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Aus: Ausgabe vom 18.03.2023, Seite 6 / Ausland
Wahlmanipulation

Protest gegen Manipulation

Wahlen in Guatemala: Linke MLP-Kandidaten sollen ausgeschlossen werden. Machtverschiebung bei Rechten
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
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»Nein zu Betrug«: Deutliches Zeichen vor der Wahlbehörde in Quetzaltenango (16.3.2023)

Einige tausend Menschen haben am Donnerstag in Guatemala erneut gegen den drohenden Ausschluss des Kandidatenduos Thelma Cabrera und Jordán Rodas für den linken »Movimiento para la Liberación de los Pueblos« (MLP) bei den Wahlen im Juni demonstriert. Proteste, die meist vor den lokalen Niederlassungen der Wahlbehörde TSE endeten, fanden in 21 der 22 Departamentos des Landes statt. Auch in den USA organisierten guatemaltekische Migranten kleine Aktionen.

In Guatemalas zweitgrößter Stadt Quetzaltenango hatten sich gegen sieben Uhr morgens (Ortszeit) etwa 300 Menschen vor dem Amtsgericht versammelt und zogen in einer langen Demonstrationsroute vor das Gebäude der TSE. Aufgerufen hatten indigene Organisationen. Die Landarbeiterorganisation Codeca, aus der die MLP hervorgegangen war, sowie die Partei selbst hatten sich offiziell nicht beteiligt. Die Mehrheit der Teilnehmer in Quetzaltenango kam aus den umliegenden Landkreisen, eine siebzigjährige Aktivistin erzählte, sie sei um »vier Uhr mit dem Bus nach Xela gefahren, um hier dafür zu demonstrieren, dass unsere Kandidaten an der Wahl teilnehmen können«.

Der »Pakt der Korrupten« – so werden die bekannten herrschenden Kreise in Guatemala genannt – habe die drei Gewalten des Staates unterwandert, erklärte ein Redner, die Entscheidung gegen das Kandidatenduo sei seiner Meinung nach »aber auch Ausdruck des Rassismus des Staates gegen die Maya-Mam-Kandidatin Thelma Cabrera«. »Die Oligarchie hat Angst vor der MLP, daher die Entscheidung; bei fairen Wahlen würde Thelma Cabrera auf dem ersten Platz landen«, war sich ein anderer Redner sicher, der auch auf die sich zuspitzende soziale Lage im Land einging. »Die Preise steigen und steigen (…), vielen jungen Menschen, ob Studenten oder Arbeitern, bleibt nur der Weg der Migration in die USA.«

Die MLP nimmt erst das zweite Mal an den Wahlen teil. Die Partei versteht sich als »politisches Instrument« der Landarbeiterorganisation Codeca und strebt eine grundlegende Neugründung Guatemalas an. Zu den zentralen Forderungen gehören unter anderem die Verstaatlichung der Stromversorgung und eine neue Verfassung auf Grundlage eines »plurinationalen Staates«. Bleibt es beim Ausschluss des Kandidatenduos, gegen den die MLP weiter juristisch vorgeht, werde man seine Kraft auf die gleichzeitig stattfindenden Parlaments- und Bürgermeisterwahlen konzentrieren, hatte Generalsekretär Cirilo Pérez im Februar im Interview mit junge Welt erklärt.

Die linke MLP ist nicht die einzige Kraft, die bei den Wahlen eingeschränkt wird. Für die rechte Partei »Podemos« hatte Gründer Roberto Arzú kandidieren wollen, auch seine Einschreibung als Präsidentschaftskandidat wurde von der Wahlbehörde zurückgewiesen. Die Zeitung Prensa Libre schrieb am Montag, dass das Wahlgericht die Partei außerdem zur Zahlung von umgerechnet etwa 47.000 Euro wegen »Ereignissen« in den »Finanzbewegungen« der Partei in den Jahren 2018 und 2019 verurteilte. Die Partei wies die Strafe als »Repression« zurück.

Roberto Arzú ist der Sohn von Alvaro Arzú, der von 1996 bis 2000 Staatspräsident und seit 2003 über insgesamt vier Amtsperioden bis zu seinem Tod 2018 Bürgermeister der Hauptstadt war. In seine Amtszeit als Staatschef fiel die erste Welle der neoliberalen Privatisierungen, betroffen waren unter anderem die Stromversorgung, Telekommunikation und Banken.

Keine Einwände hatte das Wahlgericht, anders als noch 2019, gegen die Kandidatur von Zury Rios für eine Allianz der weit rechts stehenden Parteien »Valor« und »Unionista«. Zury Rios ist die Tochter von Efraín Ríos Montt. Er regierte Guatemala in den Jahren 1982 und 1983, die von ihm errichtete Diktatur gilt als die blutigste Phase im 36jährigen Bürgerkrieg (1960–1996). Montt wurden zahlreiche Massaker an der indigenen Bevölkerung zur Last gelegt, 2013 verurteilte ihn ein Gericht zu einer achtzigjährigen Haftstrafe. Nur wenige Tage später wurde das Urteil wegen angeblicher Verfahrensfehler wieder aufgehoben, Montt starb 2018 in Freiheit. Die Familie Montt steht für das »neue Kapital«, das während des Bürgerkrieges seine Machtposition festigte, die Familie Arzú repräsentiert die traditionelle Oberschicht.

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