junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Montag, 27. März 2023, Nr. 73
Die junge Welt wird von 2701 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 18.03.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Wirtschaftskrieg und Banken

Alarmierte Investoren

Einzelfälle oder Krise? Trotz Beschwichtigungen betrachten Anleger Banken in USA und Europa mit Misstrauen
Von Klaus Fischer
9.JPG
Von Zentralbank mit 50 Milliarden Franken gerettet: Bankkonzern Credit Suisse in Zürich

Droht im Westen eine neue Finanzkrise? Nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) Anfang des Monats und der unmittelbar darauf »entdeckten« Notlage des eidgenössischen Geldhauses Credit Suisse (CS) scheint die Frage berechtigt. Insbesondere die daraufhin nahezu unisono von politisch Verantwortlichen und Zentralbankern verkündete Botschaft, man brauche keine Sorge zu haben, alles sei im Griff, verstärkt die Zweifel eher, als sie auszuräumen. Die von Experten verbreitete Begründung, dass die Leitzinserhöhungen einzelne Banken kalt erwischt hätten, lässt zudem deutlich werden, dass Anleger gut beraten sind, die fachliche Kompetenz der Finanzmanager anzuzweifeln.

Betrachtet man nur den Bankensektor, kann der Eindruck entstehen, es seien Einzelfälle. Die SVB hatte Berichten zufolge tatsächlich den Fehler gemacht zu glauben, eine Leitzinserhöhung sei unwahrscheinlich. Sie setzte beträchtliche Summen auf langfristige Staatspapiere und musste diese nach plötzlich aufgetretenem Abzug von Kundeneinlagen deutlich unter Wert abstoßen. Zudem hat die als Kerngeschäft bezeichnete Finanzierung von Startups im namensgebenden Silicon Valley offenbar die Zinswende nicht gut verkraftet.

Auch die CS ist ein Problemfall. Deren Management war bekannt dafür, vor allem die eigene Vergütung über Boni und später – als diese verboten wurden – durch »Sondergehälter« stets auf der Höhe der Zeit zu halten. Die Ergebnisse im Geschäft ließen indes zu wünschen übrig. Resultat: Der Börsenwert der zweitgrößten Schweizer Bank sank seit 2009 – dem offiziellen Ende der Finanzkrise – bis jetzt von gut 60 Milliarden Franken (61 Milliarden Euro) auf knapp sieben Milliarden.

Deshalb spricht manches dafür, dass es sich tatsächlich bei den geschilderten Fällen (in den USA wurden zwei weitere kleinere Institute saniert bzw. geschlossen) um Vorboten einer neuen, weit gefährlicheren Krise handelt. Nicht wenige Experten sind der Auffassung, dass die Finanzkrise von 2007/2008 nie beendet wurde, sondern dass außer der zeitweisen Stabilisierung der Institute mit Steuergeldern lediglich kosmetische Operationen (höheres Eigenkapital, bessere Aufsicht, härtere Regeln für Trader und Management etc.) vorgenommen worden seien. Wie aber kann es geschehen, dass angeblich besser finanzierte Finanzkonzerne unter strikterer Aufsicht und mit verantwortungsbewussteren Führungskräften von einer Leitzinserhöhung »überrascht« werden?

Zweifellos wirkt sich auch im Bankensektor die aktuell verschärfte strategische Auseinandersetzung des US-geführten Westens mit dem aufstrebenden Block der östlichen und südlichen Hemisphäre aus. Finanzielle Restriktionen sind neben einer gigantischen Propagandakampagne derzeit die wichtigste Waffe, die gegen Russlands Wirtschaft eingesetzt wird. Der Versuch, den wohl wichtigsten Rohstofflieferanten der Welt von der internationalen (US-dominierten) Finanzinfrastruktur auszuschließen, wirkt allerdings nicht nur eindimensional. Schlagartig machte der »Wirtschaftskrieg« Staatenlenkern und Kapitalakteuren in China, Indien, Indonesien, Brasilien klar, was ihnen drohen kann, sollte Washington es darauf anlegen. Auch bislang der US-Seite zugewandte Länder des Nahen Ostens (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate) gehen vorsichtig auf Distanz. Nicht zuletzt die Annäherung zwischen den Saudis und Iran dürfte in Washington und an der Wall Street mit Besorgnis (und Wut) zur Kenntnis genommen worden sein. Droht nun doch die Dedollarisierung im Ölgeschäft?

Fakt ist auch, dass der US-Staat sein (gesetzlich begrenztes) Kreditvolumen im derzeitigen globalen Kräftemessen nahezu ausgeschöpft hat. Die laufende Finanzierung eines faktisch gescheiterten Staates Ukraine treibt auch die Verschuldung der Hauptakteure USA und EU kräftig voran. Das wird am westlichen Finanzmarkt wahrgenommen – und darauf reagiert.

Ob Zufall, oder nicht: Als die CS diese Woche plötzlich dringend Liquidität brauchte, musste die Schweizer Nationalbank mit 50 Milliarden Franken einspringen. Der größte Aktionär der Bank – die Saudi National Bank – hat sich Berichten zufolge nicht an der Rettungsaktion beteiligt.

Drei Wochen kostenlos lesen

Wir sollten uns mal kennenlernen: Die Tageszeitung junge Welt berichtet anders als die meisten Medien. Sie bezieht eine aufklärerische Position ohne Besserwisserei und wirkt durch Argumente, Qualität, Unterhaltsamkeit und Biss.

Testen Sie jetzt die junge Welt drei Wochen lang (im europäischen Ausland zwei Wochen) kostenlos. Danach ist Schluss, das Probeabo endet automatisch.

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. März 2023 um 21:12 Uhr)
    Das ist hier die Frage: Bebt der Bankensektor erneut, weil er eineinhalb Jahrzehnte nach der Finanzkrise immer noch wackelig ist, oder ist es nur ein Machtspiel der Mächtigen?! Die Nachricht war kurz: Ein Kollaps der mittelgroßen Silicon Valley Bank, die in Europa kaum jemand kannte. Doch schließlich gerieten aber auch die Aktienkurse europäischer Banken ins Straucheln. Besonders heftig traf es die Credit Suisse, eine Schweizer Bank mit großem Saudischen Anteil! Ein Warnschuss für die Saudis und für alle anderen, die seit kurzem auf die Idee kommen, ihre Dollarmilliarden nicht in den USA zu investieren! Scheinen die Geldhäuser nach wie vor als wackliger wahrgenommen zu werden, als diese sich gern präsentieren? Oder ist es nur ein Machtspiel der Geldhäuser? Seit der Erfindung des Geldes, jedoch aber seit der Neoliberalisierung, dreht sich alles um das Geld, ausgenommen das Geld an sich selbst, weil es bei Geld um die pure Macht geht!

Ähnliche:

  • Die explosive Stimmung an den Finanzmärkten schadet den Ölmultis...
    15.06.2022

    Geld wird teurer

    Herrn Musks »superschlechtes Gefühl«: Die Zinswende lässt Spekulationsbläschen platzen
  • Das große Fressen ist angerichtet. Den Spekulanten schmeckt’s (P...
    17.04.2021

    Megafonds der Finanzmärkte

    Weltweit verwaltetes Vermögen von Blackrock umfasst neun Billionen Dollar. Boom an den Börsen und Konjunkturprogramme füttern Investoren

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit

Drei Wochen lang gratis gedruckte junge Welt lesen: Das Probeabo endet automatisch, muss nicht abbestellt werden.