Ampel schnitzt sich Wahlrecht
Von Kristian Stemmler
Nach einem teils hitzigen Schlagabtausch hat der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Regierungsparteien SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen Änderungen des Wahlrechts beschlossen, die vor allem als Weg zu einer angeblich nötigen Verkleinerung des Bundestages verkauft werden. 399 Abgeordnete stimmten für den Gesetzentwurf, 261 dagegen. Mit der Bundestagswahl 2025 schrumpft der Bundestag damit von derzeit 736 Abgeordneten auf maximal 630. Scharfe Kritik kam aus den Fraktionen von Die Linke und Union. Beide kündigten an, die »Reform« vor dem Bundesverfassungsgericht anzufechten.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion Die Linke, Jan Korte, bezeichnete die Reform als »größten Anschlag« auf das Wahlrecht »seit Jahrzehnten«. Profitieren würden von den Änderungen die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP. Dagegen sollten die Linke und auch die CSU »politisch eliminiert« werden. Die Reform sei »vergleichbar mit den Tricksereien der Trump-Republikaner«. Kortes Partei ist vor allem vom Wegfall der Grundmandatsklausel betroffen. Sie ermöglichte bislang Parteien, die bundesweit unter fünf Prozent blieben, den Einzug in das Parlament gemäß dem Zweitstimmenanteil durch den Gewinn von mindestens drei Direktmandaten.
Die Kritik des CSU-Abgeordneten Alexander Dobrindt konzentrierte sich vor allem auf den Wegfall von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Das könne dazu führen, dass direkt gewählte Abgeordnete nicht mehr ins Parlament einzögen. Dobrindt sprach von einem »Akt der Respektlosigkeit« gegenüber den Wählern. Die Ampel stelle das »Existenzrecht der CSU in Frage« und wolle die Linke »aus dem Parlament drängen«.
Der Obmann der SPD in der Wahlrechtskommission, Sebastian Hartmann, verteidigte das neue Wahlrecht. Die Verkleinerung des Parlaments sei klar und nachvollziehbar. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel sei eine »klare Systementscheidung« und stärke das Verhältniswahlrecht – was wie Hohn klingt, da die 5-Prozent-Hürde nicht nur nicht angetastet wird, sondern durch den Wegfall der Klausel noch gestärkt wird. Sicher scheint, dass die in letzter Zeit immer wieder diskutierte Repräsentationslücke (von Wählern, die Parteien wählen, die es nicht ins Parlament schaffen) in den kommenden Jahren wachsen wird.
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Leserbrief von Fabritzius M aus Köln (18. März 2023 um 09:01 Uhr)Andere parlamentarische Mehrheiten bei der Engführung der Berichterstattung der Medien führt zu einer Anpassung des gesellschaftspolitischen Diskurses. Die CSU, mit ihren jahrzehntelangen Sonderstatus und der politischen Kernabsicht, den rechten Rand einzubinden, wird nicht mehr gebraucht. Da die AfD den rechten Bereich abdeckt, müsste dann rein der parlamentarischen Rechnung nach, die CDU mit der AfD zusammen … Die Linke ist erfolgreich eingehegt und zerrieben worden und hat viel Vertrauen verspielt und insgesamt dem linken Bereich einen großen Schaden zugefügt. Handtke soll mal gesagt haben, dass die Grünen die Türöffner für den Faschismus seien. Ich kann mir das so erklären, dass z. B. für den Kampf um gesunde Ernährung ein religiösen Fanatismus entstanden ist, mit einem komplexen Glaubenssystem, das rigoros durchgesetzt werden soll. Seit den Anfängen der Grünen waren sie auch offen für andere Naturreligionen (Buddhismus, Zen, Schamanismus, z. B. bei den Indianern, Kelten). Hier haben sie eine große(?) Schnittmenge mit der AfD und/oder Faschisten, die die »Staatskirchen« ablehnen und nach anderen theologischen Erklärungen und Gewissheiten suchen.
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