle internationalen Menschenrechtsstandards erfüllt«, heißt es dort.²⁰
2022 ist das ILO-Übereinkommen Nr. 169, das diesen Konsultationsprozess vorschreibt, auch in Deutschland in Kraft getreten. Spätestens jetzt müsse die Bundesregierung ihre Weisungsbefugnis gegenüber der Deutschen Bahn durchsetzen und den Rückzug aus dem Projekt verlangen, betont Christian Russau vom ILO-169-Koordinierungskreis und Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.²¹ Vor fast einem Jahr wies die Kampagnenorganisation »Sum of Us« die DB auf die Kritik der vom Unternehmen selbst angeführten UN-Institutionen hin und erbat ein weiteres Statement. Seitdem wartet man vergeblich auf eine Stellungnahme.
»Der Süden widersteht«
Die Kosten des Megaprojektes stiegen unterdessen um 80 Prozent auf 20 Milliarden US-Dollar. Und täglich schaffen die Bagger weiter Fakten. Seit der Erklärung zum »Projekt nationaler Sicherheit« nimmt der Bau erneut an Fahrt auf. Wie weit die Maschinen tatsächlich kommen werden, ist dennoch offen. Schon 1881 sollte ein Zug »den wilden Süden« erschließen, 2012 stellte López Obradors Vorgänger den Plan des »Tren Transpeninsular« vor. Das Projekt scheiterte am Widerstand der Maya. Jetzt ist es perfiderweise nach ihnen benannt – und soweit fortgeschritten wie nie zuvor. Wird es nicht doch noch gestoppt, »wird das Maya-Volk dazu verurteilt sein, zu verschwinden: Unsere Sprache wird verschwinden, unsere Kultur wird verschwinden – und was als ›Maya‹ übrigbleiben wird, ist ein Hotel, ein Restaurant, eine Buslinie, ein Zug«, so Pedro Uc Be im Gespräch.²²
Im April 2023 wird der Widerstand gegen das Projekt durch eine Karawane sichtbar werden, die am »Interozeanischen Korridor« und der Strecke des »Tren Maya« entlangführen wird. Unter dem Namen »Der Süden widersteht« richtet sich die Karawane gegen das kapitalistisch-koloniale System in seiner Gesamtheit: »Wir müssen den geistigen und materiellen Verursachern der planetarischen Verwüstung Namen und Gesicht geben: Länder, Unternehmen, Abkommen, Pakte und Allianzen (…). So wie sie sich zusammentun, um Tod und Zerstörung zu verabreden, ist es notwendig und unerlässlich, dass wir uns treffen, um Widerstand, Kampf, Alternativen und Autonomie zu schaffen«, heißt es im Aufruf des Nationalen Rats der Indigenen.²³ Der Aufruf bleibt nicht auf Mexiko beschränkt. Auch in den Ländern des Nordens sind Proteste angekündigt.

Anmerkungen:
2 Caitlin Manning/Joe Bender: »Maya Train: Eye of the Storm«, Teil 7 der Serie »Dispatches from Resistant Mexico«, 27.07.2020, kurzelinks.de/youtube-manning-bender, Min. 3:25–4:05
3 https://cnnespanol.cnn.com/2018/11/26/amlo-mexico-resultados-consulta-tren-maya/
4 Interview der »Recherche-AG« mit Sergio Prieto Díaz, https://deinebahn.com/wp-content/uploads/2022/06/Vollstaendiges-Interview-Sergio-Prieto-Diaz-Recherche-AG-Deutsch.pdf, S. 6
6 kurzelinks.de/youtube-DB-tren-maya, Min. 1:50–2:10
7 politica.expansion.mx/mexico/2019/08/30/onu-alerta-serios-vacios-en-consultas-pueblos-indigenas
8 https://proterra-hannover.de/1247-2/
9 www.thenation.com/article/world/is-mexicos-mayan-train-a-boondoggle
10 Manning/Bender (Anm. 2), Min. 18:45
11 https://kurzelinks.de/seguridad
12 https://kurzelinks.de/sur_resiste
13 https://proterra-hannover.de/1247-2/
14 huizarflores.medium.com/what-military-control-of-the-mayan-train-means-for-mexico-f5bd3b228566
15 kurzelinks.de/Brot-fuer-Welt-Mexiko
16 https://kurzelinks.de/amnesty_mexiko
17 Interview der »Recherche-AG« (Anm. 4), S. 5
18 Parlamentarische Anfrage Sabine Leidig (Die Linke), Drucksache 19/32490, dserver.bundestag.de/btd/19/324/1932490.pdf; Antwort auf die parlamentarische Anfrage durch Staatssekretär Ferlemann, Drucksache 19/32490, dserver.bundestag.de/btd/19/324/1932490.pdf
19 https://kurzelinks.de/human_rights
20 https://kurzelinks.de/UN_human
21 www.fdcl.org/2022/01/tochterfirma-der-deutsche-bahn-ag-und-das-tren-maya-projekt/
22 Video-Interview mit Pedro Uc Be (Anm. 4), S. 17
23 CNI (Anm. 12)
Sherin Abu-Chouka ist Historikerin und Filmemacherin.
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