Schleimschleudern des Tages: Diplomaten, hier deutsche
Von Reinhard Lauterbach
Es gehört zum Wesen der Diplomatie, Gegensätze in höflicher Form auszutragen. Das liegt an ihrem Gegenstand – zwischenstaatliche Beziehungen. Staaten konkurrieren um alles mögliche: Ressourcen, Einflussgebiete, ökonomischen Erfolg ihrer jeweiligen Volkswirtschaften. Jede Menge Grund für Krach also. Aber solange sie noch konkurrieren, also nicht unmittelbar auf die Zerstörung des anderen abzielen, müssen sie ja irgendwie miteinander umgehen. Und das tun sie dann in öligster Heuchelei.
Ein jüngst bekanntgewordener Vorgang illustriert das aufs trefflichste. Vor dem Hintergrund der Zerstörung der – immerhin einem russischen Unternehmen gehörenden – Ostseepipelines im September fordert Russland seit Monaten, an den Ermittlungen zu den Tätern beteiligt zu werden. Und genau das verweigern die Bundesrepublik, Dänemark und Schweden konsequent. Erst hieß es, Russland habe die Leitung ja womöglich selbst zerstört, eine Beteiligung Moskaus könne also die Ermittlungen behindern. Dann wurde Berlin deutlicher: In einem Antwortschreiben vom 19. Januar, das die russische Botschaft am Dienstag via Twitter veröffentlichte, schreibt das Bundesjustizministerium erstens, der Generalbundesanwalt führe die Ermittlungen in alleiniger Zuständigkeit. Soll heißen: Geht euch gar nichts an, was wir herauskriegen. Weil nämlich zweitens möglicherweise wesentliche Interessen der BRD durch eine russische Beteiligung beeinträchtigt würden – also der interessengeleitete und eben nicht ergebnisoffene Charakter der deutschen Ermittlungen herauskommen könnte, komme eine solche Beteiligung nach Artikel 2, Buchstabe h des Rechtshilfeabkommens nicht in Betracht. Und tschüss.
Die deutsche Botschaft in Moskau übermittelte den Brief dem russischen Außenministerium und nahm das zum Anlass, die russische Seite »erneut ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern«.
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