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Aus: Ausgabe vom 18.03.2023, Seite 5 / Inland
Flughafenstreiks

Hinhaltetaktik am Airport

Flughafenbeschäftigte in NRW und BaWü im Ausstand. Luftsicherheitsunternehmen schieben Verbesserungen seit Jahren auf die lange Bank
Von Gudrun Giese
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Am Flughafen Stuttgart traten die Kolleginnen und Kollegen um Mitternacht in den Warnstreik

Bei den aktuellen Streiks der Flughafenbeschäftigten geht es zum einen um den Bereich Luftsicherheit, zum anderen um die laufende Entgeltrunde im öffentlichen Dienst. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte am Freitag an den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn zum Streik aufgerufen. Am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden startete der Ausstand am frühen Freitag morgen, die Kollegen vom Stuttgarter Airport waren um Mitternacht in den Warnstreik getreten. Der Stuttgarter Flughafen hatte mitgeteilt, nur »Sicherheitslandungen, medizinische Flüge und militärische Verkehre« durchführen zu können. Bereits Anfang der Woche beteiligten sich rund 2.000 Beschäftigte des Boden- und Sicherheitspersonals an den Flughäfen Berlin-Brandenburg (BER), Bremen, Hamburg und Hannover an Warnstreiks, die den Flugverkehr an den Standorten weitgehend zum Erliegen brachten.

Dabei kämpft diese Beschäftigtengruppe, die in der Fluggast-, Fracht- und Warenkontrolle arbeitet, seit Jahren um eine Erhöhung von Zeitzuschlägen für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit sowie bessere Tarifregelungen zur Entlohnung von Mehrarbeit, wie Verdi in einer Mitteilung ausführte. Die Anfang 2020 wieder aufgenommenen Verhandlungen wurden wegen der Coronapandemie auf Eis gelegt und erst nach der Entgelttarifrunde 2022 fortgesetzt. Zuvor sei der »Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen« (BDLS) nicht bereit gewesen zu verhandeln, so die Gewerkschaft.

Zu den Streikenden gehören zudem Beschäftigte, die von den Entgelttarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen betroffen sind, darunter die meisten Angestellten von Flughafengesellschaften, Flughafenfeuerwehren und Bodenverkehrsdienstleister. Bei ihnen geht es um die Durchsetzung der Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr Entgelt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

An den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn begannen die ganztägigen Warnstreiks wegen der Schichtdienste bereits in der Nacht auf Freitag und sollten planmäßig in den frühen Morgenstunden des Sonnabends zu Ende gehen. »Die Beschäftigten machen mit den Streiks gemeinsam Druck auf die Arbeitgeber, weil in den bisherigen Verhandlungen weder im öffentlichen Dienst noch im Luftsicherheitsbereich ein akzeptables Angebot unterbreitet wurde«, erklärte Andrea Becker, die zuständige Verdi-Fachbereichsleiterin im Landesbezirk Nordrhein-Westfalen. Bei den Beschäftigten lösten die steigenden Preise für Energie und Lebensmittel existentielle Ängste aus, weil sie nicht mehr wüssten, wie sie »ihre Mieten bezahlen und den Kühlschrank füllen sollen«. Deutlich mehr Geld sei zum Bestreiten des Lebensunterhaltes nötig.

Die Zuschläge für die Arbeit in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen sind für die Beschäftigten in der Luftsicherheit seit 2006 nicht mehr verbessert worden. Ebenso fordert Verdi neue tarifliche Regelungen zur Bezahlung von Überstunden für die Sicherheits- und Servicekräfte an Verkehrsflughäfen. Seit 2013 wurde mehrfach ergebnislos über beide Bereiche verhandelt. Allein 2022 habe es sechs Runden gegeben, die aber alle ohne Angebot des BDLS blieben. »Sie schieben das Thema immer wieder auf die lange Bank und verhindern seit Jahren bessere Zeitzuschläge und sparen damit zu Lasten der Luftsicherheitsfachkräfte«, kritisiert Verdi. Dabei handele es sich um eine anspruchsvolle Tätigkeit, die »rund um die Uhr geleistet werden muss und viel Flexibilität verlangt«, betont Gewerkschaftssekretär Wolfgang Piper und verweist auf die negativen Folgen der Schichtarbeit auf das soziale Leben der Beschäftigten. Angemessene Zeitzuschläge und attraktivere Arbeitsbedingungen seien dringend nötig, um überhaupt noch genug Menschen zu finden, die im Bereich der Luftsicherheit arbeiten wollen.

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  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (18. März 2023 um 08:11 Uhr)
    Mich würde mal interessieren, welche Zukunftsaussichten die Gewerkschaften für die in der Luftfahrtbranche Beschäftigten sehen. Warum hat niemand den Mut, klar auszusprechen, dass es mit dem Luftverschmutzer »Luftfahrt« langsam, aber unweigerlich dem Ende zugeht? Zumindest jeder Umweltbewusste sollte es inzwischen mitbekommen haben. Denn wenn die DB (hoffentlich bald) zum verlässlichen und erschwinglichen Verkehrsmittel wird und dies die Passagiere realisieren, wird der Trend weg vom Flugzeug voll einsetzen. Nur wenige Arbeitsplätze werden bleiben, um z. B. unvermeidbare Langstreckenflüge abzusichern. – Hoffentlich haben dann die Gewerkschaften bessere Ideen, als die Beschäftigten in den dann aussichtslosen Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze und Lohnerhöhungen zu schicken. Denn wenn die Kunden ausbleiben, gibt es nichts mehr zu tun und nichts mehr zu verdienen!

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