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Aus: Ausgabe vom 18.03.2023, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Kompetenz im Angriff

Von Arnold Schölzel
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Unter der Überschrift »Putin wirft alles, was er hat, in diesen Krieg. Es ist Zeit, dass auch wir mit vollem Einsatz vorgehen«, macht der frühere NATO-Oberbefehlshaber (2009–2013), US-General a. D. James Stavridis am Freitag in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) seine optimistische Aussicht auf die Entwicklung im Ukraine-Krieg öffentlich.

Von der wiederholten Feststellung des amtierenden US-Stabschefs Mark Milley, im Ukraine-Krieg könne keine Seite einen militärischen Sieg erringen, ist in dem Gespräch keine Rede. Dafür strapaziert der NZZ-Frager ein Lieblingsthema der westlichen Propaganda: die angebliche Gefahr, dass Russland taktische Atomwaffen einsetzt. Selbst dem Haudegen Stavridis erscheint das »sehr unwahrscheinlich«, aber er macht eine interessante Bemerkung dazu, als der Interviewer auf der Wahrscheinlichkeit besteht. Stavridis: Die NATO würde »sofort« eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten und Truppen entsenden. Und: »Wäre ich noch NATO-Oberbefehlshaber, würde ich schon jetzt solche Pläne ausarbeiten.« Was man eben so tut, wenn man die Bombe liebt.

Im Kontrast steht der beinahe besonnene Kommentar von Stavridis zu dem Zwischenfall vom Dienstag, als eine US-Drohne im Schwarzen Meer versank. Die NZZ will wissen, ob Vorfälle dieser Art zu einer Ausweitung des Krieges führen können. Stavridis: »Wir dürfen dieses Risiko nicht unterschätzen. Der Erste Weltkrieg begann mit der vermeintlich nebensächlichen Ermordung des österreichischen Thronfolgers.« Über die damals längst ausgearbeiteten Angriffspläne zum Beispiel im deutschen Kaiserreich sagt Stavridis nichts. Wer jedoch Zweifrontenkriege führen will, einen Schlieffen-Plan oder 1941 den »Fall Barbarossa« in der Schublade hat, benötigt nur eine Nebensächlichkeit, um Dutzende Millionen in den Tod zu schicken. Die sind beim Willen zur Weltherrschaft einkalkuliert. Heute, meint Stavridis, gebe es zwar »bessere Kommunikationskanäle und nachrichtendienstliche Erkenntnisse«, Gesprächsforen wie die UN, aber »die Sorge, dass ein einzelner Vorfall einen Flächenbrand auslösen kann« bestehe. Vielleicht auch deswegen, weil Angriffspläne fertig sind?

Stavridis kann es jetzt jedenfalls nicht schnell genug mit dem Krieg vorangehen: Bei Kampfpanzern waren »wir« nach ihm »zu langsam und zu zögerlich«. Jetzt sollten »wir« Kampfflugzeuge liefern – »polnische Mig-29, amerikanische F-16, vielleicht auch A-10-Flugzeuge zur Bekämpfung von Bodenzielen«: »Wir werden an diesen Punkt kommen.« Denn aus Furcht vor Eskalation haben »wir« nichts erreicht, weil Putin »mit vollem Einsatz spielt«: »Daher ist es Zeit, dass auch wir mit vollem Einsatz vorgehen.« Gegen einen Stavridis wirken die Panzerfans im Bundestag fast nüchtern.

Den Rest vom Krieg erledigt der frühere NATO-Kommandeur mit leichter Hand: Kiew muss seine Truppen nur noch »direkt durch den russisch besetzten Landkorridor im Süden vorstoßen« lassen, »diesen durchschneiden und die russische Logistik zerstören. Die Krim wäre dann für die Russen nur noch schwer zu verteidigen«. Und wer will noch mal, wer hat noch nicht: Wenn erst die »Leopard«-Panzer da sind, liefern die USA laut Stavridis ergänzend »Atacms-Raketen mit einer Reichweite von 160 Kilometern«, »außerdem Marschflugkörper, mit denen die Ukrainer Schiffe der Schwarzmeerflotte versenken können«. Zumal die Russen nichts können: »Ich war schockiert über die Inkompetenz der Generäle, die diesen miserablen Angriffsplan (für den Einmarsch in die Ukraine, A. S.) entworfen haben.« Es kommt eben alles auf die Angriffspläne von kompetenten Generälen an. Die Idee, die russische Schwarzmeerflotte zu vernichten, steht dafür beispielhaft.

Wenn erst die »Leopard«-Panzer da sind, liefern die USA laut Stavridis ergänzend »Atacms-Raketen mit einer Reichweite von 160 Kilometern«, »außerdem Marschflugkörper, mit denen die Ukrainer Schiffe der Schwarzmeerflotte versenken können«.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (23. März 2023 um 11:29 Uhr)
    Drei Bemerkungen: Erstens, es ist mehr als traurig, dass eine ehemals sehr gute Zeitung mit solchen Stoff ihre Leser heutzutage füttert. Zweitens, was ist, wenn Russland doch noch nicht zu besiegen ist, wonach es zurzeit aussieht, und wird die US-Hilfe für die Ukraine in kürze bei der Präsidentschaftswahl eingestellt? Drittens, die Ukraine ist schon heute nur ein von dem »Wertewesten« ausgehaltenes militärpolitisches Gebilde!
  • Leserbrief von G. R. Hoffmann aus Halberstadt (19. März 2023 um 21:06 Uhr)
    »Vielleicht auch deswegen, weil Angriffspläne fertig sind?« Das ist eine berechtigte Frage und darüber hinaus bewegt mich die Frage, welchen Grund und welche Veranlassung gab es, dass der Bundestag bereits 2016 per 1. Januar 2017 den § 80 (Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges) ersatzlos (!) aus dem StGB hat streichen lassen. Es ist doch eine juristische Binsenweisheit, dass alles das, was nicht verboten, erlaubt ist. Was also plant die Bundesregierung, gleich welcher Couleur sie ist, nimmt seine Bürger womöglich als Geiseln und sorgt schon im Vorfeld dafür, dass die Protagonisten dieser gefährlichen Politik, möglichst straffrei bleiben? Liegen tatsächlich derartige gefährliche Pläne in deutschen Schreibtischen und Tresoren, die »Unthinkable« und »For Eyes only!« sind?

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