»Oetker heißt, der uns bescheißt!«
Von Claus-Jürgen Göpfert
Es ist für die Gewerkschaftsbewegung ein besonderer Tag. Zum ersten Mal haben Beschäftigte von Brauereien aus ganz Deutschland vor der Zentrale des Oetker-Konzerns in Bielefeld protestiert. Etwa 300 Lohnabhängige aus zehn verschiedenen Unternehmen waren aus dem Norden, der Mitte und dem Süden der Bundesrepublik angereist. Auch Beschäftigte aus Kitas und Chemieunternehmen in Frankfurt am Main waren dabei. Sie demonstrierten gemeinsam gegen die geplante Schließung der Traditionsbrauerei Binding in Frankfurt am Main, die 2023 nach 150 Jahren aufgegeben werden soll.
Binding gehört zum Radeberger-Konzern, der Teil von Oetker ist. In der ersten Reihe der Demonstration in Bielefeld ging neben dem Binding-Betriebsratsvorsitzenden Christian Schipniewski der OB-Kandidat der Frankfurter CDU, Uwe Becker. Am 26. März tritt Becker in der Stichwahl um das neue Frankfurter Stadtoberhaupt gegen Mike Josef (SPD) an. Der Sozialdemokrat war zur Enttäuschung der Demonstranten nicht mit nach Bielefeld gekommen. »Die Kollegen hätten sich gefreut, wenn Josef dabei wäre«, sagte Jürgen Hinzer, der frühere NGG-Bundesstreikbeauftragte, der heute den Binding-Betriebsrat berät. Von Josef gab es auf Anfrage keine Stellungnahme.
Becker sprach sich bei der Kundgebung vor der Oetker-Zentrale für den Erhalt der Binding-Brauerei aus, die zu Frankfurt gehöre. Es gab großen Beifall. Bei einer Podiumsdiskussion im Frankfurter Gewerkschaftshaus am 17. März hatte der CDU-Politiker, Staatssekretär für Europaangelegenheiten in der hessischen Landesregierung, bereits angekündigt, einen Einstieg der Stadt Frankfurt bei Binding prüfen zu wollen. Das Land Hessen hatte erst 2022 einen Teil einer traditionsreichen Porzellanmanufaktur in Frankfurt übernommen, um sie so zu retten. Sozialdemokrat Josef hatte im Gewerkschaftshaus erklärt, er werde als Oberbürgermeister alles tun, was zu einem Erhalt der Produktion bei Binding führe.
Vor dem Haupttor der Oetker-Zentrale riefen die Demonstranten Parolen wie »Oetker heißt, der uns bescheißt!« Aus Sicht der Gewerkschaft NGG, die gemeinsam mit dem DGB zum Protest aufgerufen hatte, steht hinter dem geplanten Aus für die Binding-Brauerei eine Grundstücksspekulation. Das Areal im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen solle gewinnbringend verkauft werden, etwa für Luxuswohnungen.
Stefan Körzell vom DGB-Bundesvorstand betonte in seiner Rede, dass die gesamte Gewerkschaftsbewegung hinter dem Kampf der Binding-Beschäftigten stehe. Es gebe kein Argument für eine Schließung der Brauerei in Frankfurt. Die Kultur des Bierbrauens gehöre zu Frankfurt wie der Apfelwein. Mit Binding würde die letzte Brauerei in Frankfurt schließen. Körzell forderte, das Konzept des Betriebsrates für die Zukunft der Brauerei umzusetzen. Es sieht vor, dass eine »grüne Brauerei in der Stadt« entsteht und bei der Produktion Wärme und Energie gewonnen werden. Auch neue Produkte schlagen die Beschäftigten vor.
Der NGG-Landesbezirksvorsitzende von Hessen, Uwe Hildebrandt, warf dem Vorstand von Oetker in seiner Rede vor, nur noch am Profit interessiert zu sein. Vom Konzern selbst gab es am Wochenende keine Reaktion auf die Aktion der Gewerkschaften. Sicherheitspersonal schützte das Gelände der Oetker-Zentrale. Das Denkmal des Firmengründers August Oetker war verhüllt worden.
Den weitesten Weg nach Bielefeld hatten Beschäftigte des Allgäuer Brauhauses in Kempten auf sich genommen. Aus Bremen waren Belegschaftsangehörige von Becks gekommen, aus München von Augustiner, Spaten und der Paulaner-Brauerei, aus Rostock von der Hanseatischen Brauerei, die auch zur Radeberger-Gruppe gehört.
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